Ist hybrid das neue traditionell?

Agiles Projektmanagement kennen wir ja alle – das Schlagwort agil durchzog im letzten Jahrzehnt als Modewort und Trend die Projektmanagement-Literatur. Wie es mit Trends so ist, folgt auf einen Trend der nächste. Hybrid lautet das neue Schlagwort. Und die Prophezeiung dazu: Hybrid ist die neue Lösung, um besser zu werden. Doch was heißt das eigentlich?

Ist hybrid das neue traditionell?

Agiles Projektmanagement kennen wir ja alle – das Schlagwort agil durchzog im letzten Jahrzehnt als Modewort und Trend die Projektmanagement-Literatur. Wie es mit Trends so ist, folgt auf einen Trend der nächste. Hybrid lautet das neue Schlagwort. Und die Prophezeiung dazu: Hybrid ist die neue Lösung, um besser zu werden. Doch was heißt das eigentlich?

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Agil war "in", viele Organisationen und Unternehmen wollten ihre Projekte agil durchführen, um besser, schneller und kundenorientierter zu werden.

Ohne viel davon verstanden zu haben, möchte man meinen, aber der Glaube an die Durchschlagkraft der agilen Methoden versetzte Berge. Glaubten viele. Ich hatte manchmal den Eindruck, als würde das Agile Projektmanagement als Lösung für viele bislang ungelöste Problemen gehandelt. Oder zumindest der Glaube daran.

Und man sehe und staune: Agilem Projektmanagement ist der Einzug in die gängigen Projektmanagement-Standards gelungen. Ein beschwerlicher Weg, wie man in einzelnen Fällen beobachten konnte. In der Zwischenzeit hatten sich schon einige experimentierfreudige Unternehmen mit halbherzigen Versuchen, Agilität in der bestehenden hierarchischen Organisation einzuführen, eine blutige Nase geholt.

Die Erkenntnisse daraus? Meiner Ansicht nach hat sich gezeigt, dass eben schnell "ein bisschen agil" nicht geht. Nicht gehen kann, wenn man nicht die eigene Situation analysiert und daraus konkrete Ziele abgeleitet hat, die mit agilen Methoden auch erreicht werden können. Eine weitere Erfahrung ist es, dass in manchen Fällen ein agiles Vorgehen nicht optimal ist, weil die Aufgabenstellung im Projekt nicht unbedingt dazu passt. Erkenntnis Nummer drei: Das bisher praktizierte Konzept des Projektmanagements hat auch seine Vorteile. Überrascht? Sicher nicht.

Sind wir nicht alle ein bisschen … hybrid?

Wie es mit Trends so ist, folgt auf einen Trend der nächste. Hybrid lautet das neue Schlagwort. Und die Prophezeiung dazu: Hybrid ist die neue Lösung, um besser zu werden. Doch was heißt das eigentlich?

Bild: Sind wir nicht alle ein bisschen … hybrid?

Hybrid heißt, mehrere Dinge zu "kreuzen", zu kombinieren oder auch etwas Neues aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammenzusetzen. Bezogen auf Projektmanagement bedeutet hybrid, mehrere Vorgehensmodelle oder Managementansätze zu kombinieren. Häufig wird der Ausdruck verwendet, wenn agile Methoden mit traditionellem (auch klassisch genanntem) Projektmanagement verbunden werden, doch auch die Kopplung mehrerer traditioneller Ansätze ist – genau genommen – ein Hybrid.

In Anbetracht dessen, was ich in Unternehmen an Projektmanagement-Vorgehensmodellen kennengelernt habe, möchte ich behaupten, dass Hybride schon seit langem weiter verbreitet sind als reine Standards. Gefühlt zumindest. Denn die Idee, sich aus verschiedenen (durchaus traditionellen) Vorgehensmodellen das für sich passende herauszusuchen und zu einem eigenen Ansatz zu vereinen, ist sicherlich nicht neu – und hat sich bewährt.

Ist nun hybrid tatsächlich das neue traditionell?

