Bedrohung oder Chance? Ein neuer Denkansatz im Umgang mit KI Künstliche Intelligenz, Science Fiction und Projektmanagement

KI, SciFi und Projektmanagement

Wir können von Science Fiction einiges für den Einsatz von KI im Projektmanagement lernen. Ein wichtiger Aspekt ist der Umgang mit Ungewissheit. Dabei wird eines deutlich: KI gehört in die Hände von Expert:innen. Und manchmal nicht einmal das.

Management Summary
  • Projektgeschehen weist stets ein gewisses Maß an Ungewissheit auf. Es braucht sowohl professionelle Kompetenzen als auch Erfahrungswissen, um in Ungewissheit angemessen handeln zu können.
  • Mit dem Einsatz von KI-Tools betreten Projektmanager:innen eine neue Dimension: KI ist lernfähig, kann mehr Informationen als der Mensch verarbeiten und eigene Lösungen jenseits des menschlichen Erfahrungsschatzes generieren. Auf den ersten Blick erscheint KI deshalb als geeignet, zum "Tool für Ungewissheit" zu werden.
  • Es gibt zwar viele Ideen, Prognosen und Hoffnungen für den Einsatz von KI im Projektmanagement, aber ebenfalls viele Befürchtungen. Darüber, welchen Nutzen und welche Bedrohungen KI das für Projektmanagement darstellt, besteht selbst große Ungewissheit.
  • Die Zusammenarbeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz ist ein zentrales Thema in der Science-Fiction-Literatur. Die dort entworfenen Szenarien, Charaktere und Visionen liefern uns vielfältige Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem richtigen Einsatz von KI in Projekten.
  • Während KI zweifelsohne im Bereich des Objektivierenden Denkens immense Leistungen zeigt, ist derzeit nicht erkennbar, dass sie im Bereich des Subjektivierenden Denkens, d.h. der Intuition, Emotion und Kreativität, die menschliche Intelligenz ersetzen kann.
  • Aus diesen Überlegungen folgen eine Reihe von Fragestellungen zur Reflexion und Anregungen zur eigenen Auseinandersetzung mit dem aktuellen und künftigen Einsatz von KI in Projekten.
  • Künstliche Intelligenz sollte nicht dazu missbraucht werden, mangelnde Kompetenz und Erfahrung von Projektteams zu ersetzen, da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Schaden als Nutzen bewirkt. Der nutzbringende Einsatz von KI in Projekten setzt bei den Anwender:innen selbst hohe Projektmanagement-Kompetenz und Erfahrungswissen voraus.
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Bedrohung oder Chance? Ein neuer Denkansatz im Umgang mit KI Künstliche Intelligenz, Science Fiction und Projektmanagement

KI, SciFi und Projektmanagement

Wir können von Science Fiction einiges für den Einsatz von KI im Projektmanagement lernen. Ein wichtiger Aspekt ist der Umgang mit Ungewissheit. Dabei wird eines deutlich: KI gehört in die Hände von Expert:innen. Und manchmal nicht einmal das.

Management Summary
  • Projektgeschehen weist stets ein gewisses Maß an Ungewissheit auf. Es braucht sowohl professionelle Kompetenzen als auch Erfahrungswissen, um in Ungewissheit angemessen handeln zu können.
  • Mit dem Einsatz von KI-Tools betreten Projektmanager:innen eine neue Dimension: KI ist lernfähig, kann mehr Informationen als der Mensch verarbeiten und eigene Lösungen jenseits des menschlichen Erfahrungsschatzes generieren. Auf den ersten Blick erscheint KI deshalb als geeignet, zum "Tool für Ungewissheit" zu werden.
  • Es gibt zwar viele Ideen, Prognosen und Hoffnungen für den Einsatz von KI im Projektmanagement, aber ebenfalls viele Befürchtungen. Darüber, welchen Nutzen und welche Bedrohungen KI das für Projektmanagement darstellt, besteht selbst große Ungewissheit.
  • Die Zusammenarbeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz ist ein zentrales Thema in der Science-Fiction-Literatur. Die dort entworfenen Szenarien, Charaktere und Visionen liefern uns vielfältige Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem richtigen Einsatz von KI in Projekten.
  • Während KI zweifelsohne im Bereich des Objektivierenden Denkens immense Leistungen zeigt, ist derzeit nicht erkennbar, dass sie im Bereich des Subjektivierenden Denkens, d.h. der Intuition, Emotion und Kreativität, die menschliche Intelligenz ersetzen kann.
  • Aus diesen Überlegungen folgen eine Reihe von Fragestellungen zur Reflexion und Anregungen zur eigenen Auseinandersetzung mit dem aktuellen und künftigen Einsatz von KI in Projekten.
  • Künstliche Intelligenz sollte nicht dazu missbraucht werden, mangelnde Kompetenz und Erfahrung von Projektteams zu ersetzen, da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Schaden als Nutzen bewirkt. Der nutzbringende Einsatz von KI in Projekten setzt bei den Anwender:innen selbst hohe Projektmanagement-Kompetenz und Erfahrungswissen voraus.

Die Diskussion um künstliche Intelligenz wird aktuell oft polarisiert geführt, entweder begegnet uns KI als Chance oder als Bedrohung. Für beides gibt es gute Gründe, wie z.B. auf der einen Seite die hilfreiche, diagnostische Unterstützung von Medizinern und auf der anderen die explosionsartige Steigerung von Fake-Telefonanrufen zeigen. Das macht unsicher. Wie also rüsten wir uns für die Veränderungen, deren Auswirkungen wir weder verlässlich vorhersagen noch steuern können?

Roboterherrschaft – wird Science Fiction Wirklichkeit?

