Wenn Expertise und Denkstruktur zusammenwirken Wie Change Management gelingt

Veränderungspfeil

Change Initiativen scheitern in vier von fünf Fällen. Und auch bei privaten Veränderungsvorhaben ist der Erfolg überschaubar. Haben Sie schon mal gefragt, warum das so ist? Silke Nierfeld geht der Sache auf den Grund und eröffnet neue Perspektiven, damit Veränderungen künftig besser gelingen.

Management Summary

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Wenn Expertise und Denkstruktur zusammenwirken Wie Change Management gelingt

Veränderungspfeil

Change Initiativen scheitern in vier von fünf Fällen. Und auch bei privaten Veränderungsvorhaben ist der Erfolg überschaubar. Haben Sie schon mal gefragt, warum das so ist? Silke Nierfeld geht der Sache auf den Grund und eröffnet neue Perspektiven, damit Veränderungen künftig besser gelingen.

Management Summary

Vier von fünf Veränderungsprozesse scheitern, wie viele Studien belegen. Wie es um die Messbarkeit von kulturellen Veränderungen bestellt ist, sei dahingestellt. Fakt ist, dass Unternehmen auf veränderte Bedingungen reagieren müssen und nur wenige Wege finden, die befriedigende Resultate liefern.

Im vergangenen Jahrzehnt sind eine Fülle neuer Methoden, Strategien und Professionals in Form von Beratern, Coaches, Trainern, Facilitatoren, Evangelisten und Empowerment Agents auf den Markt gekommen. Die Quote des Scheiterns wird unverändert hoch benannt. Berücksichtigt man nachträglich umdefinierte Projektziele, welche Projektverantwortliche bei strauchelnden Verläufen vornehmen, um ihre Karrieren zu retten, liegt die tatsächliche Erfolgsquote vermutlich nur bei ca. 10%.

Bei privaten Veränderungsvorhaben sieht es nicht anders aus. Die wenigsten Menschen schaffen es, neue Verhaltensweisen zu Gewohnheiten werden zu lassen und fallen in alte Muster zurück, sobald Motivation und Willenskraft erschöpft sind.

Man darf also davon ausgehen, dass es keine Frage der Methoden ist, weshalb Change Prozesse scheitern, sondern dass es sich um systemische Denkfehler handelt. Genauer gesagt handelt es sich um Denkstrukturen, welche der Komplexität der VUCA-Welt nicht angemessen sind. Die Herausforderung im Umgang mit Komplexität und Change Management liegt darin, die vertraute Art des Denkens zu verlassen und sich auf neue Denkstrukturen einzulassen. Das fällt deshalb so schwer, weil es dem Bedürfnis nach Sicherheit und "Vernunft" entspricht, stets vorher wissen zu wollen, was passieren wird. Auf die Art wird aber nur altes Denken in die Zukunft fortgeschrieben. Neue Denkstrukturen, die komplexitätssouverän sind, lassen Unsicherheit zu, überwinden Ängste und "springen" auf eine Meta-Ebene, die eine ganzheitliche und universelle Problemlösungskompetenz bietet.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen aufzeigen, wie man diese neue Denkstruktur entwickeln kann und wie deren Anwendung bei Change Prozessen funktioniert, damit die Dinge am Ende nicht nur anders – sondern besser werden. Besser bedeutet, drei Anforderungen zu erfüllen: Erstens, der Prozess macht das Unternehmen wandlungsfähig und sichert dadurch seine Zukunftsfähigkeit. Zweitens, das Unternehmen wird ein attraktiver Arbeitgeber – sowohl für jetzige als auch für künftige Generationen. Drittens, die Organisationsveränderung reduziert den Stress der Mitarbeiter, denn Stress ist die größte gesundheitliche Bedrohung des 21. Jahrhunderts laut Weltgesundheitsorganisation und ein wirtschaftlich relevanter Faktor.

Wie Change Management scheitert

Arten von Change Management

Prinzipiell unterscheidet man zwei Kategorien von Veränderungsprozessen:

Laterale Veränderungen

Laterale Veränderungen (Translation) sind quantitative Veränderungen innerhalb eines Systems oder Veränderungen erster Ordnung. Sie erweitern das Repertoire an Kenntnissen und Fertigkeiten. Softwareentwicklung ist eine Veränderung erster Ordnung und somit wesentlich weniger herausfordernd als eine Veränderung zweiter Ordnung (siehe Vertikale Veränderungen). Dennoch scheitern viele Projekte erster Ordnung, denn auch Translationen sind komplex (in Abgrenzung zu kompliziert). Es sind Menschen involviert und das impliziert Dynamik, Lebendigkeit und Emergenz. Wenn also Softwareentwicklungsprojekte scheitern, die mit agilen Methoden bewerkstelligt werden, so zeigt das, dass Agilität allein keine Antwort ist auf die Herausforderungen der komplexen Welt.

Vertikale Veränderungen

Vertikale Veränderungen (Transformation) sind qualitativ, sie sind eine Veränderung des Systems und deshalb Veränderungen zweiter Ordnung. Eine Transformation bedeutet die Aktualisierung der Denkweise und des Wertesystems. Dieser Prozess geht über Differenzierung, Selbstreflexion und Integration. Es ist ein Paradigmenwechsel, der eine komplexere Bewusstseinsebene und damit höhere Lebensqualität hervorbringt. Ein Beispiel für Transformation ist ein Kulturwandel.

