Was haben Truthennen und Menschen gemeinsam? Der Klick-Surr-Effekt – wie wir besser zuhören können

Zuhören ist eine Kompetenz. Nur wer seinem Gesprächspartner aufmerksam zuhört, kann Neues lernen, Konflikte lösen und Einblicke in das Denken seines Gegenübers gewinnen. Doch in unserer hektischen Arbeitswelt fällt uns konzentriertes Zuhören immer schwerer. Was wir dagegen tun können, zeigt Gaby Graupner in diesem Tipp.

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Was haben Truthennen und Menschen gemeinsam? Der Klick-Surr-Effekt – wie wir besser zuhören können

Zuhören ist eine Kompetenz. Nur wer seinem Gesprächspartner aufmerksam zuhört, kann Neues lernen, Konflikte lösen und Einblicke in das Denken seines Gegenübers gewinnen. Doch in unserer hektischen Arbeitswelt fällt uns konzentriertes Zuhören immer schwerer. Was wir dagegen tun können, zeigt Gaby Graupner in diesem Tipp.

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Truthennen haben drei große Feinde: Stinktiere, den Menschen und Thanksgiving. Lassen wir den Menschen und Thanksgiving einmal außen vor und widmen wir uns nur den Stinktieren. Lässt sich ein solches blicken, greift die Henne es sofort an.

Wenn es um ihre Küken geht, sind Truthennen wiederum äußerst liebevolle Mütter. Die Henne umhegt und pflegt die Kleinen, solange sie "Tschiep, Tschiep" machen. Hört das Küken allerdings aus welchen Gründen auch immer auf, für längere Zeit zu piepen, wird es von der Mutter nicht mehr beachtet.

Dieser Umstand veranlasste Wissenschaftler dazu ein Experiment durchzuführen: Sie zogen ein ausgestopftes Stinktier an einer Truthenne vorbei, die sich sofort mit Energie und einer gehörigen Portion Wut auf den vermeintlichen Feind stürzte. Außer...!? Außer im Inneren des ausgestopften Stinktiers befand sich ein Tonbandgerät, mit dem das Stinktier Tschiep-Laute von sich gab. Sofort versuchte die Truthahnmutter das "Küken" zu hegen und zu pflegen.

Robert Cialdini beschreibt dieses Verhalten in seinem Buch "Die Psychologie des Überzeugens" als "Klick-Surr-Effekt". Es ist wie bei einem Bandgerät: Man drückt den Knopf und schon läuft das Band ab. Für die Truthenne bedeutet das: Tschiep, tschiep – Achtung, hegen, pflegen, füttern!

Was hat das mit uns zu tun?

Nun mögen Sie sich vielleicht denken: arme Henne. Doch leider betrifft dieser Klick-Surr-Effekt nicht nur die Truthenne, sondern auch uns. Denn beinahe täglich begegnet uns dieser Effekt in Gesprächen mit unseren Mitmenschen. Vielleicht kennen Sie das: Sie sitzen mit Freunden zusammen und berichten von Ihrer Urlaubsreise. In einem kleinen, romantischen Restaurant haben Sie ein exquisites Fischgericht genossen und konnten sogar in einem netten Plausch mit dem Koch das Geheimnis lüften, wie der Fisch zubereitet wurde, da rauscht ein Freund mit Karacho frontal in Ihre Geschichte rein: "Ach Kinder, apropos Fisch essen, ich wäre beinahe letzte Woche an einer Gräte erstickt, wenn da nicht…"

Bitte schön: der Klick-Surr-Effekt. Ein Gesprächspartner gibt bestimmte Wörter, Hinweise, Erlebnisse oder eine Meinung von sich, schon wird in unserem Gehirn ein Knopf gedrückt und das Band läuft ab. Ihr Kollege berichtet an der Kaffeemaschine von einem außergewöhnlichen Kundeneinwand, den bisher noch kein Kunde gebracht hat... – Klick-Surr – und gleich denken Sie an alle eingeübten Einwandbehandlungen und checken im Kopf ab, was Sie geantwortet hätten. Oder Ihr Sohn erzählt von einem gemeinen Mitschüler… – Klick-Surr – fällt Ihnen der cholerische Herr Knurr aus der Chefetage ein und was Sie ihm am liebsten neulich nach dem Meeting gesagt hätten.

Zuhören ist eine Kompetenz!

Der Klick-Surr-Effekt und die daraus entstehenden Automatismen sind einer der wichtigsten Gründe, warum es uns so häufig misslingt, unserem Gesprächspartner echtes Interesse entgegenzubringen und aufmerksam zuzuhören. Dabei trägt kompetentes Zuhören viel zu unserem persönlichen Erfolg bei.

So heißt es z.B. auf der Webseite der Stiftung Zuhören: "Zuhören ist eine Basiskompetenz. Wer sich unterhalten will, muss zuhören können. Wer etwas lernen will, muss zuhören können. Wer Neues verstehen will, muss zuhören können. Zuhören heißt, sich zu konzentrieren, sich auf ein Gegenohr einzulassen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Wer zuhört, erweitert seinen Horizont, eröffnet sich neue Welten und gewinnt Einblick in das Denken anderer Menschen. Zuhören hilft bei der Lösung von Konflikten, fördert den zwischenmenschlichen Dialog und belebt den gesellschaftlichen Austausch."

Zuhören tut auch in Projekten gut

Neues verstehen? Wichtiges von Unwichtigem trennen? Konflikte lösen? Den Dialog fördern? Alles Dinge, die wir besonders im Projektmanagement gut gebrauchen könnten! Wie viele Missverständnisse oder falsch eingeschlagene Wege hätten sich vermeiden lassen, wenn wir nur einander besser zugehört hätten?

Ein Beispiel: Der Kunde äußert am Telefon eine neue Idee und möchte diese noch gerne mit ins Projekt aufnehmen. Es fällt ein Schlagwort, in unserem Kopf läuft das Band ab, wir hören gar nicht mehr richtig hin und versprechen bis nächste Woche ein Konzept vorzubereiten. Das lehnt der Kunde dann schließlich ab, weil wir die entscheidenden letzten 15 Sekunden seiner Ausführungen verpasst haben.

Wie viel hören wir überhaupt zu?

Alle Kommentare (4)

Elisabeth
Wagner

Ernstes Thema, inhaltlich interessant aufgearbeitet und so geschrieben, dass man lachen muss ... Schön!

 

Gaby S.
Graupner

@Herrn Dr. Hunziker und @Eliabeth Wagner: Herzlichen Dank für die anerkennenden Worte. Eine schöne Adventszeit wünsche ich Ihnen

 

Elisabeth
Buchta

Exzellenter Artikel, der zum Nachdenken anregt, gute Bilder liefert und wirklich gute praktische Tipps anbietet.