Bereits in der heute etwas angestaubt wirkenden, noch in Schwarz-Weiß gedrehten, Science-Fiction-Serie "Raumpatrouille Orion" begegnet uns in der dritten Folge "Hüter des Gesetzes" (Erstausstrahlung 15.10.1966) die immer wiederkehrende Erzählung der Roboterherrschaft. Den Robotern in der Mine eines Planeten war als Grundlage ihres Handelns in Anlehnung an die Asimovschen Robotergesetze (Wikipedia-Autoren: Robotergesetze, 2023) der Schutz von Menschen vor Schaden mitgegeben worden. Nachdem sie eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen den Menschen beobachteten, handelten sie konsequent, übernahmen das Kommando über die Mine und zwangen deren Besatzung dazu, die Schürfarbeiten selbst durchzuführen, wobei Gewalt zwischen den Menschen natürlich verhindert wurde.

Etwas ausgeklügelter und moderner zeigt sich dieses Motiv in der Folge "Landru und die Ewigkeit" der ersten Staffel der Kultserie Star Trek (Folge 21, Erstausstrahlung 9. Feb. 1967). Auf einem Planeten werden Humanoide von einem versteckten Computer namens Landru beherrscht. Der Computer wurde nach katastrophalen Kriegen vor vielen 1000 Jahren programmiert, um Frieden und Ordnung aufrechtzuerhalten, den Menschen also Sicherheit zu geben. Landru bietet den Planetenbewohner:innen scheinbar all das, hält sie jedoch in vollständiger Abhängigkeit ohne freien Willen und Weiterentwicklung.

Bemerkenswert an diesen und vielen anderen ähnlichen Geschichten, bei denen eine Art von KI die Menschen beherrscht, sind drei Aspekte:

  • Die künstliche Intelligenz wurde ursprünglich entwickelt, um Menschen zu helfen oder sie zu schützen.
  • Diese Entwicklung führt an einem bestimmten, nicht vorhergesehenen Punkt zur Situation, dass die KI die Herrschaft über die Menschen übernimmt, weil diese aus Sicht der KI irrational und gegen die eigenen, auch der KI vermittelten Werte handeln.
  • Die KI schafft eine scheinbar sichere Umgebung, die den Menschen aber in seiner freien Entwicklung einschränkt.

Wenn wir nun überlegen, wie KI uns beim Projektmanagement unterstützen kann, und welche Gefahren gleichzeitig daraus erwachsen könnten – die es natürlich zu vermeiden gilt – dann sollten wir uns. zunächst anschauen, welche Hoffnung wir im Projektmanagement mit dem KI-Einsatz verbinden. Hierzu lohnt sich ein Blick auf einen zentralen Aspekt des Projektmanagements, nämlich dem scheinbaren Dilemma zwischen Planung und Unsicherheit.

KI im PM – Lösung der Probleme oder neues Problem?

Projektmanagement ist eine ausdifferenzierte, hochprofessionelle Disziplin. Uns stehen strukturierte Verfahren und Methoden zur Planung und Steuerung von Projekten bis hin zur Analyse und Realisierung von kommunikativen Erfordernissen zur Verfügung. Gleichzeitig betreten wir mit Projekten Neuland, und das lässt sich nicht besonders gut in strukturierte Rahmen gießen. Die Umsetzung eines solchen, in Teilen nicht vorhersehbaren, Vorhabens lässt sich nicht komplett durchplanen sowie anschließend einfach umsetzen. Stattdessen braucht es im Projektgeschehen neben professionellen (Steuerungs-)Kompetenzen vor allem Erfahrungswissen. Wir benötigen beides, um angemessen handeln zu können, wenn wir die Leitplanken des (natürlich zwingend erforderlichen) Plans verlassen (Kuhlmey, 2021).

Wir Projektmanager:innen benutzen gerne IT-basierte Tools, die unsere Methoden und Verfahren unterstützen. Oft vertrauen wir diesen Tools mehr als unseren eigenen Erfahrungen. Dabei sollte es uns jedoch bewusst sein, dass sie "nur" Hilfswerkzeuge zur Orientierung sind, wie z.B. ein Kompass auf hoher See. Der Rest ist Abenteuer bzw. Ungewissheit. Um diese zu bestehen, braucht es entsprechende, weitergehende Kompetenzen, die wir im nächsten Abschnitt genauer betrachten.

Mit KI betreten wir in Bezug auf unsere geliebten, IT-basierten Werkzeuge eine neue Dimension: KI ist lernfähig, kann deutlich mehr Informationen als der Mensch verarbeiten und sogar eigene Lösungen jenseits des menschlichen Erfahrungsschatzes generieren. Auf den ersten Blick erscheint uns KI deshalb als durchaus geeignet, zum "Tool für Ungewissheit" zu werden.

Damit sind wir hinsichtlich KI genau in der Situation, die in den oben zitierten Science-Fiction-Geschichten den Ausgangspunkt bildet: Wir erhoffen uns von der KI, dass sie uns dort Sicherheit gibt, wo wir selbst nicht mehr in der Lage sind, alles vorauszuplanen und im Griff zu haben. So wecken Marc Bollmann und Andreas Janiak in ihrer Artikelserie "Künstliche Intelligenz im Projektmanagement" die Hoffnung, dass KI uns die komplexen Aufgaben der Aufwandsschätzung, des Ressourcenmanagements und des Risikomanagements erleichtern oder sogar abnehmen kann (Bollmann u. Janiak, 2021).

Handeln und Entscheiden in Ungewissheit

Mit Projekten betreten wir – wenn auch in unterschiedlichem Maße – stets Neuland und erleben dabei meist Situationen, die uns unbekannt sind. Manches davon können wir mit unserer Erfahrung und der von anderen dennoch einigermaßen abschätzen, zumindest als Risiko. Anderes ist selbst bei bester Planung (und dazu zählen auch Risikomanagement und agiles Vorgehen) nicht prognostizierbar und entzieht sich damit jedweder Planung. Diesen Anteil am Projektgeschehen bezeichne ich in Übereinstimmung mit Böhle als "Ungewissheit" (Böhle, 2017).

