Ein Lastenheft professionell erstellen

Das Lastenheft beschreibt das angestrebte Projektergebnis. Es wird vom Auftraggeber erstellt und ist eines der zentralen und unverzichtbaren Projektdokumente. Dennoch scheuen viele vor dem Aufwand zurück, der mit seiner Erstellung verbunden ist. Der Nutzen eines professionellen Lastenhefts übertrifft aber diesen Aufwand bei weitem. Zudem enthält bei einem systematischen Vorgehen das Lastenheft ausschließlich Informationen der ohnehin nötigen Projektplanung. Dr. Georg Angermeier beschreibt in diesem Artikel, was ein Lastenheft genau ist, welchen Nutzen es hat und was alles in ihm enthalten sein sollte.

Ein Lastenheft professionell erstellen

Das Lastenheft beschreibt das angestrebte Projektergebnis. Es wird vom Auftraggeber erstellt und ist eines der zentralen und unverzichtbaren Projektdokumente. Dennoch scheuen viele vor dem Aufwand zurück, der mit seiner Erstellung verbunden ist. Der Nutzen eines professionellen Lastenhefts übertrifft aber diesen Aufwand bei weitem. Zudem enthält bei einem systematischen Vorgehen das Lastenheft ausschließlich Informationen der ohnehin nötigen Projektplanung. Dr. Georg Angermeier beschreibt in diesem Artikel, was ein Lastenheft genau ist, welchen Nutzen es hat und was alles in ihm enthalten sein sollte.

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Das Lastenheft, engl. Statement of Work, beschreibt das angestrebte Projektergebnis. Es wird vom Auftraggeber erstellt und ist eines der zentralen und unverzichtbaren Projektdokumente. Dennoch scheuen viele vor dem Aufwand zurück, der mit seiner Erstellung verbunden ist. Der Nutzen eines professionellen Lastenhefts übertrifft aber diesen Aufwand bei weitem. Zudem enthält bei einem systematischen Vorgehen das Lastenheft ausschließlich Informationen der ohnehin nötigen Projektplanung. Dieser Artikel beschreibt, was ein Lastenheft genau ist, welchen Nutzen es hat und was alles in ihm enthalten sein sollte.

Das Lastenheft, das unbekannte Wesen

In der Theorie ist es ganz einfach. Gemäß DIN 69905 ist das Lastenheft die "Gesamtheit der Forderungen an die Lieferungen und Leistungen eines Auftragnehmers". Die amerikanischen Norm, der PMBOK Guide definiert den analogen Begriff "Statement of Work" ähnlich der DIN als "a narrative description of products, services or results to be supplied" ("eine erzählende Beschreibung der Produkte, Dienstleistungen oder Ergebnisse, die zu liefern sind").

Der Auftraggeber schreibt also seine Anforderungen in das Lastenheft. Er versendet es anschließend als geschlossene Ausschreibung an einen festen Kreis potentieller Auftragnehmer oder er führt eine öffentliche Ausschreibung durch.

Die Anbieter geben dann ihre Angebote und Pflichtenhefte ab. Diese enthalten gemäß DIN 69905 die vom "Auftragnehmer erarbeiteten Realisierungsvorgaben" und beschreiben die "Umsetzung des vom Auftraggeber vorgegebenen Lastenhefts".

Nach der Entscheidung für einen Anbieter schließen Auftraggeber und Auftragnehmer einen Vertrag ab, der eigentlich nur noch aus Lastenheft, Pflichtenheft, der Preisvereinbarung und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vertragspartner zu bestehen braucht. In einfachen Projekten sind dies bereits alle erforderlichen Dokumente.

So einfach ist das - in der Theorie. In der Praxis wissen die meisten weder, was ein Lastenheft genau ist, noch kennen sie den Unterschied zwischen ihm und dem Pflichtenheft. Oft wird das Lastenheft irrtümlich mit einem mehr oder weniger unverbindlichen Grobkonzept gleichgesetzt und das Pflichtenheft als die Detailplanung angesehen (vgl. z.B. in Wikipedia, de.wikipedia.org ).

Hinzu kommt die Unsicherheit des Ausschreibenden über seine eigenen Anforderungen. Er gleicht manchmal dem Fahrgast, der sich in ein Taxi setzt und dem Fahrer die Anweisung gibt: "Ich habe es eilig, fahren Sie so schnell Sie können." Auf die Frage des Taxifahrers, wohin er denn wolle, antwortet er dann: "Das weiß ich nicht - Sie sind doch der Fahrer!"

