Claimsmanagement – ungeliebtes, aber unverzichtbares Element im Projektmanagement

Während Claimsmanagement im angelsächsischen Sprachraum fester Bestandteil des Projektmanagements ist, sucht man es hierzulande oft vergeblich. Außer bei komplexen Großprojekten sehen es deutsche Projektmanager häufig als schlechten Stil an, Claims gegenüber einem Geschäftspartner geltend zu machen. Dennoch ist dies nicht nur für die Absicherung des wirtschaftlichen Projekterfolgs wesentlich, sondern auch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen selbst. Gerade deshalb sollten Projektleiter ein besonderes Eigeninteresse daran haben, dass ihr Unternehmen Claimsmanagement einführt und konsequent umsetzt. Dr. Wolfgang Kühnel erklärt die Grundlagen des Claimsmanagements und zeigt, worauf bei der Vertragsgestaltung und Projektdurchführung zu achten ist.

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Claimsmanagement – ungeliebtes, aber unverzichtbares Element im Projektmanagement

Während Claimsmanagement im angelsächsischen Sprachraum fester Bestandteil des Projektmanagements ist, sucht man es hierzulande oft vergeblich. Außer bei komplexen Großprojekten sehen es deutsche Projektmanager häufig als schlechten Stil an, Claims gegenüber einem Geschäftspartner geltend zu machen. Dennoch ist dies nicht nur für die Absicherung des wirtschaftlichen Projekterfolgs wesentlich, sondern auch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen selbst. Gerade deshalb sollten Projektleiter ein besonderes Eigeninteresse daran haben, dass ihr Unternehmen Claimsmanagement einführt und konsequent umsetzt. Dr. Wolfgang Kühnel erklärt die Grundlagen des Claimsmanagements und zeigt, worauf bei der Vertragsgestaltung und Projektdurchführung zu achten ist.

Jeder Projektmanager kennt den zeitlichen Druck, unter dem die Abwicklung eines Projekts steht. Und jeder Projektmanager weiß, dass sich kaum ein Projekt so reibungslos abwickeln lässt, wie es einmal geplant war. Die daraus erwachsenden Zwänge verführen den Projektleiter häufig zu Maßnahmen, die zwar scheinbar den aktuellen operativen Bedürfnissen entsprechen, dabei aber vertragliche Verpflichtungen und Projektergebnis unberücksichtigt lassen.

Mit den folgenden Überlegungen will ich dem Projektleiter ins Bewusstsein bringen, dass Claimsmanagement und Vertragsgestaltung Instrumente sind, deren geschickte und bewusste Handhabung das Tagesgeschäft im Sinne des Unternehmens erheblich effizienter machen kann, als es aller Erfahrung nach der Fall ist.

So etwa kann eine rechtzeitige und korrekte Mitteilung des Projektleiters über vertraglich vereinbarte aber nicht termingerecht erfolgte Beistellungen (z.B. Bereitstellung notwendiger Materialien) durch den Auftraggeber von vornherein dessen Anspruch auf Konventionalstrafe wegen Terminverzugs den Boden entziehen.

Fremdwort Claimsmanagement?

Der Projektleiter, der im Interesse seines Unternehmens das Claimsmanagement stärker in seine Maßnahmen einbeziehen will, wird schnell eine verblüffende Feststellung machen. Sehr häufig lässt sich nämlich keine bestimmte Position seines Hauses zum Claimsmanagement feststellen. Das hängt damit zusammen, dass der Begriff über lange Jahre mit dem unternehmenskulturellen Verständnis deutscher Anbieter von Investitionsgütern nicht vereinbar zu sein schien. Claimsmanagement "gehörte sich einfach nicht".

