Führungskräftetreffen mit Organisationsentwicklung verbinden Exploratives Lernen statt Expertenvortrag

Soft Skills spielen für die Leistungsfähigkeit komplexer Organisationen eine entscheidende Rolle. Allerdings können sie nicht von oben "verordnet" werden. Dr. Adrian Etter schildert die Gestaltung eines Führungskräftetreffens zum Thema Konfliktmanagement im Rahmen eines OE-Projekts bei den Schweizerischen Bundesbahnen. Der Clou dabei war, dass die Teilnehmer durch das Setting selbst in die Expertenrolle versetzt wurden und sich dadurch gemeinsam das Thema erarbeiteten.

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Führungskräftetreffen mit Organisationsentwicklung verbinden Exploratives Lernen statt Expertenvortrag

Soft Skills spielen für die Leistungsfähigkeit komplexer Organisationen eine entscheidende Rolle. Allerdings können sie nicht von oben "verordnet" werden. Dr. Adrian Etter schildert die Gestaltung eines Führungskräftetreffens zum Thema Konfliktmanagement im Rahmen eines OE-Projekts bei den Schweizerischen Bundesbahnen. Der Clou dabei war, dass die Teilnehmer durch das Setting selbst in die Expertenrolle versetzt wurden und sich dadurch gemeinsam das Thema erarbeiteten.

Maßnahmen zur Organisationsentwicklung (OE) können so konzipiert werden, dass sie die lernende Organisation fördern. "Lernen" kann nicht nur als die Aufnahme von bestehendem Expertenwissen, sondern auch als exploratorisches Lernen inszeniert werden, d.h. als auf dem Austausch der eigenen Erfahrungen beruhenden Kompetenzerwerb. In diesem Beitrag beleuchte ich ein Beispiel exploratorischen Lernens, das beim Führungskräftetreffen einer Business Unit der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) stattfand.

Soft-Skill-Initiative zur Steigerung der Leistungsfähigkeit

Eisenbahntransport-Unternehmen sind mit ihren extrem hohen internen Abhängigkeiten bei der Verkehrssteuerung auf eine reibungsfreie Kooperation zwischen ihren Geschäftsbereichen angewiesen. Das Management kann die Leistungsfähigkeit der Organisation aber nicht alleine auf der Ebene der Ablauf- oder Aufbauorganisation lösen. Dieser Artikel vertritt die Hypothese, dass die Qualität der Zusammenarbeit, die von den sog. "Weichen Faktoren" geprägt wird, einen wesentlichen Anteil an der Leistungsfähigkeit von Unternehmen beiträgt. Je größer und je komplexer das Netzwerk von Arbeitsbeziehungen ist, desto bedeutender ist die Performance dieses Netzwerks (s. Anhang).

Im Folgenden beschreibe ich aus der Perspektive der SBB-internen Beratungsabteilung für Organisationsentwicklung (OE) eine im Jahr 2015 durchgeführte Maßnahme, die im Rahmen einer OE-Initiative zur Stärkung der Soft Skills durchgeführt wurde. Ihren Ausgangspunkt nahm diese Soft-Skill-Initiative in der Business Unit Elektroanlagen (ELA). ELA war zu diesem Zeitpunkt Teil der übergeordneten Business Unit Energie, Telecom und Elektroanlagen (ET) innerhalb der SBB-Division Infrastruktur (I). Der Leiter I-ET-ELA legte großen Wert auf die Weiterentwicklung des Reifegrads seiner Organisation und initiierte deshalb zunächst in seinem Verantwortungsbereich ein Großgruppen-Event zu Soft-Skill-Themen.

Aufgrund der damit gemachten positiven Erfahrungen empfahl der Leiter I-ET-ELA dieses Vorgehen auch für die übergeordnete Business Unit I-ET. Die Business-Unit I-ET verantwortete die bahnspezifische 16,7 Herz Stromproduktion, das zur Fernsteuerung und Kommunikation benötigte Glasfaser- und Funknetz sowie die bahntechnischen Anlagen im Bahnhof und dem Gleisfeld. Diese Geschäftseinheit besaß mehrere Flächenorganisationen, was für die Schweiz Dreisprachigkeit bedeutet. Vor diesem komplexen technischen und organisatorischen Hintergrund kommt den Soft Skills eine besondere Bedeutung zu, weshalb das Top-Management von I-ET die Soft-Skill-Initiative aufgriff und im Jahr 2015 ihr Führungskräftetreffen diesem Thema widmete.

In diesem Artikel beschreibe ich dieses Führungskräftetreffen (in der Schweiz "Kaderanlass") mit 130 Kadern der Business Unit I-ET zu den Themen "Konfliktmanagement" und "Kundenorientierung". Die dabei eingesetzte, ergebnisoffene Form des exploratorischen Lernens sollte den Führungskräften Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten vermitteln und Mut machen für die anstehenden Herausforderungen. In einem so gestalteten Vorgehen wird die anwesende Führungskraft selbst zum Experten für das gesetzte Thema und der eigene Arbeitsalltag wird zum täglichen Trainingsfeld.

Die Konsumhaltung überwinden

Die Inszenierung einer "explorierenden, lernenden Organisation" stellt einige Herausforderungen an das Design einer Großgruppenveranstaltung. Die Teilnehmer erwarten in der bisherigen Tradition solcher Veranstaltungen vermutlich, die Botschaft des Chefs zu hören, ein spannendes Impulsreferat eines Experten zu konsumieren und an einem reichhaltigen Apéro (Schweizer Bezeichnung für Get-together) ihr persönliches Netzwerk weiter auszubauen.

Aber sich selbst unerwartet als Experte in einer Arbeitsgruppe wiederzufinden und gefordert zu sein, zur Bearbeitung eines Themas beizutragen, könnte eine Überraschung sein und Irritation auslösen. Welches Design für eine solche Veranstaltung könnte nun helfen, den Teilnehmern eine Erfahrung als exploratorisch lernende Organisation zu ermöglichen? In den folgenden Abschnitten präsentiere ich einige Gestaltungsideen, die als Anregung für eigene Konzepte zu verstehen sind.

Eröffnung – Leadership Speech mit Themenfokus

Führungsanlässe bei I-ET starteten traditionsgemäß mit der "Leadership Speech" des Leiters. In dieser Sequenz wurde üblicherweise eine Rückschau gehalten, Erreichtes gewürdigt, ein Ausblick in die Zukunft gegeben und die Herausforderungen für das anstehende Jahr kommuniziert (Tabelle 1). Dieses in etwa einstündige Pflichtprogramm absolvierte der Leiter I-ET zusammen mit dem neuen Leiter Telecom auch bei diesem Event, jedoch führte er zum Schluss in die zwei Fokusthemen "Konfliktmanagement" und "Kundenorientierung" ein. Ich beschränke mich im Folgenden nur auf das eine Thema "Konfliktmanagement", um die Darstellung auf das Wesentliche zu beschränken.

Alle Kommentare (1)

Marcel
Betschart

Gutes Fallbespiel, kann ich absolut nachvollziehen!