Prof. Dr. Ayelt Komus von der Hochschule Koblenz beobachtet seit einigen Jahren die Integration agiler Methoden in das Projektmanagement von Unternehmen. Mit seiner internationalen Studie "Status Quo Agile", die er seit 2015 jährlich neu auflegt, zeigt er deutlich auf, wie "hybridisiert" das Projektmanagement schon ist (siehe dazu auch den Fachbeitrag "Studie 'Status Quo Agile' – wie werden agile Methoden in der Praxis eingesetzt?". Der Siegeszug agiler Methoden zeigt sich dabei auch in IT-fernen Fachbereichen.

Interessant finde ich Ergebnisse wie: "Die deutliche Mehrheit der Anwender agiler Methoden nutzt diese selektiv oder in einer Mischform." (nachzulesen unter http://www.status-quo-agile.de)

Agil und hybrid sind neue Kapitel der Erfolgsgeschichte des Projektmanagements

Selbst große Unternehmen wie die Robert Bosch Group haben die agilen Werte für sich entdeckt und sind dabei, die agile Transformation für das eigene Unternehmen zu wagen. Beeindruckend zeigen sie auf, was möglich ist, wenn man den Mut besitzt, sich auf Agilität als Führungsprinzip einzulassen.

Ob ein so großes Unternehmen auf diesem Weg schließlich zu einem komplett agilen Unternehmen mutieren kann, wird sich zeigen. Im Moment ist eher die Vielfalt der angewandten Vorgehensmodelle, bestehend aus unterschiedlichsten Kombinationen traditioneller und agiler Methoden und Ansätze das, was sich durchzusetzen scheint.

Aus meiner Sicht ist dies die Fortführung der Erfolgsgeschichte des Projektmanagements als einem auf Best Practices beruhendem Modell; denn Projektmanagement zeichnet gerade die Eigenschaft aus, sich an die Bedürfnisse von Unternehmen und Organisationen anpassen zu lassen und daraus neue Ansätze auf Basis guter Erfahrungen hervorzubringen. Und ich finde es sehr spannend, zu beobachten, was sich in Zukunft noch alles entwickeln wird.

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Alle Kommentare (10)

Rainer
Lingmann

Ich möchte eine große Gefahr zur Diskussion stellen, die ich bei hybriden Ansätzen sehe. Hybrid bedeute, schreiben Sie, "sich aus verschiedenen Vorgehensmodellen das für sich passende herauszusuchen". Was heißt "passend"? Oft genug ist passend das, was nicht weh tut. Das kann zur Konsequenz haben, dass gerade von agilen Methoden die Elemente weggelassen werden, deren Einführung echte Anstrengung und Veränderung bdeuten würde - aber vielleicht auch die größte Wirksamkeit hätte. Ich gebe ein Beispiel aus unserem Unternehmen. Da hatte ein Projektmanager "Sprints" eingeführt - aber dem Team nicht die Planungshoheit darüber gelassen, welcher Leistungsumfang in einem Sprint umgesetzt werden kann. Das hatte immer noch er im Sinne des Auftraggebers vorgegeben (und noch pro forma das Team gefragt, ob das okay ist, was aber alle als Scheinfrage erkannten und mit "muss ja" antworteten). Das hatte zur Folge, dass das Projekt aus einer Folge von zweiwöchigen Todesmärschen bestand, an deren Ende jeweils noch Arbeit übrig blieb oder noch viele Fehler enthielt. Es gab also auch keine Möglichkeit aus den Sprints zu lernen und eine empirische Planung abzuleiten. Es waren also im Sinne des Erfinders gar keine Sprints mehr. Ich kann es auch anders formulieren: in hybriden Ansätzen wird das, was weggelassen wird, vorher oft nicht einmal ernsthaft ausprobiert, weil man ja schon weiß, dass es "zu uns nicht passt".