Ganz anders dagegen im angelsächsischen Wirtschaftsverständnis: Jede Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Projektverlauf veranlasst die vermeintlich berechtigte Partei, Forderungen gegenüber der anderen Seite geltend zu machen, ohne dabei auch nur die geringsten Skrupel zu empfinden. Aus den vorwiegend im Baubereich tätigen Chartered Surveyors, die Aushub, vergossenen Beton, verlegte Kabel und Rohrleitung oder erstellte Gerüste quantifizierten, qualifizierten und dokumentierten, hat sich der angesehene und weltweit immer häufiger in Anspruch genommene Berufsstand eines Claimsmanagers entwickelt, wie es ihn in Deutschland bis heute noch nicht gibt.

Die deutsche Industrie dagegen hat sich - vor allem im Investitionsgüterbereich - im Inlands- wie im Auslandsgeschäft immer auf ihre technische Kompetenz berufen und die absolute Zufriedenheit des Kunden in den Vordergrund gestellt. Der für ihn gefertigte "Maßanzug" sollte dem liefernden Unternehmen eine Alleinstellung gegenüber dem Wettbewerb geben, die es ermöglichte, aus Abweichungen entstandene zusätzliche Abwicklungskosten im Laufe weiterer Geschäftsbeziehungen wieder hereinzuholen. Aus dieser Denkweise war ein tiefes Misstrauen gegenüber dem anglo-amerikanisch geprägten Claimsmanagement erwachsen. Erst in jüngerer Zeit beginnt dieses Misstrauen unter dem Druck knapper gewordener Margen, erhöhter Risiken und flüchtigerer Geschäftsverbindungen als in früheren Jahren zu verschwinden. Das zeigt sich am wachsenden Interesse an Schulungsmaßnahmen und der höheren Bereitschaft, Claims geltend zu machen.

Daraus wird verständlich, dass es bisher in Deutschland keine einheitliche Terminologie gibt auf die sich diese Darstellung stützen könnte. Für die praktischen Bedürfnisse definiere ich deshalb Claimsmanagement als:

  • Das geplante und kontrollierte Voraussehen, Beobachten, Feststellen, Dokumentieren und
  • Geltendmachen oder Abwehren
  • von nicht ursprünglich zwischen den Parteien geregelten Forderungen,
  • die sich erst aus Abweichungen des tatsächlichen vom vereinbarten Vertragsverlauf ergeben.
  • Change oder variation orders (Änderungsaufträge) sind einvernehmliche Vertragsänderungen als ein angestrebtes Ergebnis dieser Aktivitäten.

Was aber ist überhaupt ein Claim? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Nach angelsächsischem Rechtsverständnis ist ein Claim "an assertion of right", die Geltendmachung eines Rechts. Die gesetzliche Definition in § 194 BGB nennt das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen, einen Anspruch. Schuldrechtliche Leistungsrechte bezeichnet das Gesetz als Forderungen. Für den Praktiker ist es durchaus gerechtfertigt, Claim, Anspruch und (Nach-)Forderung synonym zu verwenden.

Inhaltlich richtet sich dieses Recht entweder auf die Verlängerung einer Leistungszeit oder auf Kostenersatz für nicht ursprünglich geplante Maßnahmen. Die Gegenseite wiederum verlangt entweder Vertragsstrafen wegen Terminüberschreitung oder verweigert die Kostenerstattung, weil der Vertragspartner nicht mehr als das ohnehin zu Leistende erbracht habe.

Formell kann ein Claim auf jede erdenkliche Weise vorgebracht werden, wenn der Vertrag keine bestimmt Form vorsieht: durch einen Brief, eine E-Mail oder einen Anruf. Wer den Claim vorbringt, spielt dabei keine Rolle. Das Beschreiten des (Schieds-)Gerichtswegs lässt sich dem Claimsmanagement noch zurechnen, auch wenn dessen oberstes Ziel eigentlich ist, diesen Weg zu vermeiden und rechtzeitig vorher einen Änderungsauftrag hereinzuholen.

Claimsmanagement - für wen und wozu?

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Alle Kommentare (1)

Haik
Helbig

Die Inhalte des Artikels sind korrekt und sehr deutlich erläutert. Sie sind nicht neu. Im Anlagenbau sind Claims und damit das nötige Claimsmanagement seit 10 Jahren (oder noch länger?) Usus.