In meinem Beitrag "Handlungsfähig im Unvorhersehbaren" (Kuhlmey, 2021) beschreibe ich, wie bei Ungewissheit an Stelle geplanten Vorgehens ein situatives Handeln tritt, in dem Handeln und Denken verzahnt und nicht sequentiell sind. Basis dieser Überlegungen ist das Handlungsmodell nach Fritz Böhle (Kuhlmey, 2021), das zwischen Objektivierendem und Subjektivierendem Handeln unterscheidet, und das ich hier kurz zum besseren Verständnis zusammenfasse.

Objektivierendes Handeln

Objektivierendes Handeln ist rational-gesteuertes Handeln: das Kognitive, Messbare, Sachliche steht im Vordergrund. Das Entscheiden zwischen mehreren Optionen steht zeitlich vor dem ausführenden Handeln.

Subjektivierendes Handeln

Subjektivierendes Handeln ist nicht rational/kognitiv geprägt, sondern intuitiv. Erfahrung(swissen) spielt eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zum Objektivierenden Handeln erfolgen Entscheiden und Handeln nicht sequentiell, sondern beide sind miteinander verzahnt, man entscheidet quasi im ausführenden Handeln. Es gibt keine bekannten Lösungswege, stattdessen wird explorativ vorgegangen. In Prozess entsteht neues Erfahrungswissen (Kuhlmey, 2020). Subjektivierendes Handeln erfordert Körperbewusstsein und -gespür sowie unser damit eng verbundenes, emotionales System.

Modell für Objektivierendes und Subjektivierendes Handeln (Böhle, 2017, S. 32)
Bild 1: Modell für Objektivierendes und Subjektivierendes Handeln (Böhle, 2017, S. 32)

In Ungewissheit, die eben ein situatives Handeln in der vorliegenden Situation erfordert, tritt Subjektivierendes Handeln stärker in den Vordergrund. Wie oben beschrieben, erfordert Subjektivierendes Handeln Erfahrungswissen. Und es setzt meines Erachtens zumindest in unserem Kulturkreis eine Objektivierende Basis voraus, denn so fühlen wir uns einfach kompetenter und damit sicherer.

Subjektivierendes Handeln kann aktuell nicht mithilfe der im Projektmanagement bisher geschätzten Tools unterstützt werden (Böhle, 2016). Aber die dafür erforderlichen Metakompetenzen sind im Vorhinein erlern- und trainierbar:

  • die Freude am Ausprobieren
  • ein konstruktiver Umgang mit Fehlern (aus Fehlern lernen)
  • Achtsamkeit
  • ein Wahrnehmen von sich selbst und dem, was um einen herum ist
  • Entschleunigung (nicht im Sinne von Aussitzen, sondern im Sinne des Sammelns von bewertungsfreien Beobachtungen)
  • sinnliche Wahrnehmung, auch Wahrnehmung von Weak Signals (das sind diffuse Signale für aufkommendes Geschehen, die spürend, körperlich wahrgenommen werden)
  • ein Loslassen von eigenen Erwartungen an potentielle Lösungen, existierende Pläne, andere Betroffene
  • ein flexibler Umgang mit Drucksituationen.

Voraussetzungen dafür sind:

  • ein Loslassen von der in unserer Kultur zutiefst verankerten Idee perfekter Kontrolle und Steuerung, die in Situationen der Ungewissheit nicht möglich sind
  • sich selbst, die eigenen Reaktionen und Fähigkeiten gut zu kennen
  • Sicherheit, die nicht aus Kontrolle der Situation entsteht, sondern auf Selbstkenntnis und Vertrauen in die eigene Person basiert.

Der situativ erforderliche Umgang mit Ungewissheit (im Sinne eines eher intuitiven Vorgehens unter Einsatz unbewusster Kompetenzen und unbewussten Wissens) kombiniert rationale Elemente mit verkörpert-leiblichen (vgl. hierzu auch Forschungsansätze zum situativen Umgang mit Ungewissheit (Neumer, 2016)). Der Begriff "Intelligenz" erweitert sich damit über den rein rationalen Verstand hinaus um Körperintelligenz. Gemeinsam bilden diese beiden Facetten unsere ganzheitliche, menschliche Intelligenz.

Subjektivierendes Handeln und KI

Betrachten wir das obige Handlungsmodell unter dem Gesichtspunkt von KI, dann kann KI natürlich die Objektivierende Seite umfangreich unterstützen, denn gerade hier haben technische Werkzeuge ihre Stärke. Auf der Subjektivierenden Seite allerdings müssen wir genauer hinschauen.

Von Mustererkennung zur Kreativität und Intuition

Ich kann mir gut vorstellen, dass (generierende) KI das explorative Vorgehen in Form von Handlungsvorschlägen unterstützen kann. Aspekte assoziativen Denkens können in Form von Mustererkennung oder Mustergenerierung realisiert werden. Wesentlich dabei ist natürlich, dass die Intuition und die Kreativität der menschlichen Intelligenz (im oben beschriebenen ganzheitlichen Sinne) nicht eingeschränkt und auf die Perspektive der KI reduziert werden.

Schwieriger wird es bei der Wahrnehmung. Vorstellbar ist sicherlich eine KI, die mit künstlichen Sinnesorganen ausgestattet ist und unsere Wahrnehmung nachvollzieht, ja vielleicht sogar verbessert. Jedoch setzen Gespür und Intuition mehr als das voraus, nämlich auch unser (verkörpertes) emotionales und empathisches Empfinden, das unsere Wahrnehmung beeinflusst.

