Sünden im Projekt Die Affekt-Falle – Wenn Euphorie das Projekt gefährdet

Ihr Auftraggeber ist von einer Projektidee hellauf begeistert? Das kann gefährlich werden! Denn in der Euphorie geschieht es leicht, dass er unerreichbare Projektziele festlegt: Die "Affekt-Falle" ist aufgestellt. Um zu verhindern, dass die Falle zuschnappt und das Projekt in einem Desaster endet, müssen Projektleiter umsichtig mit den Emotionen ihrer Auftraggeber umgehen. Klaus Schuster beschreibt, wie Projektleiter die Affekt-Falle erkennen, unrealistische Projektziele diskret korrigieren und den Auftraggeber dennoch zufrieden stellen.

 

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Sünden im Projekt Die Affekt-Falle – Wenn Euphorie das Projekt gefährdet

Ihr Auftraggeber ist von einer Projektidee hellauf begeistert? Das kann gefährlich werden! Denn in der Euphorie geschieht es leicht, dass er unerreichbare Projektziele festlegt: Die "Affekt-Falle" ist aufgestellt. Um zu verhindern, dass die Falle zuschnappt und das Projekt in einem Desaster endet, müssen Projektleiter umsichtig mit den Emotionen ihrer Auftraggeber umgehen. Klaus Schuster beschreibt, wie Projektleiter die Affekt-Falle erkennen, unrealistische Projektziele diskret korrigieren und den Auftraggeber dennoch zufrieden stellen.

 

Wer es nicht selbst erlebt hat, glaubt es kaum: Nur wenige Menschen sind wankelmütiger, divenhafter und anfälliger für Stimmungsschwankungen als Manager. Oft entscheiden sie im Affekt und lassen sich von ihren Emotionen leiten. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, denn Gefühle können eine positive Wirkung haben und zum Beispiel die Mitarbeiter motivieren. Doch wenn es darum geht, ein Projektziel zu definieren, können Entscheidungen, die unreflektiert auf Basis von Emotionen getroffen werden, dem Projekt vorzeitig das Genick brechen oder zumindest seine Umsetzung stark erschweren. Ich nenne das die "Affekt-Falle". Um zu verhindern, dass diese Falle zuschnappt, muss der Projektleiter bewusst und umsichtig mit den Emotionen seiner Auftraggeber und Vorgesetzten umgehen.

Liebling des Vorstands: Das Radio-Projekt

Im Jahr 1998 war ich für den Gesamtkreditbereich eines österreichischen Finanzinstituts verantwortlich. Einer unserer Kreditkunden war ein beliebtes Lokalradio. Irgendwann übernahm sich der Sender bei der Expansion und konnte seine Kredite nicht mehr bedienen. Meine Bank machte einen Debt-Equity-Swap, tauschte also Verbindlichkeiten gegen Eigentum und wurde damit Haupteigentümer des Senders. Der zuständige Vorstand hätte das Radio weiterveräußern können, denn ein Sendebetrieb gehört nicht unbedingt zum Kerngeschäft eines Finanzinstituts. Doch verkaufen wollte er partout nicht. Er war nämlich extrem begeistert von der Idee, das eher trockene Image seiner Bank mit einem hippen, jungen Radio aufzufrischen: "Das ist unsere Chance zur Profilierung! Um sie voll auszuschöpfen, zieht das Sendestudio in unsere Bank hinein - und zwar hinter eine Glaswand, damit alle unsere Kunden es sehen können!"

Wenn ein Vorstand oder eine andere hohe Führungskraft von einer Idee über alle Maßen begeistert ist - sei es aus Enthusiasmus, Renommierstreben oder Zweckoptimismus -, dann dauert es in der Regel nicht lange, bis die Affekt-Falle aufgestellt wird. So war es auch hier. Unser Vorstand ernannte mich zum Projektleiter und sagte: "Schuster, kündigen Sie sofort den Mietvertrag im alten Gebäude und organisieren Sie den Umzug!"