Als Folge entstehen die bekannten Probleme:

  • Das erzielte Ergebnis entspricht nicht der Vorstellung des Auftraggebers, da diese unzureichend spezifiziert waren.
  • Nachforderungen des Auftragnehmers für nicht spezifizierte Leistungen führen zu Kostensteigerungen.
  • Reibungsverluste durch nicht abgestimmte Vorgehensweisen führen zur Überschreitung des Endtermins.

Kurz: Das so genannte "Magische Dreieck" des Projektmanagements aus Zeit, Aufwand und Ziel ist zu einem Teufelskreis aus gegenseitigen Nachforderungen, Streitereien und Gerichtsprozessen geworden.

Allerdings ist das Lastenheft auch kein Allheilmittel und es wird immer Fragen geben, die sich erst im Laufe der Projektdurchführung klären lassen. Das Lastenheft liefert keine Lösungen, aber es benennt und beschreibt die Anforderungen sowie Probleme und enthält die aktuell anstehenden Aufgaben. Es ist ein Arbeitsinstrument für das Projektmanagement und Kommunikationsmedium zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Die Last mit dem Lastenheft - Wozu der ganze Aufwand?

Ein Lastenheft zu erstellen bedeutet zweifellos einen hohen Aufwand. Die Versuchung ist groß, diese Arbeit auf den Auftragnehmer abzuwälzen. Der Auftraggeber gibt dabei den Anbietern nur ein kurzes Briefing seiner Vorstellungen und erwartet mit dem Angebot zugleich ein kombiniertes Lasten- und Pflichtenheft. Für den Auftragnehmer ist dies vorteilhaft, denn er kann selbst definieren, was er alles liefert. Der Auftraggeber läuft Gefahr, Leistungen untergeschoben zu bekommen, die er eigentlich gar nicht benötigt.

In der Regel zahlt sich der Aufwand für die eigene Erstellung eines Lastenhefts für den Auftraggeber mehrfach aus:

  • Für das Lastenheft müssen alle Anforderungen genau formuliert werden. Dabei stößt man unter Umständen bereits auf eine einfachere Lösung (z.B. Veränderung von Prozessen) und kann unnötige Projekte und Investitionen vermeiden.
  • Das Lastenheft ist eine qualifizierte Grundlage für die Make-or-Buy-Entscheidung.
  • Der Projektleiter des Auftraggebers erzielt mit einem qualifizierten Lastenheft wesentlich leichter die interne Freigabe der benötigten Finanzmittel, weil er darlegen kann, welches Ziel mit der Auftragsvergabe verfolgt wird und aus welchen Gründen der Auftrag nicht intern vergeben werden kann.
  • Der Auftraggeber definiert im Lastenheft, welche Leistungen er wirklich benötigt ("need to have") und charakterisiert Zusatzleistungen von Anfang an als Eventualposten ("nice to have"). Durch diese Unterscheidung können unnötige Ausgaben vermieden werden.
  • Der Ausschreibungsaufwand wird spürbar reduziert, da weniger Rückfragen der Anbieter notwendig sind.
  • Die Anbieter erhalten eine verlässliche Kalkulationsgrundlage und können ihr Angebot präziser und schneller erstellen.
  • Die verschiedenen Angebote sind besser miteinander vergleichbar, da sie sich auf dieselbe Leistungsbeschreibung beziehen.
  • Die fachliche Qualität der Angebote ist hoch, da den Anbietern bereits spezifizierte Anforderungen vorliegen und sie in ihrem Lösungsvorschlag detailliert darauf eingehen können.
  • Ein vollständiges Lastenheft hilft bei der Risikoidentifizierung. Klare Beschreibungen und Abgrenzungen reduzieren Risiken, indem sie Missverständnisse bei Anforderungen und Leistungsumfang vermeiden.
  • Das Lastenheft schafft Rechtssicherheit bei der Abnahme, bietet Schutz gegen Nachforderungen des Auftragnehmers und legt die Grundlage für die eigenen Nachforderungen.

Formalien klären

Die Einhaltung sinnvoller Formen erleichtert erheblich die Erstellung und Pflege des Lastenheftes. Es ist zudem ein wichtiges Dokument, das unter Umständen im Nachforderungsmanagement vor Gericht dessen Entscheidung ausschlaggebend beeinflusst. Aber auch im Projektalltag spart die Einhaltung bewährter Formen Zeit und verhindert Missverständnisse.