ELIZAs Illusion von Empathie

Der Informatiker und Wissenschaftskritiker Joseph Weizenbaum (1923-2008) programmierte 1966 das Kommunikationsprogramm ELIZA, das als erster Chatbot gilt (Wikipedia-Autoren: Joseph Weizenbaum, 2023). Obwohl ELIZA auf einfachen Satzschemata und auf Synonymlisten beruhte, waren manche Testpersonen davon überzeugt, dass das Programm tatsächliches Verständnis für sie zeigte. Weizenbaum war darüber so erschüttert, dass er seine Versuche mit ELIZA abbrach und sich von da an kritisch mit den Folgen von Technik und KI auseinandersetzte (Wikipedia-Autoren: ELIZA, 2023).

Nun war ELIZA im Vergleich zu ChatGPT ein primitives, schematisch agierendes Programm. Durch entsprechendes Training können ChatGPT & Co. durchaus eine Art kognitive Empathie herstellen – Sie können sich mit den frei verfügbaren Chatbots davon jederzeit einen Eindruck verschaffen. Diese Form der Empathie aber ist eben nur eine rein rationale Empathie, ein Phänomen, das auch Narzissten zu eigen ist. Menschen werden durch solche kognitive Empathie immer wieder getäuscht, oft auch manipuliert. Weizenbaum hätte die heutigen Möglichkeiten der generativen Sprachmodelle vermutlich vehement abgelehnt.

Allen aktuellen Schein-Erfolgen zum Trotz bleibt dennoch der Beziehungsaspekt in Form von Nähe und Empathie für eine seelenlose Technik kaum umsetzbar. Eine KI, die sich in eine schwierige Projektsituation "hineinversetzt", die "dicke Luft" im Projekt verspürt, der der aktuelle Plan "die Haare zu Berge stehen lässt", die also körperliches Gespür für diffuse Situationen entwickelt, ist für mich auch bei aller Technikgläubigkeit schwer vorstellbar. Sollte dies je gelingen, würde ich dies zweifelsohne als ein bisschen gruselig empfinden.

Wir stehen erst am Anfang – blicken wir in die Zukunft!

Heutige KI ist bei weitem fortgeschrittener als ELIZA, das Risiko also höher einzuschätzen, zumal wir nicht mit der gleichen Geschwindigkeit, in der sich KI entwickelt, notwendige Kompetenzen zum Umgang mit KI aufbauen.

Für den Einsatz von KI in Projekten werden oft der verständliche Wunsch nach mehr Planungssicherheit und einer Reduzierung der herausfordernden Arbeitsbelastung sowie das umfangreiche Wissen der KI angeführt. In den eingangs beschriebenen zwei Episoden aus alten Science-Fiction-Filmen wird dargestellt, welche Risiken für unsere Autonomie und freie Entscheidungsfähigkeit eine KI mitbringt und wie schnell wir die Kontrolle an sie verlieren können.

Weiterhin ist aus Untersuchungen zu Ungewissheitskompetenzen bekannt, dass Subjektivierendes Handeln und Entscheiden mit Körperlichkeit verbunden ist (Böhle, 2016), dabei spielen unsere Sinne – auch unser sechster Sinn – der im Wesentlichen im faszialen Gewebe beheimatete Lagesinn – sowie Emotionen eine wichtige Rolle. Hier sind die aktuellen KI-Systeme im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht ausreichend aufgestellt.

Im Dilemma zwischen Helfen und Herrschen

KI in den Bereich des Subjektivierenden Handelns hinein weiterzuentwickeln, birgt ein hohes Risiko und ist herausfordernd – ob und inwieweit das überhaupt möglich ist, ist eine zweite Frage. Auch hierzu finden wir in der Science-Fiction-Welt von Star Trek geradezu philosophische Überlegungen.

Anhand dieser Kultserie können die Risiken beleuchtet werden, wenn das, was wir heute als KI-Systeme bezeichnen, ethische Grundlagen, Emotionen und sogar einen Körper bekommt.

Data und Lore – der innere Konflikt der KI

Einer der wichtigsten Charaktere in Star Trek ist der Android Data. Data verfügt nicht nur über einen exzellenten kognitiven Verstand und ein sich selbst erkennendes Bewusstsein, sondern hat auch einen menschlich wirkenden Körper. Data ist vom Wunsch getrieben, ganz menschlich zu werden, was einerseits zu amüsanten Szenen führt, zum anderen aber beständig das Spannungsfeld von kognitiver Intelligenz, emotionalem Empfinden, ethischem Verhalten und vor allem dem Entscheiden in Unsicherheit thematisiert. Im Verlauf der Staffeln von Star Trek Next Generation wird dargestellt, wie Data nach und nach ganzheitliche, menschliche Intelligenz entwickelt, die weit über seine ursprünglich rein kognitive hinausgeht. Es wird veranschaulicht, welche Herausforderungen damit verbunden sind. So muss er sich u.a. mit seinen Schattenseiten in Form seines "bösen Zwillingsbruders" Lore auseinandersetzen. Dieser zwar physikalisch baugleiche, aber vom Wesen her völlig konträre Roboter ist von der Überlegenheit der Androiden überzeugt und will die Menschheit unterjochen, die er wegen ihrer Sterblichkeit und empathischen Emotionalität für unterlegen hält.

Von dieser Entwicklungsstufe eines Data oder auch nur eines Lore sind unsere heutigen KI-Systeme weit entfernt. Mit ihrer kognitiven, lernfähigen Eloquenz und vor allem der sich erweiternden Wissensbasis, welche die eines Menschen weit übertrifft, nähren sie jedoch die Hoffnung, dass Projektmanager:innen mit ihrer Hilfe Ungewissheit beherrschen, ja vielleicht sogar ausmerzen könnten.

Zugleich wecken diese Fähigkeiten Urängste, die wir auch in Lore symbolisiert finden: Wenn KI-Systeme dies alles können, sind sie uns dann nicht in allen Punkten überlegen und werden wir Menschen in der Konsequenz nur noch zu Erfüllungsgehilfen der Roboter?