Die Falle schnappt zu

Seine Begeisterung machte den Vorstand ungeduldig. Er wollte "sein" Radio so schnell wie möglich im Bankgebäude haben. Durch die Anweisung, den alten Mietvertrag sofort zu kündigen, fixierte er einen Umzugstermin, der nicht zu halten war. Für den Projektleiter geht es in einer solchen Situation darum, die Affekt-Falle zu erkennen und sie zu umgehen. Dabei versagte ich damals komplett. Ich bemerkte zwar, dass der Vorstand euphorisch war, übersah aber die Gefahr, die sich daraus für das Projekt ergab. Es wäre mir nicht eingefallen, die Vorstandsanweisung zu hinterfragen. Der Vorstand ließ mir auch gar keine Zeit dazu. Täglich fragte er mich: "Na, wie läuft der Umzug? Mietvertrag schon gekündigt?" Also beugte ich mich seinem Erwartungsdruck und kündigte. Dann begann ich damit, den Umzug zu organisieren.

Von den insgesamt 40 Mitarbeitern des Radiosenders, nahm ich zehn in mein Projektteam auf, dazu kamen noch drei Externe. Einige Teammitglieder bereiteten die Sendungen vor, die in den drei Stunden abgespielt werden sollten, in denen wegen des Umzugs kein Live-Betrieb möglich sein würde. Andere organisierten die große Eröffnungs-Show im Bankgebäude. Wieder andere planten und organisierten die technische und bauliche Einrichtung des neuen Studios. Eine vierte Gruppe kümmerte sich um die Grobplanung des Umzugs - und hierbei wurde die Affekt-Falle entdeckt. Der Mitarbeiter, der für die Planung verantwortlich war, eröffnete mir nach wenigen Tagen der Grobplanung lakonisch: "Der Umzug ist in der Zeit bis zum Ende des Mietvertrages nicht zu schaffen. Das sind nämlich noch viereinhalb Monate. Wir benötigen aber eher neun."

Lehrbuch und Realität

An dieser Stelle der Geschichte nicken erfahrene Projektleiter wissend mit dem Kopf und sagen: "Ja, so geht es mir auch ständig. Der Vorstand ist so begeistert von einer Idee, dass er alles am liebsten gestern erledigt sehen möchte und völlig unrealistische Termine setzt." Laien dagegen fragen: "Macht ihr denn keine Projektplanung vor einem Projekt?" Die Wahrheit lautet: Vorstände planen nicht. Vorstände entscheiden. Vorstände warten auch nicht, bis ein Projektleiter eine Projektplanung vorlegt. Sie erwarten vielmehr, dass er die Planung an ihre affektiv verzerrten Zielvorstellungen anpasst. Dass die Projektplanung der Zielvereinbarung vorangeht, steht im Lehrbuch. Aber seit wann folgt die Praxis dem Lehrbuch?

Um erfolgreich zu sein, muss ein Projektleiter affektgesteuerte Auftraggeber managen können. Aber wie geht das?

Führungskräfte führen

Mein Fehler beim Radio-Projekt war, dass ich mich auf meine Rolle als Projektleiter zurückzog. Stattdessen hätte ich meine Führungskraft führen sollen. Heute gehe ich wie folgt vor: Ich mache beim Enthusiasmus des Auftraggebers mit (Pacing) und übernehme dann die Führung (Leading). Beim Radio-Projekt hätte ich dem Vorstand sagen müssen: "Absolut phantastische Idee! Ich leite sofort die Kündigung in die Wege. Lassen Sie mich zuvor noch rasch eine Grobplanung anstellen, damit wir auch sicher und schnell im neuen Gebäude auf Sendung gehen können."

Wenn ein affektgesteuerter Auftraggeber Ihnen ein Ziel aufdrängen will, akzeptieren Sie es vorbehaltlos und bedingen Sie sich gleichzeitig drei, vier Tage Grobplanung aus. Versuchen Sie bloß nie, einem enthusiastischen Auftraggeber seine Projektidee auszureden. Auftraggeber hassen nichts mehr als die Antwort: "Das geht nicht." Ihre Retoure darauf lautet: "Sagen Sie mir nicht, dass es nicht geht! Sagen Sie mir, wie es geht! Dafür bezahle ich Sie."

Bei der Grobplanung wird immer herauskommen, dass es nicht so geht, wie der Auftraggeber es sich wünscht. Deshalb empfiehlt sich eine Alternativplanung:

Die Affekt-Falle – Wenn Euphorie das Projekt gefährdet


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