Unterschiedliche Logiken

Die beiden Kategorien folgen unterschiedlichen Logiken und bedürfen deshalb unterschiedlicher Herangehensweisen. Beide benötigen ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Umgang mit Komplexität. Um Veränderungen zweiter Ordnung bewirken zu können, bedarf es einer Kompetenz, die Sie vermutlich heute erstmalig vorgestellt bekommen. Aber mit einer Transformation – einem Paradigmenwechsel – wird der Umgang mit Komplexität wesentlich leichter, so dass es ein ausgesprochen lohnenswertes Ziel ist.

Voraussetzungen für Wandel

Viele Veränderungsprozesse werden angestrengt, ohne vorherige Untersuchung, ob die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind. Menschen unterscheiden sich stark in ihrer Offenheit, Veränderungen anzugehen. Gleichwohl jeder in einer potenziell offenen Konstellation von Bedürfnissen, Werten und Hoffnungen lebt, neigen Menschen dazu, sich in einem scheinbar geschlossenen Zustand einzurichten, ihrer Komfortzone. Sie bevorzugen es, mit bekannten Übeln zu leben, als sich auf Unbekanntes einzulassen. Kollektive Offenheit – frei von Hindernissen – ist eine Illusion. Eine erfolgreiche Transformation von geschlossenen Denksystemen ist es allerdings auch.

     

    Unterschiedliche Perspektiven erzeugen unterschiedliche Wahrheiten.

    Kennzeichnend für ein geschlossenes Denksystem ist z.B. die Aussage: "Jeder vernünftige Mensch muss anerkennen, dass dieser Weg, der einzig richtige ist." Oder: "Ich bin grundsätzlich offen und flexibel, aber in dem Punkt ändere ich meine Meinung niemals." An dem Punkt der maximalen Verweigerung liegt allerdings immer die Lösung.

    Erst wenn Menschen bereit sind, grundsätzlich zu akzeptieren, dass unterschiedliche Perspektiven unterschiedliche Wahrheiten hervorbringen, kann man über Veränderung diskutieren.

    Allen Fortschritt verdanken wir den Unzufriedenen. Zufriedene lieben keine Veränderung."
    Salvatore Quasimodo

    Wandel bedarf der Unzufriedenheit, der Dissonanz, denn das aktiviert die Bereitschaft, sich zusätzlichen Anstrengungen auszusetzen. Wenn also Dissonanz, Ressourcen und Offenheit gegeben sind, kann ein Change Prozess konzipiert werden.

    Die standardisierten Methoden des Change Management

    Ob Lewin, Kotter oder Krüger: Die Standardmodelle des Change Managements beschreiben einen linearen Prozess, der Dynamik, Emergenz und die Lebendigkeit von komplexen Systemen schlicht ignoriert.

    Agiles Change Management

    Agilität hat das Image, Heilsbringer für das Zeitalter der Digitalisierung zu sein. In der Euphorie wird völlig übersehen, dass Agilität keine Lösungen für die fundamentalen Probleme unserer Zeit bietet. Als Stichworte seien hier die subjektiven Weltsichten genannt, die Zeugnis unterschiedlicher Entwicklungsstufen sind sowie die Unfähigkeit, die widersprüchlichen Ziele zu erreichen, beispielsweise Ökonomie und Ökologie zu verbinden.

    Agilität basiert wie auch die Standardmodelle des Change Managements auf einem mechanistischen, rationalen Weltbild und bietet Lösungen an, sich schneller neu auszurichten, wenn die Lebendigkeit der Komplexität die Planung überholt hat. In der Medizin würde man das Symptombehandlung nennen. Heilung ist etwas anderes.

    Systemische Denkfehler

    Change im 21. Jahrhundert bedeutet nicht, ein Unternehmen von einem Zustand A zu einem Zustand B zu führen. Change bedeutet Wandlungsfähigkeit zu entwickeln, die wichtigste Kompetenz für Zukunftsfähigkeit. Wandlungsfähigkeit erfordert neues Denken und ein Weltbild, welches der Lebendigkeit, Diversität und Veränderlichkeit der digitalisierten, globalisierten Welt angemessen ist. Dieses Weltbild muss also die Rationalität übersteigen, es muss trans-rational sein.

    Folgende Denkmuster sind Bestandteil des rationalen Weltbilds und finden sich folglich auch in den Change Prozessen:

    Eingeschränkte Rationalität und Autopilot

    Das Cartesianisch-mechanistische Weltbild, welches den Geist von der Materie trennt, hat das Narrativ des vernunftgesteuerten Menschen hervorgebracht. Dieser trifft Entscheidungen nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile. Tatsächlich aber treffen wir die meisten Entscheidungen ohne großes Nachdenken und ohne bewusste Gefühlsregungen. Grund dafür ist die Automatisierungsfunktion des Gehirns, welches ein Handlungsgedächtnis anlegt, das 90% aller täglichen Entscheidungen trifft.

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    Alle Kommentare (5)

    Volker
    Schiffermüller

    Sehr spannender Artikel der weit über viele Artikel hinausgeht

    Guest

    ich teile die meinung meiner vorredner zu 100%. meine hochachtung für diesen artikel!

    Magdalena
    Riesch

    Liebe Leserinnen und Leser,
    Ihre positiven Kommentare freuen uns sehr. Frau Nierfeld hat einen weiteren Artikel zum Thema "Neues Bewusstsein erlangen - Umgang mit Komplexität - agile Methoden allein sind nicht die Lösung" im projektmagazin veröffentlicht. Sie finden den Beitrag unter: https://www.projektmagazin.de/artikel/umgang_komplexit%C3%A4t_vuca

    Schauen Sie doch mal rein. Vielleicht finden Sie hier weitere gute Ansätze zum Weiterdenken. Für Fragen und Anregungen stehen die Autorin und die Redaktion gerne zur Verfügung.

    Herzliche Grüße aus der
    Redaktion des projektmagazins