Die Synthese von KI und menschlicher Intelligenz als Vision

Die zahlreichen Drehbuchautor:innen der Star-Trek-Geschichten haben natürlich auch positive Entwürfe für die sinnvolle und hilfreiche Zusammenarbeit von künstlicher und menschlicher Intelligenz in "unbekannten Welten" erschaffen – und nichts anderes sind Projekte per definitionem aufgrund ihres Einmaligkeitscharakters.

So unterstützt z.B. ein KI-System den Bord-Ingenieur des Raumschiffs Enterprise, Geordi La Forge, bei der Lösung bisher unbekannter Phänomene. Das System liefert dabei Zugriff auf ähnliche Ereignisse, eine Art Erfahrungsdatenbank, die von Geordi kreativ abgefragt wird. Und das System kann daraus auch Handlungsvorschläge ableiten. Wesentlicher Aspekt dabei ist, dass Abfrage und Bewertung durch menschliche Expert:innen erfolgen, so wird überprüft und abgesichert, dass die KI-Systeme keine Fake-Szenarien zur scheinbaren Realität werden lassen oder der Mensch die Kontrolle abgibt. Auf die dramatische Spitze getrieben wird diese Zusammenarbeit von KI und Mensch als Geordi in einer ausweglos erscheinenden Situation eine holographische Projektion der genialen Ingenieurin Dr. Leah Brahms, seiner heimlichen Liebe, mit der Datenbank verbindet, die mit ihm als Partnerin die Krise meistert. Das ist ein meisterhaft beschriebenes Abbild der im Modell von Prof. Fritz Böhle beschriebenen Beziehung beim Subjektivierenden Handeln, hier zwischen dem menschlichen Experten Geordi und der KI Dr. Leah Brahms.

Aus der Forschung zum Subjektivierendem Handeln ist bekannt, dass Expertise sowohl in Form von Buchwissen als auch in Form von Erfahrungswissen eine wichtige Voraussetzung für den angemessenen Umgang mit Ungewissheit ist. Für das Projektmanagement ergibt sich aus diesen Überlegungen die Frage, wie wir KI-Systeme benutzen können, ohne dabei das notwendige Wissen zu verlieren, das spätestens bei Handeln und Entscheiden in Ungewissheit erforderlich wird. Die Frage ist also, wie wir quasi zum "Geordi des Projektmanagements" werden können, d.h. "Hand in Hand" mit der KI "auf Augenhöhe" zusammenarbeiten können.

Synthese aus Wissen, Bewusstsein, Körper und Intuition

Für den Bereich des reinen Wissenserwerbs kann das im Wesentlichen durch die aktuell laufenden Zertifizierungen und Ausbildungen, wie z.B. IPMA, PMI, PRINCE2 oder agile Methoden, sichergestellt werden, also durch das weiterhin Hands-On-Erlernen der wichtigen Disziplinen. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass der Einsatz von KI nicht das Sammeln notwendiger Erfahrungen verhindert. Es wird schwieriger, wenn Erfahrungen immer weniger selbst gemacht werden, weil KI in der Praxis der Projekte eine zunehmende Rolle spielt. Diese Tendenz kann schon heute mit den klassischen Tools beobachtet werden. Die oben beschriebene Zusammenarbeit von Geordi und KI kann hier Anregungen geben.

Da KI eine eigene Lernfähigkeit besitzt, wird die Bewertung der Ergebnisse – bei gleichzeitig abnehmender Erfahrung der Benutzer:innen – immer schwieriger. Dies gilt umso mehr im Subjektivierenden Bereich, in dem Erfahrungswissen und damit eng verbunden Intuition, eine entscheidende Rolle spielen. Vielleicht ist dies einer der Gründe, dass in Krisensituationen bei Star Trek Führungskonferenzen eines diversen Teams – dabei auch Data – abgehalten werden. In diesen spielen vor allem auch die Erfahrungen der empathisch hochbegabten Beraterin Deanna Troi eine wesentliche Rolle. Deanna Troi ist mit ihrer Fähigkeit, Emotionen telepathisch wahrzunehmen und auch zu spiegeln quasi das Gegenstück zu Data und den KI-Systemen.

In Star Trek wird darüber hinaus immer wieder die Beschäftigung der Mannschaft mit Körperarbeit gezeigt. Der Halbklingone Worf – interessanterweise der Sicherheits-Offizier an Bord – macht sogar eine Art Taiji. Aus der Forschung zu Mind Body Therapien und Postural Awareness (Topino et al., 2020) wissen wir, dass solche Formen der Beschäftigung mit dem Körper unsere Handlungsfähigkeit verbessert (Stärkung von Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit) – etwas, das unsere bisherigen Projektmanagement-Ausbildungen nicht berücksichtigen.

Beispiel: Der KI-generierte Projektplan

Lassen Sie mich diese Überlegungen noch einmal aus einer anderen Perspektive beleuchten, und zwar anhand der Projektplanung.

Projektplanung wird schon heute durch Tools sehr weitgreifend unterstützt, es gibt Möglichkeiten, Projektpläne und Risikolisten anhand von gewissen Parametern und basierend auf den Erfahrungen anderer Projekte aus Bausteinen zusammenzusetzen. Einer lernenden KI traue ich zu, dass sie hier weitergeht, Parameter geschickt erfragt, beteiligte Stakeholder bewertet und sogar aufgrund von Erfahrungen aus anderen Projekten neue Handlungsoptionen ableitet. Im Ergebnis ist ein fertiger Plan inkl. Organisation, Stakeholder-Analyse und Risikokatalog vorstellbar.

