

Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation kommt es oft auf das "Wie" an. Viele Missverständnisse lassen sich durch das Eisbergmodell erklären. Dieser Artikel beschreibt, wie Sie damit Konflikte vermeiden und lösen.
Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation kommt es oft auf das "Wie" an. Viele Missverständnisse lassen sich durch das Eisbergmodell erklären. Dieser Artikel beschreibt, wie Sie damit Konflikte vermeiden und lösen.
Am 14. April 1912 bekam der Kapitän der Titanic eine bekannte Tatsache zu spüren: nämlich, dass über dem Wasser nur ein kleiner Teil eines Eisbergs zu sehen ist und sich der größte Teil unter Wasser befindet. Das Wissen um die Gefahren, die von einem Eisberg ausgehen, können für die Seefahrt überlebenswichtig sein.
Um Leben und Tod geht es bei der Kommunikation zwischen Menschen zwar in der Regel nicht. Aber darum, dass unsere Kommunikation nur zu einem kleinen Teil im Sichtbaren stattfindet und das Gros des zwischenmenschlichen Austauschs unter der Oberfläche – im Unterbewussten – erfolgt.
Mithilfe des Eisbergmodells lassen sich viele Missverständnisse und Konflikte erklären. Aber nicht nur das: Dieses Modell ist auch ein Hebel, um Fehlurteile aufzulösen und zu einer konstruktiven Kommunikation zu finden. Dieser Artikel beschreibt an typischen Beispielen aus der Projektpraxis, wie Sie es erfolgreich anwenden können.
"Ich bin mir sicher, Sie werden einen guten Vortrag halten." Diese Aussage von Klaus Müller, dem Projektleiter von Kim Mayer, kann zwei unterschiedliche Bedeutungen haben: Wird sie von einem freundlichen Lächeln und einem Schulterklopfen begleitet, dann ist sie als Unterstützung gedacht. Sagt Müller den Satz mit leiser Stimme und ein wenig abfällig, drückt dies aus, dass er skeptisch ist, ob es wirklich ein guter Vortrag wird. Sagt er den Satz in einem neutralen Tonfall und verzichtet weitestgehend auf Gestik und Mimik, hat Kim Mayer einen großen Interpretationsspielraum zwischen den beiden oben genannten Extremen.
Eine Erklärung, warum die gleiche Aussage unterschiedlich interpretiert werden kann, liefert das Eisbergmodell.
Die Eisbergmetapher stammt von Ernest Hemingway. Der berühmte Schriftsteller war der Auffassung, dass es reiche, wenn er in seinen Werken nur einen Teil des Inhalts darstelle, weil der andere Teil vom Publikum auch so erkannt würde:
"Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. […] Ein Eisberg bewegt sich darum so anmutig, da sich nur ein Achtel von ihm über Wasser befindet."
In seiner Persönlichkeitstheorie beschreibt Sigmund Freund ebenfalls einen Sachverhalt, bei dem nur ein Teil der Elemente sichtbar ist. In seinem Modell, das die menschliche Psyche erklärt, hat diese drei Instanzen:
Nach seiner Theorie liegen die Instanzen Es und Über-Ich größtenteils im unbewussten Teil unserer Psyche. Sie beeinflussen unser Handeln, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Dieser Sachverhalt hat dazu geführt, dass diese Theorie mit dem Eisbergmodell in Verbindung gebracht wird, obwohl Freud selbst diese Metapher nie benutzt hat.
Die Psychologen Floyd L. Ruch und Philip G. Zimbardo verbanden Freuds Persönlichkeitstheorie mit der Eisbergmetapher (Bild 1).
Den Bezug zur zwischenmenschlichen Kommunikation stellte der bekannte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick her. Mithilfe des Eisbergmodells beschreibt er das Verhältnis von Sach- und Beziehungsebene in der Kommunikation.
Nach seinem Modell hat die (emotionale) Beziehungsebene großen Einfluss auf die Kommunikation. Über diese Ebene teilen wir unsere Wünsche, Bedürfnisse und Wertvorstellungen mit, hauptsächlich durch unsere Körpersprache, also durch Körperhaltung, Mimik, Gestik und den Tonfall. Aussagen auf der Beziehungsebene sind in den seltensten Fällen eindeutig und wir interpretieren die Aussagen aufgrund unserer Erfahrungen und Werte. Ist die Beziehungsebene gestört, so hat das nach Watzlawiks Ansatz Auswirkungen auf die Interpretation des Inhalts des Gesagten.
Die (rationale) Sachebene umfasst die bewusst wahrnehmbare Kommunikation und dient dem Übermitteln von Daten und Fakten. Sie wird hauptsächlich durch die gesprochene Sprache, aber auch durch die schriftliche Kommunikation repräsentiert.
Nach dem Eisbergmodell wird mit jeder Sachaussage auch eine Botschaft auf der Beziehungsebene vermittelt. Diese bestimmt, wie die Sachaussage interpretiert werden kann, und ist wie erwähnt offen für Fehldeutungen.
"Das war eine gute Präsentation", sagt Alex, Kims Kollegin. Die begleitende nonverbale Kommunikation ermöglicht eine zusätzliche Deutung dieser Sachaussage: Sagt Alex dies mit einem freundlichen Lächeln, dann äußert sie ihre Anerkennung. Wenn sie das Gleiche hingegen mit einem verächtlichen Blick sagt, bedeutet es vermutlich, dass die Präsentation aus ihrer Sicht ein Reinfall war – oder sie möchte Kim das zumindest glauben lassen.
