Führen heißt Menschen manipulieren!

"Was ist denn das für ein Satz?", werden Sie denken. Und der will Führungskräftetrainer sein? Und noch schlimmer: Psychologe?! Die Wahrheit ist nur: Ja, sagt der Psychologe, genau das bedeutet der Satz. Nur gibt es mit der Definition von "manipulieren" zwei grundsätzliche Probleme.

Führen heißt Menschen manipulieren!

"Was ist denn das für ein Satz?", werden Sie denken. Und der will Führungskräftetrainer sein? Und noch schlimmer: Psychologe?! Die Wahrheit ist nur: Ja, sagt der Psychologe, genau das bedeutet der Satz. Nur gibt es mit der Definition von "manipulieren" zwei grundsätzliche Probleme.

"Was ist denn das für ein Satz?", werden Sie denken. Und der will Führungskräftetrainer sein? Und noch schlimmer: Psychologe?! Die Wahrheit ist nur: Ja, sagt der Psychologe, genau das bedeutet der Satz. Nur gibt es mit der Definition von "manipulieren" zwei grundsätzliche Probleme.

Erstens: Das Wort "manipulieren" heißt auf Deutsch eigentlich nur "behandeln", im Sinne von beeinflussen. Und genau das ist Führungsarbeit! Ich muss etwas tun, damit meine Mitarbeiter das tun (und möglichst genau das!), von dem ich erwarte, dass sie es auch tun werden! Es geht also um eine Form der zielsicheren und verlässlichen Beeinflussung.

Nebenbei ist Führung natürlich auch noch Coaching, Förderung, Training, Betreuung, Kummerkasten sein, Vorbild sein, Koordination, Beurteilung, die Zukunft vorhersagen, die verschiedensten Zeichen deuten, Unglück abwehren, Seelen trösten, Kritisieren, Aufbauen, Prozessoptimierung u.v.m.

Zweitens: Das Wort hat fragwürdige Konnotationen bekommen mit der Zeit! Manipulieren bedeutet dann so viel, wie Leute zu etwas zu bringen, was sie gar nicht wollen – aber sie glauben, es zu wollen, weil ich so tolle Psychotricks drauf habe! Und das Schlimme ist: Manche Führungskräfte glauben, das ist das eigentliche Kunststück beim Führen. Und sie fragen mich tatsächlich auch heute noch, ob ich denn nicht doch ein paar Tricks draufhabe und ihnen verraten würde.

Was funktioniert, ist auch rechtens

Manchmal komme ich mir vor wie einst Niccoló Machiavelli, der trocken und wertfrei das Machtgeklüngel seiner Zeit analysierte – und diesbezüglich auch satirisch bissig wurde. Heute denken die Leute, es sei eine ganz normale moralisch vertretbare Anleitung für angehende Führungskräfte gewesen. Frei nach dem Motto "Was funktioniert ist auch rechtens" würden sie zum großen Teil auch Psychotricks einsetzen – wenn es denn welche gäbe.

Und dann fallen die Führungskräfte mit ihren Versuchen doch auf die Nase, weil ihnen die Mitarbeiter sofort drauf kommen, dass da irgendetwas nicht stimmt: die Körpersprache, die ganze Erscheinung verrät den Trickser. Psychotricks funktionieren nicht, weil sie als "hidden agenda" erkannt werden. Und das mögen wir Menschen gar nicht, weil wir damit "für dumm" verkauft werden – so blöde sind wir dann eben doch nicht.

Selbstverständlich können wir so als Projektleiter nicht arbeiten. Und die immer wieder bemühte "Amtsmacht", die ein Linienvorgesetzter wohl haben mag, fehlt uns als Projektleiter auch noch! Wir können kaum "Druck" machen. Wenn wir Anweisungen geben, die nicht befolgt werden, hat dies für den Projektmitarbeiter in der Regel keine Folgen. Vielleicht geraten wir sogar in einen völlig unnötigen Streit mit seinem direkten Linien-Vorgesetzten, wenn der Mitarbeiter sich dort "Unterstützung" holt. Ein weites Feld von häufig den Beteiligten kaum bewussten Prozessbremsen tut sich hier auf.

Der Projektleiter als Vorbild

Wie führt ein Projektleiter also? Vor allem durch den Einfluss seiner Person als "Gesamtkunstwerk". Als Vorbild, glaubwürdig und authentisch! Dann manipulieren wir unsere Mitarbeiter – und zwar im positiven Sinne.

Um ein Vorbild zu sein, müssen wir uns einige zentrale Fragen stellen: Treten wir glaubwürdig auf? Sind wir in der Lage, Konflikte zu managen? Sind wir in der Lage, Mediator zu sein anstatt nur auf einer Seite einen Konflikt zu eskalieren? Halten wir Wort? Sind wir für unsere Mitarbeiter/Projektmitglieder berechenbar bzw. nachvollziehbar, haben wir also eine Basis für Vertrauen anzubieten? Sind wir als Mensch erkennbar? Geben wir Fehler zu, wenn wir welche machen? Haben wir Emotionen? Zeigen wir sie? Oder ist uns das peinlich?