Und gleichzeitig ist Projektplanung als kognitiver Prozess des Objektivierenden Handelns ein wichtiger Vorgang für Projektleitung und Teammitglieder, um sich mit dem Projekt vertraut zu machen. Vertraut machen hat zur Folge, dass man Expert:in für das Projekt wird und – im Sinne des Böhleschen Handlungsmodells – Nähe herstellt. Ich kenne Projektleiter:innen (und sehe mich selbst als solche), die in kritischen Phasen eine Einheit mit dem Projekt bilden, quasi "als Projekt" denken. Aus dieser Nähe heraus verstehen sie dann, im Sinne des Projekts zu handeln. All dies kann verlorengehen, wenn die Aufgabe der Projektplanung von einer KI übernommen wird. Das Verständnis für das, was das Projekt braucht, fehlt damit, wenn unerwartete oder sogar unerwartbare Situationen bewältigt werden müssen, die KI aber ist in diesem Fall kein guter Ratgeber, ihr fehlen Körperlichkeit und Intuition (s.o.).

Chancen und Risiken von KI im Projektgeschäft

Als Anregung für die weitere Beschäftigung mit KI im Projektgeschäft möchte ich Ihnen meine aktuellen Überlegungen zu Chancen und Risiken von KI zusammenfassen. Meine Perspektive dabei ist die Ungewissheitsforschung, meine Basis die jahrzehntelange Arbeit in Projektlandschaften.

Aus Sicht der Ungewissheitsforschung birgt KI im Projektmanagement zwar viele Risiken, aber natürlich eröffnet ihr Einsatz auch große Chancen. Was überwiegt, entscheidet sich meiner Meinung nach daran, inwieweit wir die Risiken bewusst ins Auge fassen und entsprechend gegensteuern. Das gilt sowohl auf der Ebene des Projektmanagements als Disziplin aber eben auch für jede:n Einzelne:n in ihrer:seiner Projektumgebung.

Entlastung durch KI kann zu höherer Qualität führen – oder zu mehr Stress

KI kann Projektmenschen Arbeit abnehmen und, richtig eingesetzt, die Qualität im Projekt verbessern.

Gerät z.B. ein Projekt in Verzug und rückt die Deadline immer näher, so sind die eigentlich unverzichtbaren Maßnahmen zur Qualitätssicherung oft die ersten, die geopfert werden. Nur allzu oft ist die Aussage "Aus Zeitgründen mussten wir die Tests auf eine Minimum reduzieren." zu hören. Wer Erfahrung im Projektmanagement hat interpretiert diese Aussage intuitiv richtig als: "Zum Testen hatten wir keine Zeit, sonst hätten wir den Termin nicht geschafft. ". Diese zeitintensive Arbeit kann von KI unterstützt werden und so die Qualität des Projektergebnisses steigern. Und KI kann ohne die momentan aufwendigen Recherchen fundiertes Wissen ins Projekt bringen, so z.B. zur Vertragsgestaltung bei Inanspruchnahme von Dienstleistern.

Und gleichzeitig erleben wir an vielen Stellen im professionellen Umfeld, dass gewonnene Zeit nicht zu mehr Nachdenken und Achtsamkeit führt, sondern im Gegenteil den Druck und den damit verbundenen Stress erhöht, indem mehr Durchsatz gefordert wird. Die erhoffte Qualität bleibt dann doch auf der Strecke.

Dies gilt ganz besonders für die Qualität des Projektmanagements selbst. Projektleiter:innen sind Expert:innen für die Durchführung von Projekten, für Handeln und Entscheiden in Projekten. Werden diese Aufgaben unreflektiert an KI übergeben, besteht das Risiko, dass Expertise verlorengeht. Dem Projektmanagement wäre damit die wesentliche Grundlage für kompetentes und professionelles Handeln entzogen mit entsprechenden Verlusten in der Qualität.

Und mit der neuen KI-Generation können aufgrund der einfachen Dialog-Interfaces auch Nicht- Expert:innen arbeiten. So könnte leicht der Eindruck entstehen, dass Projektleitung durch KI ersetzbar wäre. Damit könnte sich die KI "verselbständigen", weil die Expertise bei der Bewertung der erzeugten Ergebnisse fehlt. In letzter Konsequenz steuert dann die KI Projekte, nicht der Mensch die KI. Und damit befänden wir uns in einer ähnlichen Situation wie in den eingangs geschilderten Beispielen.

Ungewissheitskompetenz – im Unbeherrschbaren handlungsfähig bleiben

Eine zunehmende Quelle für Ungewissheit ist Technik, begründet in deren steigender System-Komplexität. Bereits 2016 hatte sie in etwa das Ausmaß der Ungewissheit, die durch den Menschen selbst verursacht wird (Böhle, 2016). KI steigert diese Komplexität weiter und ist lernfähig. Damit führen wir eine neue Quelle für unerwartbare Ereignisse ins Projektgeschehen ein und erhöhen so die Notwendigkeit für Subjektivierendes Handeln. Die Hoffnung, dass KI also Ungewissheit reduziert, wird durch diesen Effekt konterkariert.

Und gleichzeitig gibt es im Projektmanagement bisher keine Disziplin, die Kompetenzen zum Umgang mit Ungewissheit explizit fördert. Wir haben im Projektmanagement professionelle Defizite im Subjektivierenden Bereich (Stichworte Körperintelligenz, Emotionale Intelligenz, Gespür). Ich sehe im Einsatz von KI das Risiko, dass diese Defizite sogar zunehmen, da die KI den Projektbeteiligten die Möglichkeit nimmt, eigene Erfahrungen zu sammeln. Und gleichzeitig brauchen wir ein Mehr an Subjektivierendem Handeln, um Projekte und Transformation mit ihren Ungewissheiten zu bestehen.

Mittels immer komplizierter werdender, kognitiver Methoden des Wissensmanagements gibt es auch für das Projektmanagement die Idee, Wissen zu vermehren, mit dem Ziel, Ungewissheit in Projekten zu beherrschen (Böhle, 2016). Bereits die aktuelle KI bietet tolle Möglichkeiten, diesem Weg zu vertrauen und ihn zu beschreiten. Dies ist aber systemisch gesehen lediglich ein Mehr-vom-Selben des Rationalen, ein Weiter-wie-bisher mittels Management-Disziplinen Unwägbarkeiten zu kontrollieren, zu beherrschen und damit letztendlich auszumerzen. Diese Idee hat uns als Gesellschaft in eine Situation geführt, die wir nun de facto immer weniger "im Griff haben". Aber wir leben gerne weiter in dieser Illusion, um so notwendige aber unangenehme Maßnahmen aufzuschieben.

