Wie sage ich es dem Lenkungsausschuss? So präsentieren Sie einen Totalschaden

Krisensitzung: Das Projekt ist kaum noch zu retten – doch der Lenkungsausschuss will das nicht hören. Klaus D. Tumuscheit berichtet, wie ein Projektleiter und sein Team die Krisensitzung vorbereiteten, damit ihre Botschaft ankam und sie dennoch nicht zum Sündenbock gestempelt wurden.

Wie sage ich es dem Lenkungsausschuss? So präsentieren Sie einen Totalschaden

Krisensitzung: Das Projekt ist kaum noch zu retten – doch der Lenkungsausschuss will das nicht hören. Klaus D. Tumuscheit berichtet, wie ein Projektleiter und sein Team die Krisensitzung vorbereiteten, damit ihre Botschaft ankam und sie dennoch nicht zum Sündenbock gestempelt wurden.

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Die Scheune brennt! In zwei Wochen muss der Projektleiter vor dem außerordentlich einberufenen Lenkungsausschuss antreten: Krisensitzung! Weil es zur Gewissheit geworden ist: Das Projekt wird scheitern. 17 Millionen Euro und vier Jahre Entwicklungszeit scheinen verloren. Im Projektteam reicht das Spektrum der Emotionen von Frustration bis Panik: Wie bereitet man die Präsentation eines Totalausfalls vor?

Deshalb ruft mich der Projektleiter zu Hilfe. Ich soll ihm und dem Team helfen, dem Lenkungsausschuss die Situation verständlich zu machen. Als erstes versuche ich, die Vorgeschichte des Projekts zu rekonstruieren. Vier Jahre Entwicklung in einem High-Tech-Unternehmen, ohne dass die patentrechtliche Situation geklärt wurde, erscheinen mir seltsam. Hat denn der Projektleiter die Problematik nicht schon erkannt und eskaliert?

Der Lenkungsausschuss schaltet auf taub

Natürlich hat er das. Erst vor sechs Monaten hat der Projektleiter schon einmal vor dem Lenkungsausschuss die aussichtslose Situation präsentiert. Er wollte ihm detailliert darlegen, dass das neue Produkt die technischen Anforderungen nicht erfüllen wird. Aber der Lenkungsausschuss hörte diese Botschaft nicht. Denn die Produktidee ist einfach zu brillant, die Marktnische zu attraktiv, der Enthusiasmus im Management zu hoch. Deshalb wurden vor vier Jahren ja auch die besten Ingenieure, Techniker und Designer für das Projekt abgestellt.

Schon kurz nach Projektstart hatten diese jedoch festgestellt: Das Feld ist von Patentrechten vermint. Und jede Mine mit einer selbst entwickelten Alternative zu umgehen, war technisch nicht machbar. Schon damals wollte der Lenkungsausschuss nicht hören. Und er ignorierte auch völlig die in jedem Projektstatusbericht aufgeführten Risiken und Empfehlungen.

Die Dramatik der Lage kam nicht rüber

Der Projektleiter war konsterniert: "Irgendwie kam bei der Präsentation vor einem halben Jahr die Dramatik der Lage nicht rüber. Dabei habe ich eine halbe Woche an den Folien gearbeitet!" Damals lautete die Botschaft des Gremiums sinngemäß: "Von den Vorgaben wird keinen Millimeter abgewichen! Hängen Sie sich rein!" Natürlich fürchtet er nun, dass bei der Krisensitzung in zwei Wochen exakt dasselbe passiert. Wieder wird er sagen "Ende Gelände!" und wieder wird man ihm sagen: "Egal! Weitermachen!"

Das ist jedoch inzwischen technisch völlig unmöglich. Aber niemand im Management will das hören oder verstehen. Von mir will das Team nun wissen: "Wie bringen wir dem Lenkungsausschuss bei, dass Ende ist, wenn der das nicht hören will?" Gute Frage.

Ich schaue mir die vier Folien der sechs Monate alten Präsentation an. Es sind nur so wenige, weil der Lenkungsausschuss nur vier haben wollte. Deshalb wurde jeweils auf ein und derselben Folie zusammengedrängt, was nicht unbedingt zusammen gehört: technische und Projektsteuerungsdaten. Die Folien zeigen daher viel eng geschriebenen Text mit winzigen Grafiken, alles nur mühsam zu erkennen.

Ich finde die Folien zwar bewundernswert elaboriert konstruiert – aber der Ernst der Lage erschließt sich auch mir nicht. Das sage ich dem Team. Wir gehen die Folien durch. Mit jeder Folie wird einem weiteren Teammitglied klar: Die Folien sind völlig untauglich – sie sagen nicht, was sie sagen sollten.

Wer kann Präsentation?

Im Team sitzen Supertechniker, geniale Ingenieure und preisverdächtige Designer. Aber: Wie man mit Visualisierungen auf den Punkt argumentiert, sozusagen Präsentationspräzision abliefert – dafür wurde keiner ausgebildet oder trainiert.

Schlimmer noch: Die erste Präsentation zwang den Lenkungsausschuss quasi in eine Patt-Situation. Auf allen vier Folien waren viele technische und Steuerungsdaten zu sehen. Aber nur wenige schlüssige Hinweise auf die daraus resultierende Schlussfolgerung: "Totalausfall droht!" oder auf eine sachgerechte Entscheidung im Hinblick auf Weiterführung oder Einstellung des Projektes.

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Alle Kommentare (1)

Joachim
Schaible

Hallo, ich kann das Ganze sehr gut nachvollziehen. Interessant wäre die Präsentation geworden, wenn es keine vernünftige Lösung/ Szenario gegeben hätte und die 17 Millionen verloren gewesen wären. Mit einem Jahr Verzögerung und einem immer noch tollen Produkt ist es noch eher glimpflich. Joachim Schaible