Dann können wir die schwierige Aufgabe der Projektleitung, die von ihrer Anlage her komplexer ist als eine Linien-Führungsaufgabe, mitten zwischen Stakeholderinteressen, firmeninternen Subkulturen und Interessenkonflikten anpacken. Mit voller Verantwortung, ohne disziplinarische Macht, ohne Tricks, aber mit der Überzeugung, die durch unsere Person als Ganzes, unser Verhalten gespeist wird, kann es gehen. Und vor allem: mithilfe exzellenter Kommunikation.

Würden wir uns selbst folgen?

Eine Führungskraft muss Menschen mögen, sie ernstnehmen können, zuhören können und wollen. Und trotzdem in kritischen Situationen Distanz behalten und auch unangenehme Entscheidungen nicht nur bekanntgeben, sondern auch konsequent umsetzen.

Das geht alles, wenn vorher die Basis der Beziehungen klar ist, wenn jeder zu jeder Zeit eindeutig weiß, worum es geht. Und wenn jeder zu jeder Zeit die Leitungsfunktion des Projektleiters anerkennt. Und nicht z.B. Funktion und Person verwechselt – einer der vielen sicheren Wege in die sinnlose Eskalation feindlicher Handlungen zwischen Menschen.

Eigentlich müssten wir uns nur eine einzige Frage ehrlich stellen, und das laufend: Würden wir uns selbst folgen? Führen hat etwas mit Folgen zu tun. Also würden wir uns selber als Führungskraft akzeptieren? Und: Wir könnten – und die ganz Mutigen unter uns tun das auch – unsere Mitarbeiter fragen, wie sie sich unter unserer Führung fühlen. Die meisten haben darauf klare Antworten, die wenige wirklich hören wollen. Aber wenn, dann sind wir einen ganz großen Schritt weiter bei der Frage: Tauge ich als Projektleiter?

Schaffen wir es also, als gute Vorbilder voranzugehen, offen zu sein und das in den Mittelpunkt zu stellen, um was es als Führungskraft wirklich geht, nämlich den Mitarbeiter und dessen möglichst zielführendes Verhalten im Sinne der übernommenen Aufgabe, dann können wir durch unser Verhalten antreiben, mitziehen und in diesem Sinne motivieren und begeistern – eben: manipulieren.

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Alle Kommentare (11)

Jürgen
Tiekötter

Hallo Herr Scheer, vielen Dank für den Beitrag. Ich kann Ihren Ausführungen voll und ganz beipflichten.

 

Guest

In meinen Augen ist es mit der Manipulation wie mit der Kommunikation: Man kann es im Wortsinn nicht nicht tun, d.h. auch nicht vermeiden. Vor einiger Zeit hatte ich mir in meinem Blog (damals noch NLP im Projektmanagement) in einem Artikel Gedanken dazu gemacht (http://www.geemco.de/artikel/manipulation/) Letztlich bin ich zur gleichen Schlussfolgerung wie Herr Scheer gekommen.

 

Lieber Herr Müller! Habe mir gerade Ihren Blog-Artikel von 2010 angeschaut. Es ist eben mit allen "Werkzeugen" so: Es kommt drauf an, ob man sie bewusst, ernsthaft, ehrlich, gezielt, betrügerisch, absichtlich manipulierend im negativen Wortsinn oder absichtlich manipulierend im Wortsinn anwendet. Oder ob man so tut, als würde man dies tun in der Hoffnung, der Kommunikationspartner würde denken, dass man es demonstrativ absichtlich tut, damit er denkt, man tue eigentlich gerade nicht, weil es ironisch gemeint sei, um zu zeigen, wie ernst es einem ist, was es aber gar nicht ist, so dass er unbemerkt negativ manipuliert wird, gerade weil er in der Lage ist Manipulationen dieser Art zu erkennen. Ich muss gerade Robert D. Laings "Knoten" denken: Ich denke, dass Du denkst, dass ich gerade denke, dass Du gedacht hast.... usw. !"Also der ganz normale Wahnsinn in Beziehungen. Die Welt wäre mit Sicherheit ein klein bisschen besser, wenn wir unsere Gesprächspartner nicht laufend für so dämlich hielten, dass sie solche Tricks nicht entlarven könnten. Und so mutig, dass wir in einen Streit eintreten, wenn wir das für nötig halten und nicht so tun, als würden wir ein Lob verteilen wollen, wenn wir Kritik üben müssten. Schöne Woche! Detlef Scheer

 

Peter
Corbat

Tja, so einfach wäre es ... und doch klappt es leider viel zu oft überhaupt nicht. Ihr Beitrag bringt es auf den Punkt: "Würde ich mir selbst folgen?" Den mit dem "Gesamtkunstwerk" merke ich mir! ;-) Besten Dank für Ihre klaren Aussagen.

