Studie führt knapp 80 hybride Vorgehensmodelle auf Hybride Vorgehensmodelle strukturiert überprüfen oder neu entwickeln

Hybride Vorgehensmodelle strukturiert überprüfen oder neu entwickeln

Bei hybridem Projektmanagement werden Methoden verbunden, die ursprünglich aus unterschiedlichen Vorgehensmodellen stammen. Mit den Praxis-Daten der hier vorgestellten Studie zu 79 Vorgehensmodellen können Projektleiter und -berater ihr aktuelles Vorgehensmodell reflektieren. Mit der vorgestellten SIMOC-Methode können sie sich zudem maßgeschneiderte hybride Vorgehensmodelle zusammenstellen.

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Studie führt knapp 80 hybride Vorgehensmodelle auf Hybride Vorgehensmodelle strukturiert überprüfen oder neu entwickeln

Hybride Vorgehensmodelle strukturiert überprüfen oder neu entwickeln

Bei hybridem Projektmanagement werden Methoden verbunden, die ursprünglich aus unterschiedlichen Vorgehensmodellen stammen. Mit den Praxis-Daten der hier vorgestellten Studie zu 79 Vorgehensmodellen können Projektleiter und -berater ihr aktuelles Vorgehensmodell reflektieren. Mit der vorgestellten SIMOC-Methode können sie sich zudem maßgeschneiderte hybride Vorgehensmodelle zusammenstellen.

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Auftraggeber und Projektsponsoren erwarten vor neuen Projekten häufig eine Entscheidung für ein konkretes, optimales Projektmanagement-Vorgehensmodell.

Daraus ergeben sich u.a. folgende Fragen:

  • Ist ein etabliertes Vorgehensmodell optimal, weil es alle Methoden beinhaltet, die im Projekt benötigt werden?
  • Muss ein Vorgehensmodell an die individuellen Projektgegebenheiten angepasst werden?
  • Muss ein Vorgehensmodell um einzelne Methoden aus einem anderen Vorgehensmodell ergänzt werden?
  • Sind einzelne Methoden eines Vorgehensmodells überflüssig im vorliegenden Projekt?
  • Müssen Methoden aus mehreren Vorgehensmodellen zu einem komplett neuen Modell kombiniert werden und wenn ja, welche?

Für die Auswahl des optimalen Vorgehensmodells für ein Projekt existieren mehrere Modelle. Dazu gehören beispielsweise die fünf kritischen Faktoren nach Boehm und Turner sowie die Parameter nach Špundak (zu beiden später mehr). Die Modelle liefern Hinweise darauf, welche Projektphilosophie (agil, traditionell, hybrid) am besten zum Projekt passt.

Die Modelle können allerdings lediglich bei der Abwägung unterstützen, ob man eher ein agiles, traditionelles oder hybrides Vorgehensmodell nutzen sollte. Denn bei den wenigsten Projekten weisen alle Parameter eindeutig auf ein konkretes Vorgehensmodell hin. Auch können diese keine Anleitung liefern, wie man ein individuelles hybrides Vorgehensmodell erstellt, das optimal zum jeweiligen Projekt passt.

Die in diesem Beitrag vorgestellte Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche Projektmanagement-Vorgehensmodelle in der Praxis miteinander kombiniert und damit als "Hybrides Projektmanagement-Vorgehensmodell" verwendet werden. Darüber hinaus wird untersucht, welche Methoden der jeweiligen Vorgehensmodelle auch noch im hybriden Vorgehensmodell zum Einsatz kommen.

Die Ergebnisse der Studie unterstützen das Forschungsprojekt PRAGUE ("Self-Service-Konfiguration von Projektmanagementmethode und -werkzeug"). Es wird vom BMBF gefördert und ist eines der größten Forschungsprojekte im Bereich Projektmanagement in Deutschland.

Die von mir im vergangenen Jahr durchgeführte Umfrage "Methoden im hybriden Projektmanagement" deutet darauf hin, dass sich bereits viele Unternehmen die Mühe machen, ein individuelles Vorgehensmodell zu konzipieren, wenn ein Projekt einer hybriden Projektphilosophie entspricht (Blust & Kan 2019, S. 172).