Bevor Sie auch nur einen Satz schreiben, klären Sie die notwendigen Formalien. Finden Sie als erstes heraus, ob es in Ihrer eigenen Organisationseinheit Formvorschriften oder Vorlagen für Lastenhefte gibt. In einem Unternehmen mit mittlerem bis hohem Projektmanagement-Reifegrad sollten Sie im Organisationshandbuch oder im Projektmanagementhandbuch alle für das Erstellen eines Lastenheftes benötigten Informationen finden. Wenn dem so ist: Herzlichen Glückwunsch, Sie müssen diesen Artikel nicht mehr weiterlesen.

Möglicherweise haben Sie aber nur eine Reihe mündlicher Ratschläge und eventuell ein altes Lastenheft erhalten, das Sie als Grundlage verwenden können. Nutzen Sie die Gelegenheit und richten Sie sich ein neues Dokument mit den im folgenden erläuterten Bestandteilen ein bzw. ergänzen Sie die vorhandene Vorlage entsprechend. Sie haben damit nicht nur eine solide Basis für Ihr jetziges Projekt geschaffen, sondern zugleich eine fertige Vorlage für Ihre zahlreichen nächsten Lastenhefte.

Ein Lastenheft sollte mindestens folgenden formellen Ansprüchen genügen:

  • Ein Deckblatt mit der Projektbezeichnung, dem Wort "Lastenheft", dem Datum der letzten Änderung und ggf. der Versionsnummer.
  • Da Sie das Lastenheft an potentielle Auftragnehmer geben werden, muss es Namen und Adresse des ausschreibenden Unternehmens sowie des zuständigen Ansprechpartners benennen. Diese Informationen können bereits auf dem Deckblatt enthalten sein, sollten aber unabhängig davon in einem eigenen Kapitel vollständig aufgeführt werden.
  • Fuß- oder Kopfzeile müssen neben der durchgehenden Seitennummerierung das Datum der letzten Änderung und mindestens die Kurzbezeichnung des Projekts aufweisen. Durch die Versionsinformation und die Referenzierbarkeit ermöglichen Sie die getrennte Bearbeitung einzelner Teile, erleichtern die Kommunikation und unterstützen das spätere Änderungsmanagement.
  • Eine tabellarische Historie des Dokuments mit Datum, Autor und einer Aufstellung der vorgenommenen Änderungen des Inhalts. Tipp: Archivieren Sie die verschiedenen Versionen.
  • Ein Inhaltsverzeichnis mit einer klaren, sinnvoll abgestuften Gliederung. Die Überschriften sollten nach Möglichkeit konkrete Benennungen enthalten (z.B. nicht: "Datenmodell" sondern: "Modell der Messdaten als XML-Schema").
  • Eine Zusammenfassung im Umfang von maximal einer Seite (Management Summary).
  • Eine Liste mit Verweisen auf Dokumente, die zum Lastenheft gehören (z.B. Berichte vorangegangener Projekte, Richtlinien, Verfahrensvorschriften).
  • Ein Glossar der im Lastenheft verwendeten, unternehmens-, produkt- und projektspezifischen Fachbegriffe. Es muss insbesondere Akronyme und Abkürzungen erklären.
  • Wenn das Lastenheft ein Leistungsverzeichnis enthält, muss jede Leistungsposition eine eindeutige Ordnungszahl erhalten. Bei einem gegliederten Leistungsverzeichnis kann dies auch ein strukturierter Code sein.

Die genannten Punkte können Sie in der Reihenfolge so anordnen, wie es nach Bedeutung und inhaltlichem Zusammenhang sinnvoll erscheint.

Wichtig ist das "Was", nicht das "Wie"

Was ist nun unter der DIN-Formulierung "Gesamtheit der Forderungen an die Lieferungen und Leistungen eines Auftragnehmers" zu verstehen? Grundsätzlich alles, was der Auftragnehmer wissen muss, um ein verbindliches Angebot für das Produkt oder die Dienstleistung zu erstellen. Nicht ins Lastenheft hingegen gehören der Lösungsweg und der Ablaufplan zur Erreichung des gesetzten Ziels. Dies sind Inhalte des Pflichtenhefts.

Der eilige Fahrgast sollte dem Taxifahrer sagen: "Mein Flug geht in 45 Minuten. 200 Euro, wenn Sie mich rechtzeitig hinbringen!" Dann ist das Ziel klar und der Taxifahrer kann selbst entscheiden, wie er rechtzeitig zum Flughafen kommt - oder den Auftrag ablehnen, wenn er keine Aussicht auf Erfolg sieht.