 

Danke, Herr Corbat! Dieses "Gesamtkunstwerk" ist eine lebenslange Aufgabe. Und von ganz normalen Rückschlägen sollte man sich ermutigen lassen, weiterzumachen! Und wissen Sie, was das Schöne ist? Es bezieht sich letztlich auf alle Lebenslagen und -Bereiche. Einmal sagte ein Teilnehmer im Rahmen einer Weiterbildung zum Projektingenieur VDI zu mir: "Tja, eigentlich müsste man dafür Steuern zahlen, denn das ist ein echter geldwerter Vorteil bei diesem Seminar! Das probiere ich nämlich jetzt gleich im Verein aus!" Er hätte auch "Familie" oder "Partei" oder "Rock´n´Roll Band" sagen können. Schönes Wochenende! Detlef Scheer

 

Guest

Vielen Dank, Herr Scheer! Ein guter Artikel, der es auf den Punkt bringt. Jeder, der sich schon mal bei dem Gedanken erwischt hat: "Wie muss ich mich verhalten, um authentisch zu wirken?" darf ihn gerne auch zweimal lesen :-) Schönen Tag!

 

Bernd
Schulte Osthoff

Hallo Herr Scheer, das mit der Manipulation ist eine immer wieder gern genutzte Ausrede, Killerphrase, Nebelbombe. Ganz subjektiv: die, die "Manipulation!" rufen, sind Meister im Sich-selbst-manipulieren bzw. im Manipuliert-werden, ohne dass sie es merken. Jeder Mensch manipuliert sich zeitlebens selbst. Am Anfang nennen wir das vielleicht spielerisches Lernen, dann folgt Erziehung und Ausbildung, dann Beziehung, Beruf usw. Irgendwann kommt im Leben dann die Aufforderung, sich dieser Manipulationen bewusst zu werden, und Selbst-bewusst mit dem Manipulieren bei sich zu beginnen. Da beginnt es, ein wirkliches Vorbild zu sein. Denn sich aus den Strukturen des lebenslangen Manipuliertseins zu befreien, und endlich selbstbestimmt zu werden, ist gar nicht so leicht. Frohes Schaffen

 

Hallo Herr Osthoff! Wie Recht Sie haben! Eine meiner Kundinnen, die völlig gefangen war zwischen Kommentaren, Belehrungen und "Erziehungsbotschaften" (Sie war 42)ihrer Eltern, Lehrer, Verwandten, Professoren, Freunde usw. usw. bezeichnete das Ergebnis unseres Coaching als "meine zweite Geburt"! Es gehört irgendwie zum menschlichen Dasein dazu, dass eine echte Emanzipation wirklich schwierig und womöglich auch langwierig ist, weil wir, um zu überleben, schlicht eine lange Zeit auf die "Manipulation" durch andere angewiesen sind, so wie wir auf die Welt kommen... Aber es lohnt sich, das kann man gar nicht oft genug sagen, egal wir alt man ist damit anzufangen sich dieser ganzen Geschichten bewusst zu werden und sich auf den Weg zu sich selbst zu machen und immer mehr Souveränität zu entwickeln. Auch Ihnen Frohes Schaffen!

 

Guest

Lieber Herr Gassner! Ich glaube ich habe sie auf dem falschen Fuß erwischt. Sorry! Natürlich heißt Führen auch Zuhören. Aber der Titel war "Manipulieren", weil es mir in diesem Zusammenhang nicht um "Zuhören" ging, sondern um "Manipulieren", also Beeinflussung. Also um die Tatsache des Führens an sich. Und das ist den wenigsten bewusst, dass Führen genau das meint. Ich finde, es ist ein hoher Anspruch, dass jemand erwartet, dass andere einem folgen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Ich meine aber auch, dass es beim Führen nicht prinzipiell um ein harmonisches "Miteinander" geht, sondern darum, zielgerichtetes Verhalten von mehreren Beteiligten so effektiv zu gestalten, dass dadurch ein Erfolg im Sinne der Unternehmung generiert wird. Und zwar völlig unabhängig, ob es sich um Wirtschaftsunternehmen, um Hilfsorganisationen, Gewerkschaften oder Parteien, Vereine, Kirchen usw. geht, also um Organisationen, in denen Menschen zusammenarbeiten. Und ich finde, im Sinne einer Transparenz und des Zusammenarbeitens auf Augenhöhe wäre es besser, wenn sich dieser Tatsache alle Beteiligten bewusst sind. Natürlich würde ich einem Folgen, der sich der Tatsache, das Führen Beeinflussung ist, sehr bewusst ist. Lieber als jedem anderen, denn bei dem kann ich sicher sein, das er mich ernst nimmt. Als Mensch und nicht nur als zählbaren Mitarbeiter"kopf". Ganz herzliche Grüße, Detlef Scheer Ps. Im Übrigen halte ich es für selbstverständlich, dass die Führungskraft das Ziel vorgibt und die Wege in einem möglichst großen Rahmen dem Mitarbeiter überlässt. Aber der gesamte Akt der Führung würde sich selbst innerhalb einer Organisation mit einem Unternehmensziel ab Absurdum führen, wenn der Weg UND das Ziel völlig beliebig wären. Selbst wenn das Ziel mit den Mitarbeitern gemeinsam vereinbart wurde, was wo immer möglich, Sinn macht,ist es ja selbstverständlich nicht beliebig. Aber auch hier glaube ich, dass wir gar nicht weit auseinander sind!