In diesem Beitrag werden die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage für die Projektpraxis vorgestellt. Zudem wird gezeigt, wie die Forschungsergebnisse genutzt werden können, um ein bereits bestehendes Vorgehensmodell auf seine Eignung zu prüfen sowie um die Neukonstruktion eines individuellen hybriden Vorgehensmodells zu unterstützen.

Zunächst stelle ich die bestehenden Modelle zur Auswahl einer Projektphilosophie vor, weil diese Sie dabei unterstützen können, ein passendes Vorgehensmodell auszuwählen.

Begriffe und Modelle im hybriden Projektmanagement

Traditionell, agil, hybrid – welche Projektphilosophie ist besser?

Diesem Beitrag liegt die Haltung zugrunde, dass jede Projektphilosophie ihre Berechtigung hat und keine besser als eine andere ist. Welche Projektphilosophie am besten passt, hängt vom Projektkontext ab, z.B. von der Häufigkeit der Änderungen am Produkt (viele Änderungen sprechen für einen agilen Ansatz) oder der Klarheit der Anforderungen zu Projektbeginn (je klarer die Anforderungen, desto mehr spricht dies für einen traditionellen Ansatz).

Begriffsklärung

In der Praxis werden die Begriffe "Vorgehensmodell" und "Methode" oft gleichbedeutend verwendet. Um die Bezugspunkte der Auswertungen und Modelle in diesem Beitrag deutlich voneinander abzugrenzen, erfolgt hier eine Begriffsklärung: Methoden werden als die Bestandteile eines Vorgehensmodells betrachtet. Nach diesem modularen Verständnis besteht andersherum ein Vorgehensmodell (z.B. Scrum, Kanban etc.) aus mehreren Methoden (z.B. Sprint Planning, Work in Progress etc.).

Unter hybridem Projektmanagement verstehen viele die Kombination traditioneller und agiler Vorgehensmodelle und Methoden. Ich fasse hybrides PM weiter und zähle auch rein agile Vorgehensmodelle dazu, wenn sie aus Methoden mehrerer agiler Vorgehensmodelle bestehen. Analog definiere ich rein traditionelle hybride Vorgehensmodelle als solche, die Methoden mehrerer traditioneller Vorgehensmodelle kombinieren.

Hybride Vorgehensmodelle kombinieren Methoden mehrerer Vorgehensmodelle, deren Herkunft spielt bei der Definition keine Rolle
Bild 1: Hybride Vorgehensmodelle kombinieren Methoden mehrerer Vorgehensmodelle, deren Herkunft spielt bei der Definition keine Rolle

 

Vier Modelle zur Auswahl der passenden Projektphilosophie

Zur Beantwortung der Frage nach einer passenden Projektphilosophie können mehrere Parameter oder Modelle herangezogen werden:

  • Die 5 Kritischen Faktoren nach Boehm und Turner können dabei helfen zu entscheiden, ob eine traditionelle oder eine agile Vorgehensweise bessere Dienste leistet. Die fünf Faktoren dafür sind "Projektgröße", "Kritikalität der Produktsicherheit", "Dynamik" (bzw. Anzahl Änderungen), "Qualifikationsgrad von Mitarbeitern" und das "Freiheitsbedürfnis von Mitarbeitern". Demnach kommt für ein großes Projekt eher ein traditionelles Vorgehen in Frage. Bei kleinen Teams sprechen die Faktoren für eine agile Vorgehensweise (Boehm & Turner 2003, 51ff.). Bei unterschiedlich ausgeprägten Faktoren ergibt sich keine klare Empfehlung, z.B. wenn das Produkt sicherheitskritisch ist (spricht für traditionelles PM) und gleichzeitig die Anforderungen häufig geändert werden (agiles PM).
  • Špundak geht nach dem gleichen Prinzip vor, arbeitet aber mit acht Faktoren. Dazu gehören die "Verfügbarkeit der Anwender", die "Notwendigkeit einer Dokumentation", die "Unterstützung der Organisation durch bestehende Prozesse", "Fluktuation", die "Komplexität oder Linearität des Projektplans" und einzelne Faktoren von Boehm und Turner (Špundak 2014, S. 945).
  • In der Praxis besonders bekannt ist die Einordnung von Projekten in komplex, kompliziert, chaotisch und einfach, in Anlehnung an das Cynefin-Framework (siehe Glossar sowie Snowden 2002, S. 104). Diese Einordnung deckt sich nahezu mit der ebenfalls bekannten Stacey Matrix nach Ralph D. Stacey (Stacey & Mowles 2016, siehe dazu "Mit der Stacey-Matrix zur richtigen PM-Methode").
  • Selten wird ein Projekt nach den vier Quadranten von Wysocki bewertet. Ich erwähne dieses Modell, weil es einige für die Produktentwicklung relevante Projektarten abdeckt. Die Quadranten ergeben sich aus der Kombination von jeweils klaren oder unklaren Projektzielen und Lösungen. Jeder Quadrant repräsentiert eine andere Anwendungsform von Projektmanagement. Vorhaben mit unklarer Lösung und klaren Zielen (z.B. hoch komplexe Produktentwicklungsprojekte) werden dem Modell nach beispielsweise am besten mit agilen Vorgehensweisen bearbeitet. Projekte mit klaren Zielen und einem bekannten Lösungsweg (z.B. wenig komplexe Bauprojekte mit umfassenden Erfahrungswerten aus vorangegangenen, gleichartigen Projekten mit ähnlichen Rahmenbedingungen) sind mit ausreichend Fachwissen planbar und deshalb gut mit klassischen Vorgehensmodellen bearbeitbar (Wysocki 2014, S. 8).