 

Guest

Guten Morgen Herr Lingmann, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu - ich bin weit davon entfernt, Experimente gutzuheißen, die auf Unwissen basieren und die Beteiligten dazu nötigen, sich auf halbwegs verstandene einzelne Methodiken einzulassen. Im Gegensatz zu einer schnellen Verwurstung von Scrum-Methoden wäre eine intensive Auseinandersetzung mit dem so genannten Agilen Mindset empfehlenswert, denn der eine oder andere agile Ansatz ließe sich meiner Ansicht nach gut in ein traditionelles Vorgehensmodell integrieren.

 

Hallo Frau Niklas, Hallo Herr Lingmann, ich bin überzeugter hybrider PM. Das bedeutet für mich zum einen meinen Methodenkoffer zu "verdoppeln" - agil + klassisch = hybrid - und auch situativ richtig zu nutzen. Egal ob man rein agil oder klassisch vorgehen will, es muss auf das Problem passen, was das Projekt lösen soll. Dazu gehört eben auch das Vorgehen selber. 100 Scrum passt meiner Beobachtung nach extrem selten. Genauso wie der sogenannte "100%-Wasserfall" immer passt. Es geht vielmehr um das Agile Mindset (was man aus Scrum nicht ableiten kann - nur umgekehrt) - eine Kulturänderung der inneren Einstellung (vom Team bis zum Top-Mgmt). So gesehen bin ich sehr bei Ihnen Frau Niklas. Wenn jemand Scrum nach Handbuch macht und das Agile Mindset nicht lebt, wird keine Erfolge ernten.

 

Guest

Bezüglich des agilen Projektmanagements und deren Umsetzung kann ich in vielen Punkten Frau Niklas nur zustimmen. Meine Erfahrungen in den Unternehmen sind: alle wollen besser, schneller und kundenorientierter werden, in manchen Projekten passt die Aufgabenstellung oder die ganze Prozesskettenwelt nicht zu rein agilen Methoden und in einem streng hierarchischen Unternehmen ist agile Führung nur auf dem Papier möglich. Vernachlässigt wird allerdings vielerorts die Operationalisierung des Begriffs und "agil" verkommt zu einem fadenscheinigen neuen Etikett für schneller, höher, weiter. Letztendlich wird sich die Hybridform überall durchsetzen ebenso wie die Methode Lean Management eine Selbstverständlichkeit geworden ist www.systemisches-arbeiten.de

 

Holger
Timinger
Prof. Dr.

Der positiv besetzte Begriff "agil" wird in der Praxis allzuoft missbraucht: Späte Änderungen, fehlende Anforderungen etc. werden mit der Aussage "wir arbeiten doch agil" gerechtfertigt. Je nach Konstellation lassen sich viele Dinge aber durchaus mittel- und langfristig planen. Dies erfordert in der Praxis vergleichbar viel Disziplin von den Beteiligten, wie das Befolgen der vielen Regeln von Scrum & Co. Insofern kann ich die Aussage, das "für sich passende [Vorgehensmodell]" auszusuchen durchaus nachvollziehen, solange - da gebe ich Herrn Lingmann recht - das "passend" nicht seinerseits missbraucht wird. Persönlich schätze ich die agilen Werte sehr. Gleichzeitig habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Stakeholder eine gewisse Planbarkeit wünschen. Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen, situativ zu entscheiden, in welchen Situationen rein agile, rein planbasierte oder hybride Kombinationen daraus eingesetzt werden sollen. Allerdings setzt dies eine hohe Projektmanagementreife der Projektbeteiligten voraus.