Ein vollständiges Lastenheft wird folgende vier Themenbereiche in angemessenem Umfang behandeln:

  • Kurze Darstellung der Ausgangssituation: Wer ist der Auftraggeber? Warum und wozu braucht er die Leistung?
  • Sehr genaue und ausführliche Leistungsbeschreibung: Was muss in welcher Beschaffenheit geliefert oder erbracht werden? Was soll das Projektergebnis sein? Über welche Leistungen wird im Projektverlauf entschieden?
  • Randbedingungen, die den möglichen Rahmen der Lösungswege abstecken und das Projektumfeld beschreiben (z.B. maximale Größe einer Anlage, Standort in einer Umgebung mit kondensierender Feuchtigkeit).
  • Anforderungen an Anbieter und Angebot: Wer kommt als Auftragnehmer in Frage? Welche formalen Anforderungen gelten für das Pflichtenheft und Angebot?

Die Ausgangssituation darstellen

Kurzvorstellung des Auftraggebers

Ziel des Lastenhefts ist es nicht, das billigste Angebot zu erhalten. Für ein wichtiges Projekt brauchen Sie verlässliche Partner. Umgekehrt müssen auch Ihre Lieferanten Ihnen vertrauen. Stellen Sie deshalb Ihr Unternehmen am Anfang kurz und aussagekräftig vor. In der Regel gibt es hier einen Standardabsatz im Firmenprospekt oder auf der Website, den Sie verwenden können. Benennen Sie hier auch den Ansprechpartner für Rückfragen mit allen erforderlichen Kontaktdaten. Mit der Vorstellung Ihres Unternehmens erreichen Sie, dass sich vor allem Anbieter melden, die zu Ihrem Unternehmen (Branche, Größe, Unternehmenskultur usw.) passen.

Spielen Sie mit offenen Karten und pokern Sie nicht. Wenn Sie z.B. einen Anschlussauftrag in Aussicht stellen, um einen Preisvorteil zu erzielen, die Vergabe dieses Auftrags aber nicht wirklich erwägen, kann das der Reputation Ihres Unternehmens schaden. (Auch Anbieter reden miteinander!)

Projektbegründung

Schildern Sie kurz, warum Sie diesen Auftrag vergeben. Welches Problem soll damit gelöst werden? Mit diesen Informationen geben Sie den Anbietern Gelegenheit, Ihnen neue Ideen zu präsentieren. Vielleicht gibt es mittlerweile eine kostengünstigere oder leistungsfähigere Lösung für Ihr Problem, als Ihnen bekannt ist.

Falls Sie bereits intern die Freigabe der Finanzen schriftlich begründet haben, können Sie diesen Text als Vorlage für die Projektbegründung nutzen. Sie müssen lediglich alle internen und vertraulichen Informationen entfernen.

Strategische Zielsetzung des Projekts

Falls nicht Geheimhaltungsgründe dagegen sprechen, sollten Sie die strategische Zielsetzung Ihres Projekts zumindest grob darstellen. Dies ist vor allem wichtig, wenn Sie eine umfangreiche Leistung phasen- und stufenweise vergeben. Bei großen Projekten können Sie zu einem frühen Zeitpunkt noch nicht die gesamte Leistung beschreiben. Trotzdem bauen die späteren Leistungen auf den ersten Projektergebnissen auf.

Kennt der Anbieter von Anfang an das Gesamtziel und nicht nur das Ziel der ersten Phase, kann er Sie vorausschauend auf fehlende Elemente Ihrer jetzigen Leistungsbeschreibung aufmerksam machen, die Ihnen später erhebliche Mehrkosten verursachen würden.

Projektorganisation

Überzeugen Sie den Anbieter davon, dass Sie alle Voraussetzungen für eine reibungslose Zusammenarbeit schaffen werden. Das wichtigste ist die Benennung des unmittelbaren Ansprechpartners und die Versicherung seiner Verfügbarkeit. Je nach Komplexität des Projekts sollten Sie die Aufbauorganisation kurz erläutern (z.B. Gremien wie Lenkungsausschuss, Jour Fixe, Protokollwesen usw.). Ansonsten kann es sein, dass er von einem erhöhten Abstimmungsaufwand ausgeht und diesen Mehraufwand (versteckt) in sein Angebot einrechnet. Sie müssen zudem transparent machen, ob Sie als Ersteller des Lastenhefts auch der originäre Auftraggeber sind, oder selbst nur Unterauftragnehmer.

