Veränderungen anregen Culture Hacking – Knacken Sie die Unternehmenskultur!

Wird in Ihrem Unternehmen zu viel Zeit in Meetings verbummelt? Oder sind manche Prozesse viel zu kompliziert? Dann probieren Sie doch einmal "Culture Hacking" aus. Damit lassen sich kleine Veränderungen von innen heraus anstoßen, die große Auswirkungen auf die Projekt- oder Unternehmenskultur haben können. Dass diese Change-Methode einfach anzuwenden ist, zeigt Torsten G. Scheller praxisnah an einem Beispiel.

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Veränderungen anregen Culture Hacking – Knacken Sie die Unternehmenskultur!

Wird in Ihrem Unternehmen zu viel Zeit in Meetings verbummelt? Oder sind manche Prozesse viel zu kompliziert? Dann probieren Sie doch einmal "Culture Hacking" aus. Damit lassen sich kleine Veränderungen von innen heraus anstoßen, die große Auswirkungen auf die Projekt- oder Unternehmenskultur haben können. Dass diese Change-Methode einfach anzuwenden ist, zeigt Torsten G. Scheller praxisnah an einem Beispiel.

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"Projektheld", unser Akteur in dem nachfolgenden Beispiel, ist neu im Unternehmen und genervt: In diesem Unternehmen scheint es normal zu sein, dass Meetings immer zehn Minuten später anfangen und länger dauern als geplant. Oft müssen Teilnehmer Meetings dann vorzeitig verlassen, um rechtzeitig zu Anschluss-Terminen zu kommen. Und dann sind viele Meetings schlecht bis gar nicht vorbereitet. Dadurch sind die Ergebnisse sehr mager – oft war es einfach schade um die Zeit.

Projektheld will das ändern. Er hat bereits versucht, das Thema anzusprechen, allerdings ist es ihm nicht gelungen, bei den Beteiligten ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Daher entschließt er sich, einen anderen Weg zu gehen: Er will die Meeting-Kultur des Unternehmens verändern – und zwar mittels Culture Hacking.

Kultur als "Betriebssystem" einer Organisation

Kultur kann als "das Betriebssystem" (Hofstede, 2010) einer Organisation angesehen werden. Sie stellt damit die Basis dar, auf der "individuelle Anwendungssysteme" (Hofstede, 2010) laufen. Diese technische Beschreibung wählte Hofstede als einfaches und allgemein verständliches Erklärungsmodell: Ein Betriebssystem erweckt einen Computer erst zum Leben und ermöglicht z.B. Darstellungen auf dem Bildschirm und Eingaben über Tastatur und Maus. Anwendungsprogramme des Nutzers, wie eine Textverarbeitung oder ein Internetbrowser, laufen nur auf dem Computerbetriebssystem, zu dem sie kompatibel sind. Ein Programm für einen Mac wird nie auf einem Windows-Computer laufen.

Ebenso erweckt Kultur als "Betriebssystem" einer Organisation diese erst zum Leben und ermöglicht z.B. die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder. Handlungen einer Person sind dann wie Anwendungsprogramme eines Nutzers zu verstehen: Es sind nur Handlungen möglich, die im Einklang mit dem "Betriebssystem" stehen und zu diesem kompatibel sind. Inkompatible Handlungen werden bestraft; das reicht vom Anpassungsdruck auf den Handelnden bis hin zu seinem Ausschluss aus der Organisation.

Computer Hacking

Dieses Modell hat zugleich den Vorteil, dass das nachfolgend beschriebene "Culture Hacking" leicht am Beispiel von "Computer Hacking" erklärt werden kann. "Computer Hacking" meint das Eindringen in ein Computersystem (meist aus Spaß) und Verändern der Software von innen heraus, allerdings ohne dabei Sicherheits- und Schutzsysteme anzugreifen und zu knacken. "Hacking" im technischen Sinne meint mittlerweile die Veränderung von Geräten in einer Art und Weise, dass diese völlig anders angewendet werden können, als von den Herstellern ursprünglich beabsichtigt.

Analog dazu meint "Culture Hacking" das Eindringen in eine Kultur und das Verändern von innen heraus. Dabei wird in das "Betriebssystem" Kultur eingedrungen und durch Aktionen dieses dazu angeregt, sich zu verändern und anders zu agieren.

Culture Hacking

Mittlerweile ist der Begriff "Culture Hacking" in der Business-Welt angekommen, wo er die Veränderung der Kultur von Organisationen und Unternehmen meint. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Kunst und meint das Provozieren des aktuellen kulturellen Standards, um Althergebrachtes aufzubrechen und Neues zu schaffen (Liebl 2010). Erfolgreiche Provokationen, laut Liebl z.B. Avantgarde, Punk, oder Urban Art (s. hierzu auch Wikipedia), sind mittlerweile Bestandteil der Kultur – und zum Teil sogar schon Bestandteil dessen, was als "klassisch" bezeichnet wird.

Culture Hacking als Change-Instrument

Veränderungen in der Kultur folgen nie einem Plan – sie entstehen durch Opposition zum Bestehenden. Zu jeder Zeit kleidete sich Fortschritt in das Gewand der Provokation. Alles, was heute kultureller Standard ist, war zu früherer Zeit eine Provokation!

Und genau dieses Prinzip der gezielt eingesetzten Provokation lässt sich auch für Kulturveränderungen in einem Unternehmen verwenden. Culture Hacking ist eine systemische Intervention, mit der das zu hackende System zu einer Veränderung angeregt werden soll. Es geht nicht um eine zielgerichtete Steuerung, sondern um eine Anregung zur Selbstveränderung, z.B. durch Sichtbarmachen von Einschränkungen, Fehlfunktionen und Problemen. Diese Anregung kann sichtbar und provokativ oder verdeckt und unscheinbar sein. Alles, was zur Veränderung anregt, ist erlaubt!