Last-but-not-least hat KI einen viel umfassenderen Speicher für Wissen und Informationen als der Mensch. Vor allem aber kann sie jederzeit auf alle Inhalte gezielt zugreifen. Dies entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als zweischneidig: Einerseits stellt sie uns damit ein nahezu unendliches Reservoir an Wissen zur Verfügung. Andererseits kann genau das schnelle Zurückgreifen auf Muster aus alter Vergangenheit notwendiges Umdenken und unser natürlich bedingtes Loslassen solcher Muster blockieren. Gerade in Ungewissheit kann es in die Irre führen, die Situation mit systemisch gesehen Mehr-vom-Selben anzugehen, statt eben das Neue in der Situation zu erspüren und dementsprechend zu handeln. Wenn wir durch KI nur die alten Muster reproduzieren, wird sie für uns wie Landru in der eingangs beschriebenen Episode "Landru und die Ewigkeit" aus der ersten Star-Trek-Staffel.

Wir brauchen eine Ethik für den KI-Einsatz – nicht nur in Projekten

Technische Innovationen werden von Menschen bei allem Nutzen immer wieder auch zum Schaden von Menschen eingesetzt. Schon der Schaden der Innovationen der letzten 150 Jahre ist so hoch, dass wir ihn möglicherweise nicht mehr reparieren können.

KI bietet auch für Projekte, die als Organisationsform in der Gestaltung unserer Gesellschaft immer wichtiger werden, Möglichkeiten, die bisher kaum denkbar waren. Wir müssen uns dringend und vorausschauend mit potentiellen Schäden durch ihren Einsatz für einzelne Menschen und die Menschheit befassen.

Verlieren wir wirklich die Kontrolle über die Verwendung von KI, dann werden wir zum Schöpfer einer Intelligenz, die eigene Wege geht. Darüber nachzudenken, was das bedeutet, sprengt freilich den Rahmen eines Fachartikels.

In absehbarer Zeit werden wir die Frage der Ethik in und für KI klären müssen, gerade im Projektmanagement, das die Zukunft unserer Gesellschaft mitgestaltet (interessante Überlegungen zur Projektifizierung der Gesellschaft und zur Ethik in der 4.0-Welt finden Sie in der Studie "Projektifizierung der Gesellschaft in Deutschland" (Wagner, 2021) und im Blogbeitrag "Wie halten Sie es mit der Ethik?" (Schaden, 2016)). Die KI wird das, was wir in ihr verankern, sehr viel konsequenter umsetzen als der Mensch. Die Fantasien und Szenarien aus Science-Fiction machen deutlich, dass hier große Risiken liegen, die uns auch der Kontrolle der Technik berauben können.

Reflexionsfragen für den Projektalltag

Auch ich kann Ihnen keine Antworten liefern auf die Frage: Wie sieht die Zukunft des KI-Einsatzes im Projektmanagement aus? Vermutlich kann dies niemand, insbesondere ChatGPT kann dies auch nicht, obwohl es viel Text dazu liefert, wenn man es fragt.

Statt Antworten auf eine solche Grundsatzfrage möchte ich Ihnen Fragen für den Projektalltag an die Hand geben. Keine rein kognitiv zu beantwortenden Fragen, sondern Reflexionsfragen, für die es viele mögliche Ausprägungen an Antworten gibt. Es kann auch sein, dass Sie bei der Beschäftigung mit diesen Fragen in ihrem Projekt Ambivalenzen verspüren, die Ihnen auch keine KI auflösen kann 😉, sondern die Sie ausbalancieren müssen.

KI und mein Projekt – welchen Nutzen erwarte ich mir?

Stellen Sie sich am Anfang des Projekts die explizite Frage, ob und in welcher Dimension Sie KI in Ihrem Projekt einsetzen wollen. Dabei können Sie sich u.a. an folgenden Kriterien orientieren

  • Welche KI gibt es im Unternehmen, welche ist in Projekten üblich, welche kennen Sie oder verfügen sogar über Erfahrung damit?
  • Welchen Nutzen versprechen Sie sich, wenn Sie diese KI verwenden?
  • Haben Sie für die von der KI abgedeckten Bereiche ausreichend Expertise im Team, um die Ergebnisse zu bewerten? Falls nicht, wie könnten Sie diese Expertise ausreichend sicherstellen?
  • Schätzen Sie basierend auf Ihren bisherigen Erfahrungen in anderen Projekten ab, wieviel Gespür Sie für Ihr Projekt brauchen werden. Hierzu brauchen Sie natürlich bereits Gespür dafür, was da auf Sie zukommt; ein grober Plan, eine erste Idee zu Risiken und Unwägbarkeiten sind gute Voraussetzungen. Als Methode können Sie eine Skalenabfrage stellen: auf einer Skala von 0-10, wieviel Gespür benötigen Sie für Ihr Projekt, um es erfolgreich durchzuführen? (0 = Projekte sind doch alle gleich, da braucht es kein Gespür; 10 = ich spüre alles, denn das Projekt und ich sind eins).
  • Überlegen Sie anschließend, was helfen könnte, dieses Gespür auch bei angestrebter KI-Nutzung aufzubauen, setzen Sie das um und überprüfen Sie das Ergebnis mit Hilfe der Skala immer wieder im Prozess des Aufbaus von Gespür.

Was hilft mir die KI tatsächlich?