Nur selten wird die im Lastenheft am Anfang beschriebene Leistung exakt umgesetzt. Schaffen Sie für sich und den Anbieter Sicherheit, indem Sie ein definiertes Vorgehen für Änderungen am Leistungsumfang und seine Auswirkungen auf die Honorierung darstellen. Unter Umständen müssen Sie bestimmte Leistungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar sind, während der Projektdurchführung als Regieleistungen vergeben. In diesem Fall sollten Sie die Modalitäten für Arbeiten in Regie festlegen (z.B. „Anfallende Zusatzarbeiten werden nach Anforderung des Auftraggebers in Regie zu einem festen Stundensatz durchgeführt“).

Wirtschaftlicher und zeitlicher Rahmen

Skizzieren Sie neben dem Ergebnis auch die anderen beiden Ecken des "Magischen Dreiecks". Nennen Sie den potentiellen Anbietern schon zu Beginn den finanziellen Rahmen und Ihre terminlichen Anforderungen. Indirekt formulieren Sie damit gleichzeitig Ihre Vorstellungen von der Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob eine Datenbankanwendung in der Preisklasse 1.000 oder 100.000 Euro zu programmieren ist. Z.B. wird ein kleines Unternehmen die mit einem zu großen Auftrag verbundenen Gewährleistungs- und Produkthaftungsrisiken vermeiden wollen.

Bei einer phasenweisen Ausschreibung sind hier die Projektphasen und die jeweiligen Zeitpunkte der nächsten Ausschreibungen zu benennen.

Leistungsbeschreibung

Den größten Umfang des Lastenhefts nimmt die Spezifizierung des zu liefernden Produkts bzw. der zu erbringenden Dienstleistung ein.

Hier sind die jeweiligen Branchenspezifika zu berücksichtigen. Klären Sie deshalb als erstes ab, welche Richtlinien der Fachverband Ihrer Branche für Leistungsbeschreibungen herausgibt. Im Bauwesen gibt es z.B. das Standardleistungsbuch Bau (StLB).

Aus Sicht des Projektmanagements ist die Leistungsbeschreibung im Wesentlichen durch den Produktstrukturplan abgedeckt. Diesen sollten Sie ohnehin als Hilfsmittel der Projektdefinition schon vorliegen haben oder spätestens jetzt erstellen. Hinweise für die Anfertigung des Produktstrukturplans finden Sie im Artikel "Projekt, Struktur, Plan: Projektstrukturpläne richtig einsetzen" (Ausgabe 05/2003).

Berücksichtigen Sie bei der Leistungsbeschreibung folgende Aspekte, die je nach Branche und Produktart unterschiedliche Bedeutung und Ausprägung haben. Die folgenden Beispiele illustrieren diese Aspekte für ein fiktives Projekt "Mobile Luftschadstoffmessung", bei dem eine Messapparatur mit mobiler Datenübertragung ausgeschrieben wird.

