Der Projektleiter – "Versager" oder "Held"?

Projektleiter haben ein ambivalentes Image: Sie stehen entweder als Versager da, die gnadenlos Zeit und Budget überziehen, oder als Helden, die widrigen Umständen zum Trotz das Unmögliche möglich machen. Tomas N. Gablinski analysiert die Gründe für diese Außenwahrnehmung von Projektleitern und kommt zum Ergebnis, dass die meisten durch das Projektumfeld bedingt sind, das professionelles Projektmanagement behindert. Er gibt Empfehlungen für Projektleiter und Top-Manager, wie sie diesen Ursachen entgegentreten können. Vor allem aber plädiert er dafür, den Projektleiter-Job als Beruf wie jeden anderen anzusehen.

Der Projektleiter – "Versager" oder "Held"?

Projektleiter haben ein ambivalentes Image: Sie stehen entweder als Versager da, die gnadenlos Zeit und Budget überziehen, oder als Helden, die widrigen Umständen zum Trotz das Unmögliche möglich machen. Tomas N. Gablinski analysiert die Gründe für diese Außenwahrnehmung von Projektleitern und kommt zum Ergebnis, dass die meisten durch das Projektumfeld bedingt sind, das professionelles Projektmanagement behindert. Er gibt Empfehlungen für Projektleiter und Top-Manager, wie sie diesen Ursachen entgegentreten können. Vor allem aber plädiert er dafür, den Projektleiter-Job als Beruf wie jeden anderen anzusehen.

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Wir hatten 18 Monate hart für ein wichtiges Projekt eines Fortune-500-Unternehmens gearbeitet. Bis zu 40 Mitarbeiter waren in den acht Teilprojekten beschäftigt, das Projektbudget betrug mehrere Millionen Euro. Der CIO unterstützte das Projekt engagiert und motivierte mein Team und mich optimal. Wir hatten Spaß an der spannenden Herausforderung. Überstunden machten uns nichts aus – ich hatte nach den ersten sechs Monaten ca. 200 Überstunden. Wenn ich im Sommer freitags um 16 Uhr bei 30 °C zum CIO ging, um den Statusbericht abzuliefern, dachte ich: "Danach gehe ich nach Hause und an den See!" Wenn ich aus dem Meeting herauskam, dachte ich: "Jetzt gehe ich wieder ins Büro und arbeite noch ein bisschen." Ich war äußerst motiviert und das übertrug sich auch auf das Team.

Sieben der acht Teilprojekte schlossen wir termingerecht ab, das achte Teilprojekt nur zwei Wochen verspätet. Wir überzogen das Budget am Ende des Projekts um 3% – rund 150.000 Euro. Der CIO winkte ab, als ich dies bei der Projektabschlussbesprechung erwähnte. Im Unternehmen galt das finanzielle Projektziel grundsätzlich als "übererfüllt", wenn die Budgetabweichung unter 10% lag. Außerdem war es das erste Projekt, dem externe Prüfer bescheinigten, dass es den kurz zuvor eingeführten Qualitätsstandard für Projektmanagement (CMMI) einhielt. Und das, obwohl der CIO klar signalisiert hatte, dass ihm der Termin wichtiger war als die Einhaltung der Projekt-Governance. Er machte mir deutlich: "Herr Gablinski, wenn ich morgen in der Zeitung stehe, weil Ihr Projekt noch nicht fertig ist, dann waren Sie zu langsam!"

Am Ende des Projekts waren die Teammitglieder, die Teilprojektleiter und ich stolz auf das Geleistete. Der CIO war zufrieden, dass das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden konnte und nicht in der Zeitung stand. Das Projekt war offiziell beendet, der CIO hatte alle Teilprojektleiter eingeladen, um sich persönlich mit Handschlag und ein paar netten Worten bei ihnen für die gute Arbeit zu bedanken. Keiner der Kollegen würde wahrscheinlich nochmals die Gelegenheit bekommen, den CIO persönlich kennenzulernen. Wir alle hatten ein Hochgefühl.

Reaktionen auf ein erfolgreiches Projekt

Als sich andere Projektleiter und Kollegen bei mir nach dem Ausgang des Projekts erkundigten, erzählte ich stolz von diesem Erfolg und zählte die Fakten auf. Die Reaktionen der anderen Projektleiter und Arbeitskollegen, von denen die meisten wussten, dass es bei uns rund lief und wir nur selten "rot" gemeldet hatten, empfand ich als niederschmetternd:

  • "Ihr habt wohl ziemlich viel Puffer in die Zeitplanung eingebaut."
  • "Das Budget war sicher sehr großzügig geplant."
  • "Eure Aufwandschätzungen waren bestimmt doppelt so hoch wie eigentlich geplant."
  • "Dann muss es ein einfaches Projekt gewesen sein."
  • "In dieser Firma wird kein Projekt on time und in budget fertig, das ist unmöglich. Da hast du wohl getrickst."
  • "Ihr habt sicher den Umfang massiv reduziert."

Auch die externen Qualitätsprüfungen wurden nicht ausgespart:

  • "Die hast du, wie ich dich kenne, wohl so zugetextet, dass sie keine Lust mehr hatten, sich mit dir zu streiten."
  • "Bei einem Projekt des CIO sind sie wohl etwas weniger scharf."

Ich war sehr enttäuscht über die Reaktionen meiner Kollegen. Ich war so stolz, aber die Leistung des Teams inklusive die meiner Person wurde schlecht geredet. Wir hatten nicht getrickst. Wir hatten unseren Job gut gemacht. Nicht mehr und auch nicht weniger. Ich fragte mich: Woher kommt das?

Das ambivalente Image des Projektleiters

Wenn ich mich als Projektleiter vorstelle oder mit Bekannten über meine Arbeit rede, bekomme ich – überspitzt dargestellt – oft zu hören:

"Was, du bist Projektleiter? Ja, solche kenne ich: Elbphilharmonie, Flughafen Berlin ... Die verdienen viel und haben ihren Laden nicht im Griff. Wenn ein Projektleiter was macht, wird es doppelt so teuer und kommt zwei Jahre später. Und wenn er Glück hat, muss er das Projekt nicht zu Ende machen und bekommt eine Abfindung."

Auch wenn die Kommentare meist indirekter sind, scheint dies doch oftmals die Wahrnehmung Außenstehender von Projektleitern zu sein. Auf der anderen Seite werde ich als Projektleiter auch wahrgenommen als:

"Durchsetzungsstark. Stressresistent. 'Wadenbeißer'. Tough. Arbeitet viel."

Stellenbeschreibungen für Projektleiter

Alle Kommentare (2)

Volker
Gottwald

Das ist richtig gut beschrieben und sollte sich jeder Sponsor und Projektleiter zu Herzen nehmen und draus lernen!

 

Thorsten
Wilkens

Sehr gelungene Darstellung der Position Projektmanager!