Ergänzen Sie Ihren regulären Statusbericht um die Fragen,

  • ob Ihr Gespür für Ihr Projekt sich weiterhin angemessen anfühlt, benutzen Sie dafür die obige Skala. Überlegen Sie bei Abweichungen nach unten, welche Maßnahmen helfen können, den ursprünglichen Erwartungswert zu erreichen – machen Sie das auch gerne gemeinsam mit Ihrem Projektteam.
  • ob der erwartete Nutzen des KI-Einsatzes im Projektverlauf auch wirklich realisiert wird. Falls nicht, ergreifen Sie Gegenmaßnahmen oder revidieren Ihre Entscheidung, KI einzusetzen.

Was habe ich im Umgang mit der KI gelernt?

Beziehen Sie den KI-Einsatz explizit in den abschließenden Projekt-Review am Projektende ein:

  • Was war der tatsächliche Nutzen? Welche Abweichungen (auch positive!) von Ihren ursprünglichen Erwartungen gibt es, und was sind Gründe dafür?
  • Wo hat die KI selbst Unwägbarkeiten ins Projekt gebracht und was half, diese gut zu meistern?
  • Wo hat die KI Sie vielleicht sogar eingeschränkt? Wie können Sie das zukünftig vermeiden oder zumindest verbessern?
  • Was haben Sie insgesamt für den zukünftigen Einsatz von KI gelernt?
  • In welcher Form konnte Sie KI bei der Bewältigung unerwarteter Ereignisse unterstützen und wo war sie eher hinderlich?

Zukunft der KI im PM

  • Ich bin Realistin und denke trotz aller Skepsis, dass KI auch im Projektmanagement Einzug halten wird, wenn nicht sogar einen großen Einfluss ausüben wird. Eines erscheint mir sicher: Mit KI betreten wir (nicht nur) im Projektmanagement Neuland. Und durch die Verwendung der KI holen wir uns einen weiteren Faktor für Ungewissheit ins Projekt. Ungewissheit birgt Chancen, die es zu heben gilt (Böhle, 2016), wenn wir sie professionell handhaben.
  • Als Projektmenschen sollten wir unsere geballte Professionalität zur Einführung von KI in Projekten einsetzen – dazu gehören vor allem angemessene Planung, Kontrolle und Steuerung von Vorhaben unter Berücksichtigung von Risiken, Ergebnis-Orientierung, Expertise und Erfahrung. Daher möchte ich abschließend Anregungen geben, was ich für einen Einsatz von KI in Projektgeschäft grundsätzlich für wichtig ja sogar zwingend erforderlich halte.

KI muss Mittel zum Zweck bleiben

  • Die Handlungshoheit von Projektmenschen darf nicht behindert werden. KI ist keine Lösung und kein Werkzeug, um menschliches Handeln und Entscheiden in Ungewissheit abzulösen, sie kann bei richtigem Einsatz aber Expert:innen im PM unterstützen, wie es uns die fiktive Star-Trek-Crew vormacht.
  • Ziel bei Projektmethodiken und im täglichen Projektgeschäft muss es sein, die erforderliche Handlungsfähigkeit von Menschen sicherzustellen, und das Eintreten des Risikos zu verhindern, dass KI Projekte dominiert und Kreativität, Chancenwahrnehmung sowie ganzheitlich intelligentes, menschliches Handeln negativ beeinflusst.
  • Um die notwendigen menschlichen Kompetenzen nicht zu gefährden, eben gerade auch für den Bereich des Nicht-Vorhersehbaren, muss KI so gestaltet werden, dass sie als Unterstützungswerkzeug NUR für Expert:innen zum Einsatz kommt. Die Unterstützung von Projektmenschen muss dabei eher dialogisch erfolgen und nicht ganze Bereiche der Projektmanagement-Disziplinen ohne menschliche Interaktion und Prüfung abdecken.

KI und Ungewissheitskompetenzen müssen Teil der Ausbildung werden

Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen scheint es mir auch zwingend erforderlich, Ausbildungen und Zertifizierungen im Projektmanagement um die Aspekte

  • Kompetenzen zum Umgang mit KI
  • Kompetenzen zum Handeln und Entscheiden in Ungewissheit

zu erweitern. Dies umso mehr, da KI eben neue Ungewissheiten ins Projektgeschäft bringen wird.

Gerade bei Aus- und Fortbildung kann ich mir KI als Unterstützung fürs Lehren und Lernen sogar bestens vorstellen. So können wir unter Einsatz von Virtual Reality z.B. spielerisch Projektbeispiele mit vielen eher nicht erwartbaren Ereignissen trainieren. Ob dazu auch ein aussichtsloses Szenario im Stile des berühmten Kobayashi-Maru-Tests aus Star Trek (Wikipedia-Autoren: Kobayashi-Maru-Test, 2023) gehören sollte, möchte ich aktuell nicht empfehlen, da die weitreichenden psychischen Konsequenzen auf Menschen zuvor sehr achtsam begutachtet werden müssen.

Voraussetzung für all das ist unser Wille zum Lernen von Kompetenzen, wie eben denen für Ungewissheit und die Akzeptanz, dass Ungewissheit in Projekten nicht auszumerzen ist.

Die Zukunft hat schon begonnen – lernen wir von ihr!

Die Gedankenwelt der Science-Fiction-Autor:innen und die von ihnen in die Zukunft projizierten Geschichten, wie z.B. die Star-Trek-Welt, können uns Anregungen geben, wie wir menschliches Handeln und menschliche Intelligenz durch KI unterstützen, ja vielleicht sogar anreichern können, ohne von ihr gesteuert zu werden.

Die dabei existierenden Risiken sollten wir ernst nehmen und deshalb auch das eine oder andere Mal auf den scheinbaren Nutzen von KI verzichten, denn diese Risiken gefährden mehr als nur Projekte. Auch hier ist Science Fiction ein guter Lehrmeister:

KI gehört in die Hände von Expert:innen und manchmal nicht einmal das.

Literatur

 

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