  • Operative Projektziele: Welche Ziele sollen mit der Auftragsvergabe unmittelbar erreicht werden? (z.B. Bestimmung der NOx-Belastung urbaner Regionen)
  • Funktionen: Wofür wird das Produkt eingesetzt werden? Welchen Zweck soll es erfüllen? (z.B. Mobile Erfassung der Messwerte Temperatur und NOx-Konzentration, Übermittlung der Messdaten an die zentrale Datenbank)
  • Volumina und Mengen: Welche Leistungsfähigkeit soll das Produkt aufweisen, bzw. welche Stückzahlen werden benötigt? (z.B. Abdeckung von 1000 Messstellen im ganzen Bundesgebiet)
  • Frequenzen und Dauern: Wie schnell müssen die Funktionen vom Produkt erbracht werden und über welchen Zeitraum. Hier ist zwischen Spitzen- und Dauerlasten zu unterscheiden. (z.B. Mittelwertbildung aus 10 Messungen pro Sekunde, Kalibrierungskonstanz über ein Jahr Dauerbetrieb)
  • Einsatzbedingungen: Welchen äußeren Einflüssen wird das Produkt ausgesetzt? (z.B. Temperaturbereich von -20°C bis +40°C)
  • Komponenten: Aus welchen einzelnen Bestandteilen soll das Produkt oder die Dienstleistung bestehen? (z.B. Sensor, Messdatenerfassungseinheit, Übermittlungseinheit)
  • Interne Strukturen und Schnittstellen: Wie sind diese Komponenten angeordnet und in welchen Bezügen stehen sie zueinander? (z.B. Kabelverbindung von 2 m Länge zwischen Sensor und Messdatenerfassungseinheit)
  • Materialien, Ausgangsprodukte, Einsatzmittel: Woraus darf das Produkt bestehen, welche vorhandenen Ressourcen sind einzusetzen? (z.B.: V2A-Stahl für Sensorhülle)
  • Umfang und Ressourcenbeanspruchung: Wie schwer und wie groß dürfen die einzelnen Komponenten und das gesamte Produkt sein? (z.B. die Mobile Messdatenerfassung darf maximal eine Masse von 2kg haben.) Welchen Betriebsmittelbedarf (z.B. Stromverbrauch unter 10 W) dürfen sie haben?
  • Techniken: Welche Techniken sind verbindlich anzuwenden? (z.B. Spektroskopie).
  • Design: Welche Anforderungen bestehen an Form, Farbe und äußere Beschaffenheit des Produkts (z.B. Montagefähigkeit des Sensors auf mobiler Messstation)
  • Erweiterbarkeit, Ausbaustufen: Welche Entwicklungsschritte sind als nächstes geplant? Wofür sollen Vorkehrungen getroffen werden? (z.B. Anschluss eines SOx-Sensors an die Messdatenerfassungseinheit)
  • Prozesse: In welche Arbeitsabläufe wird das Produkt, die Dienstleistung integriert werden? (z.B. Prognose von Schadstoffbelastungen in Kombination mit dem Wetterbericht).
  • Schnittstellen: An welche mechanischen, versorgungstechnischen oder datentechnischen Verbindungsstellen wird das Produkt angeschlossen? (z.B.: Stromversorgung über Zigarettenanzünder eines PKW)

Viele Anforderungen ergeben sich aus den Randbedingungen, die Sie in einem gesonderten Abschnitt darstellen sollten. Wenn Sie die Anforderungen in der Leistungsbeschreibung begründen, können Sie bei Bedarf auf diese Randbedingungen verweisen. Das spart ggf. viel Schreibarbeit.

Charakterisieren Sie jede Position hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit: Ist die beschriebene Einzelleistung verbindlicher Bestandteil der Lieferung, eine nur unter bestimmten Bedingungen erforderliche Eventualposition oder eine optionale Zusatzleistung? Sie können damit die Art der Angebotserstellung steuern: Für die verbindlichen Bestandteile können Sie ein Festpreisangebot für das Paket verlangen. Bei den variablen Anteilen müssen Sie entscheiden, ob Sie Einzelpreise für jede Position erhalten wollen oder eine Honorierung nach Aufwand bevorzugen.

Bei umfangreichen Projekten müssen Sie die Leistungsbeschreibung gliedern. Verwenden Sie hierfür den Produktstrukturplan als Gliederungsinstrument. Bei Bauprojekten sind z.B. Gliederungen nach Losen (räumliche Aufteilung) und Gewerken (fachliche Aufteilung) vorgeschrieben.

Randbedingungen

Die Randbedingungen eines Projekts sind die vom Projektumfeld vorgegebenen Bedingungen. Sie sind bei der Projektplanung nicht beeinflussbar und müssen daher als gegebene Größen verwendet werden.

Je nach Projekt gilt es, unterschiedliche Arten von Randbedingungen zu beachten. Um diese möglichst vollständig zu erfassen, ist zu Beginn des Projekts eine sogenannte Projektumfeldanalyse empfehlenswert. Die dabei gewonnenen Informationen benötigen Sie ebenfalls für das Risikomanagement.

Im Folgenden sind als Anregung übliche Arten von Randbedingungen aufgeführt. Diese Aufzählung soll keinesfalls zu langen Abhandlungen verleiten. Selbstverständliche Vorgaben wie z.B. die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften müssen nicht eigens erwähnt werden.

Technische Randbedingungen

Zu den technischen Randbedingungen zählen alle Anforderungen, die sich aus sachlichen Zusammenhängen ergeben. Beispiele hierfür sind: Vorhandener Raum, Tragfähigkeit von Böden, Vorhandene IT-Infrastruktur, klimatische Gegebenheiten, Immissionen am Einsatzort.