Hacks sind Experimente

Eine Anregung zur Veränderung wird "Hack" genannt. Ihr Erfolg ist nicht garantiert, da nicht klar ist, wie die Organisation darauf reagieren wird. Hacks sind daher Experimente: Wir haben eine Idee, wie etwas zur Veränderung angeregt werden könnte. Aber wir haben keinerlei Garantie, dass dies auch wie gedacht funktioniert.

Alle Kommentare (5)

Michael
Jakob

ach wenn alles nur so einfach wäre... letztendlich erscheint es mir alter wein in neuen schläuchen zu sein... ein bisschen Prosci, ein bisschen Kotter, ein bisschen Drucker, usw. schon hat man den stein der weisen - es wird sein wie bei allen modellen und vorgehensweisen, in einem projekt wird es funktionieren und im anderen nicht und das durchaus im gleichen unternehmen. was mir hier fehlt ist - der mensch

 

Guest

Sehr interessantes Denkmodell und sehr anschaulich. Es erinnert mich ein wenig an die PM Guerilla-Taktik. Gut vorstellen kann ich mir die Vorgehensweise für kleinere Veränderungen, wo man selbst auch wirklich motiviert ist. Ich frage mich, wie könnte das mit großen Struktur-, Strategie- und Organisationsveränderungen funktionieren? Und kann diese Methode auch von Änderungsgegnern verwendet werden, um größere Veränderungsprojekte im Unternehmen zu erschweren?

 

Bei großen Veränderungen kann Culture Hacking helfen, nicht auszubrennen, also in einen "Change burn out" zu laufen. Und Culture Hacking kann bei diesen großen Veränderungen zumindest helfen, Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Veränderung zu schaffen. Große Veränderungen "in einem Wurf" zu machen ist schwierig, lieber stückweise aufeinander aufbauend vorgehen, und da kann Culture Hacking in jedem Schritt eine Möglichkeit sein. Und ja, jede Methode kann natürlich auch missbraucht werden ... hier zählt der Mensch und das, was er für ethisch, für richtig und gut hält... Ja, Culture Hacking enthält sicherlich Elemente aus anderen Vorgehensweisen. Auch hier gilt: gut ist, was funktioniert, was nützt. Nicht immer passt alles jederzeit überall - da heißt es neues ausprobieren und mehr von dem zu machen, was funktioniert. Wenn Culture Hacking nicht funktioniert, dann gibt es zwei Möglichkeiten: In diesem Kontext zu diesem Zeitpunkt hat entweder der konkrete Hack oder die Methode nicht funktioniert. Dann heißt es, was anderes zu machen: Entweder einen anderen Hack oder eine andere Methode. Im Kontext "Komplexität" können wir nur ausprobieren, was funktioniert und was nicht (s. Cynefin-Modell). Humanistische Konzepte haben es im brutalen Wirtschaftsalltag - insbesondere bei Veränderungen - bekanntermaßen schwer. Culture Hacking kann dabei zumindest etwas das Leiden verringern, in dem man Spaß hat.

 

Jürgen
Sturany

Sie zeigen eine Möglichkeit auf, vielleicht sogar eine "moderne"? Es scheint mir wichtig zu verstehen, das Kultur ein ERGEBNIS ist. Ein Ergebnis aus dem Handeln jeder einzelnen Person (die Vorbildwirkung des sog. Managagement sei deutlich hervorgehoben)auf dem Teppich der Systeme (Prozesse, Vorschriften, IT-Systeme, PM Systeme, den Möglichkeiten z.B. des Marktes etc.) unter Berücksichtigung der persönliches Verfassung / Motivation / Haltung / Werte (vgl. "Intergraler Ansatz"). Natürlich wirkt dieses Ergebnnis "KULTUR" zurück auf die Handelnden Personen und Systeme. Sie stehen in intensiver, meist selbstverstärkender Wechselbeziehung. Lassen sie uns zum Schluß nicht vergessen: Beziehungen sind das Fundament von Ergebnissen! Die Basis von Beziehungen ist die eigene Haltung, und das Fundament der Haltung sind die inneren Werte. Naja, man könnte auch sagen es menschelt eben... Jedenfalls ein Dankeschön für den Beitrag und die viele Mühe die dahintersteckt!

 

@ Jürgen Sturany: Ja, Kultur ist das Ergebnis, vgl. Vorderbühne/Hinterbühne (Wohland) oder Larman's Laws of Organizational Behavior #4: "Culture follows structure." (http://www.craiglarman.com/wiki/index.php?title=Larman%27s_Laws_of_Organizational_Behavior). Die Frage ist, was können Sie tun, wenn Sie nicht in der Position sind, die Struktur zu ändern? Prinzipiell bleiben immer die drei Möglicheiten: fight, flight or freeze. Im Einzelnen: flight: Woanders ist es oft nicht besser, nur anders. freeze: auf die Dauer auch nicht gesund. Bleibt fight: und da ist es vielleicht besser, spielerisch als offensiv damit umzugehen. Was wollen Sie tun, wenn Sie die Probleme vor Ort erkennen, das Management sich aber abgekapselt und in seine eigene Welt geflüchtet hat (s. Gruppendenken). Da können Sie gegen anrennen und abperlen - oder es mit Hacks auf spielerische weise versuchen. - Dass ich Verhalten als Ausdruck innerer Werte und Sinn sehe, habe ich in meinem Blog mehrfach herausgestellt.