 

Guest

Ich stimme den vorigen Kommentaren zu. Alle Elemente (Rollen, Ereignisse und Artefakte) von Scrum haben ihren Sinn und Nutzen. Welchen Sinn die einzelnen methodischen Elemente haben sollte man verstanden haben, bevor man sich von ihnen abwendet. Nicht selten führt die Unkenntnis bzw. ungenaue Anwendung der Methodik zu Problemen. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass Scrum in vielen Nicht-IT-Kontexten nur in angepasster Form nutzbar ist. Jede Form von Dogma bezüglich agilen Methoden passt nicht zum agilen Mindset. Jedoch braucht es erfahrene Agile Coaches, die in der Lage sind, mit dem Unternehmen reflektierte Anpassungen vorzunehmen, ohne die Grundprinzipien zu missachten. Denn mit jeder Abweichung oder Anpassung von Scrum ist die Gefahr verbunden, dass Probleme auftreten, die mit einer Scrum-Anwendung im Sinne der Erfinder hätten vermieden werden können. Ich empfehle daher bei jeder Anpassung: Achten Sie darauf, dass die agilen Werte und agilen Prinzipien erhalten bleiben. Methoden sind anpassbar, Werte und Prinzipien nicht. www.wandelraum.de

 

Guest

Dann sind wir ja alle beieinander :-) Und zumindest ist Projektmanagement nicht das Gegenteil oder der Feind von Agil, wie manche Dogmatiker ignorant nicht müde werden, zu behaupten. Wenn ich jetzt mal einfach behaupte, dass gute Projektmanager nicht nur aus ihren Erfahrungen, sondern auch aus möglichst vielen verschiedenen Best Practices gelernt haben, und dass sie diese dann auch je nach spezifischer Projektsituation virtuos einsetzen (können), dann bleibt ja "nur" das Zitat der Autorin: "Aus meiner Sicht ist dies die Fortführung der Erfolgsgeschichte des Projektmanagements als einem auf Best Practices beruhendem Modell; denn Projektmanagement zeichnet gerade die Eigenschaft aus, sich an die Bedürfnisse von Unternehmen und Organisationen anpassen zu lassen und daraus neue Ansätze auf Basis guter Erfahrungen hervorzubringen." In diesem Sinne: Lasst uns weiter gutes Projektmanagement machen ! www.der-Projekt-Sanierer.de

 

Guest

Ich freue mich sehr über die Diskussion und Ihre Beiträge. Das Schlusswort von Herrn Bauer "Methoden sind anpassbar, Werte und Prinzipien nicht" hat bei mir Kopfkino ausgelöst - ich sah vor mir, wie jemand diesen Satz ein paar Hundert mal an eine römische Mauer pinseln musste :-). Die Hürde, Agile Werte und Prinzipien wirklich zu verstehen - also zu durchdringen und nicht nur an der Oberfläche zu bleiben - ist nicht leicht zu überwinden; so jedenfalls meine eigene Erfahrung. Die Bereitschaft, sich auf eine kritische Selbstreflexion einzulassen, sehe ich als wesentlich an, um die (durchaus liebgewonnenen, als erfolgreich erlebten) Prinzipien und Methoden einmal hinter sich zu lassen, um sich auf Neues einzulassen. Und dann auch die neuen Erkenntnisse kritisch zu hinterfragen und daraus zu lernen. Das Agile "BUILD - MEASURE - LEARN". Ein anderer Name für Best Practice... In diesem Sinne - erfolgreiche Projektarbeit!

 

Guest

Das Bild, die agilen Werte und Prinzipien an eine römische Mauer pinseln zu lassen ist witzig. :-) Ob das jedoch dazu beiträgt, diese im Unternehmen zu verankern? Wohl eher nicht. Und doch ist die Auseinandersetzung mit den agilen Werten und Prinzipien aus meiner Sicht essentiell für jede agile Transformation. Scrum oder hybrid ist nicht nur ein Toolset, sondern zum allergrößten Teil ein Mindset. Kürzlich hat eine Teilnehmerin in meinem Scrum Seminar folgendes Schluss-Feedback gegeben: "Jetzt verstehe ich, wieso es auf die agilen Werte und Prinzipien ankommt, damit Scrum zum Fliegen kommt." Zusätzlich ist das Prinzip "Inspect and adapt" auch bei der Einführung von Methoden eine gute Empfehlung. Auch Spotify ist einst mal mit Scrum nach Lehrbuch gestartet und hat heute etwas ganz Eigenes daraus gemacht. www.wandelraum.de