In den Handbüchern der einschlägigen Anbieter von Vorgehensmodellen (z.B. dem PMBOK Guide des PMI – Project Management Institute), wird üblicherweise angegeben, für welche Projekttypen das Vorgehensmodell geeignet ist. Die Recherche nach einem am besten passenden Vorgehensmodell ist dadurch theoretisch möglich. In der Praxis werden die Vorgehensmodelle aber oft als tauglich für alle Projektarten bezeichnet, was die Auswahl erschwert.

Mechanismen zur Auswahl von Methoden

Eine logische Ebene tiefer, also auf der Ebene der Methoden, gibt es folgende Mechanismen:

  • Im Ordnungsrahmen für hybrides Projektmanagement nach Timinger und Seel (genannt HyProMM) sind alle potentiell relevanten Projektmanagementprozesse aufgeführt und nach Projektphasen, Führungs- und kontinuierlichen Prozessen strukturiert. Hinter jedem Prozess verbergen sich mehrere Methoden [7, 151ff.]. Der Ordnungsrahmen kann verwendet werden, um für jeden Prozess in einem Projekt die dort benötigte Methode aufzuzeigen; über diese Auswahl kann anschließend diskutiert werden.
  • Die nach Diebold et al. zielorientierte Nutzung eines Baukastens, der aus überwiegend agilen Methoden besteht (vgl. Diebold et al. 2016). Dabei liegt der Fokus auf der schrittweisen Einführung neuer Methoden im Rahmen bestehender Vorgehensmodelle.

Noch ungeklärte Fragen

Bei den beschriebenen Modellen zur Auswahl einer Projektphilosophie widersprechen in den meisten Fällen einzelne oder mehrere Parameter einer rein agilen oder rein traditionellen Ausrichtung. Dadurch stellt sich die Frage, ab welcher Anzahl an Abweichungen von einer hybriden Ausrichtung des Projekts gesprochen werden kann oder muss. Offen bleibt zudem die Frage, wie ein hybrides Vorgehensmodell aufgebaut sein soll. Zudem wollte ich wissen, welche Methoden in den hybriden Modellen aus welchen Gründen angewandt werden.

Die Umfrage "Methoden im hybriden Projektmanagement"

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Alle Kommentare (2)

Nils
Tißen

Die Motivation hinter hybriden Ansätzen im Projektmanagement ist es häufig, die Vorteile von Agilität mit der Sicherheit der bekannten Vorgehensweisen zu kombinieren. Das Management denkt dann in einer Formwl, wie… Scrum + Prince2 = Geschwindigkeit * niedriges Risiko. Leider widersprechen sich die Ansätze und heben einander auf. Es wird keines, der gewünschten Ergebnisse erzielt.

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https://www.me-company.de/magazin/scrum-events/

Markus
Kopko

... zu dem Forschungsprojekt PRAGUE bzw. PRAGUE II.
Meine Internet-Recherche bringt da leider nichts greifbares zu Tage.

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Danke und Gruss,

Markus Kopko