Weitere Beispiele:
In den meisten Fällen interpretieren wir die Aussagen richtig. Wir haben gelernt, die Mimik und Gestik unserer Gesprächspartner:innen zu interpretieren, und wissen, wie eine Aussage gemeint ist. Wenn Sie unsicher sind, was sie bedeuten könnte, dann fragen Sie nach, bevor Sie vielleicht unbegründet verärgert sind. Beim letzten Beispiel könnte man fragen: "Warum soll ich das machen?" Die Nachfrage zwingt das Gegenüber dazu, seinen Kommentar zu erläutern. Die angesprochene Person dürfte danach schlauer sein, wie dieser gemeint war.
Sachkonflikte zeigen sich in den Aussagen auf der Sachebene und lassen sich dadurch lösen, dass die Kommunikationspartner:innen ihre gegenseitigen Standpunkte erläutern und nach Aufklärung suchen. Wenn Kim der Meinung ist, dass sie eine gute Präsentation gehalten hat, aber ihr Projektleiter Klaus findet, dass sie unzulänglich war, dann können die beiden miteinander besprechen, was genau Klaus nicht gefallen hat. In dem Fall kann Kim sich verteidigen und ihren Standpunkt darlegen. Beide können zudem Teilnehmer:innen der Präsentation fragen, wie ihnen der Vortrag gefallen hat.
Gründe für einen Konflikt auf der Sachebene können nicht korrekte oder nicht ausreichende Informationen oder Fehlinterpretationen sein. Diese Konflikte können Sie vermeiden oder lösen, indem Sie:
Beziehungskonflikte entstehen oft aus Missverständnissen in der Kommunikation. Konkret wenn ein Gegenüber eine Sachnachricht negativer interpretiert als sie gemeint war. Sagt Klaus zu Kim "Das war ja eine gute Präsentation" mit einem freundlichen Lächeln und will damit Lob ausdrücken, kann es passieren, dass Kim das Lächeln als ironisch deutet und denkt, dass Klaus nichts von ihrer Präsentation gehalten hat. Das kann zum Keim eines Konflikts werden, wenn Kim ihre Interpretation für sich behält und ihrem Vorgesetzten die empfundene Kränkung nachträgt.
Wenn Sie vermuten, dass es einen Beziehungskonflikt gibt, dann sollten Sie diesen zeitnah ansprechen. Wenn Klaus an Kims Gesichtsausdruckt merkt, dass seine Ermunterung anders als von ihm gemeint interpretiert worden ist, kann er sagen: "Ich habe den Eindruck, dass Sie meine Bemerkung vielleicht anders verstanden haben, als ich sie gemeint hatte. Ich wollte lediglich ausdrücken, dass mir Ihre Präsentation wirklich gut gefallen hat." Dadurch hat Klaus den Spielraum für Fehlinterpretationen seiner Worte minimiert.
Eine Methode, Konflikte auf der Beziehungsebene anzusprechen, ist die Methode "Aktives Zuhören" . Dabei spiegeln die beiden Kommunikationspartner:innen ihrem Gegenüber zurück, wie sie das Gesagte empfunden haben. So ziehen sie die unbewussten Inhalte an die Oberfläche, also in den bewussten Teil, und können sie besprechen und bearbeiten.
Wenn Sie vermuten, dass es zwischen Ihnen und einem:einer Mitarbeiter:in kriselt, sprechen Sie dies an. Dazu können Sie das Instrument der Metaebene verwenden (siehe auch "Metakommunikation: Wechsel auf die Metaebene"). Dabei äußern Sie, dass Sie Unbehagen empfinden, und schlagen vor, über die Gründe für die Missstimmung zu sprechen.
Präventiv können Sie solche Konflikte vermeiden, indem Sie klar und eindeutig kommunizieren und Ihre Mimik und Gestik bewusst so einsetzen, dass sie Ihre Aussagen unterstützen.
Sie sollten sich bei Kommunikation immer bewusst machen, dass Ihr Gegenüber vielleicht nur einen kleinen Teil dessen sagt, was es beschäftigt. Je mehr von diesem unbewussten Teil an die Oberfläche transportiert wird, umso leichter erkennen Sie Unstimmigkeiten und Konflikte. Voraussetzung dafür ist, dass Sie nicht nur auf die verbalen Äußerungen achten, sondern auch auf die mitschwingenden nonverbalen:
Die Metapher des Eisbergs lässt sich auf viele Situationen anwenden: auf die Psyche wie bei Freud, auf die Literatur wie bei Hemingway und auf die Kommunikation wie bei Watzlawick. Sie macht uns in der täglichen Kommunikation darauf aufmerksam, dass das, was wir durch das gesprochene Wort und den geschriebenen Text verstehen, nur ein Teil dessen ist, was in der Kommunikation mit unseren Kommunikationspartnern:innen von Bedeutung ist. Dies zu bedenken ist wichtig, um insbesondere Missverständnissen zu vermeiden und Konflikten aufzulösen.
Wir würden uns über Ihre Bewertung und/oder einen Kommentar freuen ‒ nur so können wir Ihnen in Zukunft noch bessere Inhalte liefern.