Bereits einfachste technische Hindernisse können Projektkosten drastisch erhöhen, wenn sie nicht von Anfang an berücksichtigt werden. Plakatives und viel zitiertes Beispiel ist das zu kleine Eingangstor für die Anlieferung von Großanlagen.

Holen Sie deshalb unbedingt den Rat der betroffenen Fachleute ein. Begehen Sie ggf. den vorgesehenen Einsatzort persönlich und ermöglichen Sie eine Ortsbesichtigung für die Anbieter.

Bedenken Sie: Wenn Sie vergessen haben, eine technische Randbedingung zu erwähnen, die später für erhöhte Kosten verantwortlich ist, gehen diese zu Ihren Lasten.

Zeitliche Randbedingungen und Konventionalstrafen

Die einfachste zeitliche Randbedingung ist die Vorgabe eines verbindlichen Liefertermins für die gesamte Leistung, eventuell mit Benennung einer Konventionalstrafe bei Nichteinhalten.

Wenn ein harter, nicht veränderbarer Endtermin vorhanden ist (z.B. Beginn einer Großveranstaltung), dann ist die Vereinbarung eines Vertragsterminplans dringend anzuraten. In ihm sind wesentliche Meilensteine mit Zwischenergebnissen und Terminen definiert. Die DIN 69900 nennt dies "Meilenstein-Netzplan", der PMBOK Guide spricht von "Masterplan", üblich sind auch die Begriffe "Meilensteinplan" oder "Road-Map".

Weitere zeitliche Randbedingungen sind z.B. der frühest mögliche Beginn der Arbeiten sowie Einschränkungen der Arbeitszeit (z.B. Nachtarbeit bei Straßenbauprojekten).

Die Nichteinhaltung von Meilensteinen ist ein häufiger Streitpunkt im Nachforderungsmanagement. Um zumindest die jeweilige Schadenshöhe im voraus zu beziffern, sollten Sie sinnvolle Regelungen für Konventionalstrafen festlegen.

Rechtliche Randbedingungen

In der Regel ergeben sich rechtliche Randbedingungen aus der Sachlage von selbst. Dass z.B. die jeweilige Landesbauverordnung einzuhalten ist, bedarf keiner eigenen Erwähnung.

Wichtig ist die Benennung rechtlicher Randbedingungen vor allem dann, wenn unklare Rechtssituationen bestehen. Bei internationalen Projekten ist unbedingt zu definieren, welche Rechtssprechung für die Projektabwicklung zu gelten hat. Möchten Sie Vorschriften anwenden, die eigentlich nur für einen anderen Rechtsbereich gelten, beim vorliegenden Projekt aber beachtet werden sollen, muss dies ebenfalls benannt werden. Die Anwendung der Verdingungsordnung Bau auf ein privates Bauvorhaben ist hierfür ein Beispiel.

Normen und Richtlinien haben grundsätzlich keinen verbindlichen Charakter. Bei Auseinandersetzungen über Mängelrügen bilden sie vor Gericht allerdings die Referenz für eine fachgerechte Leistung. Die explizite Forderung nach Einhaltung bestimmter Normen und Richtlinien ist somit nicht zwingend, kann aber für zusätzliche Klarheit sorgen. Wenn Industriestandards einzuhalten sind, sollten diese auf jeden Fall benannt werden, da sie eine geringere Wertigkeit als Normen haben.

Regelungen über Urheber-, Nutzungs- und Verwertungsrechte sind Gegenstand der Vertragsgestaltung. Wenn hier vom üblichen Vorgehen abweichende Regelungen vorgesehen sind, sollte dies im Lastenheft zumindest erwähnt werden.

Soziale und politische Randbedingungen

Hier sind die Interessensgruppen und ihre Einflussmöglichkeiten auf das Projekt zu benennen. Je nach Projekt sind diese Randbedingungen irrelevant, bedeutend oder sogar entscheidend. Eine explizite Stakeholder-Analyse ist ggf. durchzuführen und ihre ausschreibungsrelevanten Ergebnisse in das Lastenheft aufzunehmen.

Ökonomische Randbedingungen

Bei komplexen Projekten kann es erforderlich sein, im Lastenheft auch budgetäre Anforderungen zu stellen. Beispiele hierfür sind Deckelungen bei bestimmten Kostenarten (z.B. Raummieten) oder wenn der Auftragnehmer seine Erträge selbst erwirtschaften muss (z.B. bei Vertriebsprojekten oder Refinanzierung durch Dritte).

Organisatorische Randbedingungen

Hier ist die Aufbau- und Ablauforganisation der Auftragsabwicklung darzustellen. Insbesondere ist der Beitrag des Auftragnehmers z.B. zu folgenden Aufgaben des Projektmanagements zu benennen:

  • Mitwirkung in Gremien (z.B. Änderungsausschuss)
  • Häufigkeit und Art der Berichtserstattung (z.B. vierzehntägiger Statusbericht)
  • Art des Controllings (z.B. monatliche Earned Value-Analyse)
  • Gestaltung des Konfigurations- und Änderungsmanagements
  • Internes Projektmanagement beim Auftragnehmer (z.B. Offenlegung der internen Netzpläne)
  • Datenformate zum elektronischen Austausch und einzusetzende Software
  • Verteilung von Befugnissen und Zuständigkeiten sowie Benennung von Ansprechpartnern

Vertragliche Randbedingungen

Grundsätzlich ist die Vertragsgestaltung unabhängig vom Lastenheft, da ohnehin meist Standardverträge zum Zuge kommen. Lastenheft und Vertrag überschneiden sich aber in zwei Bereichen, die somit auch im Lastenheft explizit zu behandeln sind:

Abnahmebedingungen

Hier ist der technische Ablauf der Abnahme zu beschreiben. Die Kriterien für eine erfolgreiche Abnahme sowie das Vorgehen bei der Abnahmeprüfung sind festzulegen. Fristen für Nacherfüllungen (früher: Nachbesserungen) bei Mängeln können hier ebenfalls gesetzt werden.

Gewährleistung

Wenn über die gesetzliche Regelung hinausgehende Gewährleistung gefordert ist, sollte dies auch im Lastenheft aufgeführt sein, schließlich ist dies ein erheblicher kostentreibender Faktor für den Anbieter.

Anforderungen an Anbieter und Angebot

Wenn nicht ein ausführliches Ausschreibungsdokument erstellt werden soll, das die Anforderungen an Anbieter und Angebot aufführt, sollte das Lastenheft diese in einem eigenen Kapitel zusammenstellen.

Beispiele für Anforderungen an den Anbieter sind räumliche Nähe, Qualifikationsnachweis der Mitarbeiter, die Benennung von Referenzprojekten, der Solvenznachweis durch seine Hausbank, ein bestandener Ökoaudit oder eine bestimmte Rechtsform. Je höher man hier die Anforderungen stellt, desto enger wird gleichzeitig der Kreis der möglichen Anbieter.

Wichtig ist in jedem Fall eine genaue Beschreibung der Qualität der erwarteten Angebotsausarbeitung. Wird ein vollständiges Pflichtenheft mit Einzelpostenkalkulation und einem detaillierten Ablaufplan verlangt oder nur ein pauschaler Preis für die Erfüllung des Lastenhefts?

Ihre Aufgaben als Auftraggeber sind damit fürs erste erfüllt. Wie der Anbieter ein sorgfältiges Pflichtenheft erstellt, beschreibt ein weiterer Artikel in einer der nächsten Ausgaben.

Fazit

Das Lastenheft beschreibt die wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Anforderungen des Auftraggebers. Es ist deshalb das wichtigste Projektdokument.

Mängel im Lastenheft sind die erste Ursache für Misserfolge im Projekt.

Sorgfalt bei der Erstellung des Lastenhefts reduziert Kosten, erhöht die Erfolgsaussichten des Projekts und verringert die Risiken.

Das Lastenheft ist die Frage des Auftraggebers an den Markt im Rahmen des Ausschreibungsprozesses. Es beschreibt keine Lösungen, sondern das gewünschte Ergebnis. Die Antwort des Markts auf das Lastenheft sind die Pflichtenhefte der Anbieter, in denen sie dem Ausschreibenden ihre Lösungswege präsentieren.

Literatur

  • DIN 69905 Projektwirtschaft, Projektabwicklung, Begriffe, Berlin 1997, Beuthverlag
  • Project Management Institute: PMBOK® Guide Ausgabe 2004: A Guide to the Project Management Body of Knowledge
  • Angermeier, Georg: Projekt, Struktur, Plan, Projektstrukturpläne richtig einsetzen, in: Projekt Magazin, Ausg. 5/2003.

 

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Guest

Sehr guter Artikel; hat mir bei einem aktuellen Thema wertvolle Dienste geleistet. Vielen Dank dafür!