Wie kann der Einzelne seine Werte im Projektalltag leben und vertreten? Werden Sie Stückwerksingenieur für Ihre eigenen Werte!

Jedes Mal, wenn ein Topmanager ein großes Interview gibt, spricht er das Thema "Werte" an und betont, wie werteorientiert sein eigenes Unternehmen ist. Die Realität sieht dann oft anders aus, z.B. wenn trotz hoher Gewinne Mitarbeiter entlassen werden. Wie kommt dies und wie kann jeder Einzelne von uns seine Werte leben und vertreten, auch im Projektalltag?

Wie kann der Einzelne seine Werte im Projektalltag leben und vertreten? Werden Sie Stückwerksingenieur für Ihre eigenen Werte!

Jedes Mal, wenn ein Topmanager ein großes Interview gibt, spricht er das Thema "Werte" an und betont, wie werteorientiert sein eigenes Unternehmen ist. Die Realität sieht dann oft anders aus, z.B. wenn trotz hoher Gewinne Mitarbeiter entlassen werden. Wie kommt dies und wie kann jeder Einzelne von uns seine Werte leben und vertreten, auch im Projektalltag?

Affen und Menschen wurden Dieselabgasen ausgesetzt, um zu messen, in welchem Maße diese schädlich sind. Kürzlich mussten vergiftete Eier zurückgerufen werden. Joe Kaeser von Siemens verkündet einen Gewinnsprung um elf Prozent und gleichzeitig die Entlassung Tausender Mitarbeiter. Es sind weitreichende Entscheidungen, folgenreich für die Menschen. Wie kommen sie zustande, wenn die Manager doch betonen, dass Werte ihnen wichtig sind? Und inwieweit lassen wir alle uns bei unserem Handeln von Werten leiten?

Woher kommen unsere Werte?

Wie verhalte ich mich mir selbst, den anderen, der Gesellschaft gegenüber: Unsere Werte geben uns Antworten auf diese Fragen. Sie gehören zu uns, weil man sie uns vorgelebt, gelehrt oder auch aufgezwungen hat. Sie wurden uns von den Eltern vermittelt, auch indirekt über die Schule, auf die man uns schickte. Wir haben eingesehen, dass sie richtig sind, uns damit identifiziert und sie angenommen.

Bis zur Renaissance hieß die Antwort auf die Frage "wer bist du?" z.B.: "Ich bin der Sohn des Josef, der Sohn des David, der Sohn des Elias, der Sohn des…" Das Selbstwertgefühl des Einzelnen war abhängig von der Zugehörigkeit zu einer Familie, über Generationen hinweg.

Darum war die Strafe der Verbannung so furchtbar: Sie riss den Einzelnen aus diesem existenz-begründenden Zusammenhang heraus – außerhalb des Familienverbunds war er nichts wert. Hinsiechen oder Selbstmord waren meist die Folge und wurden als gerechte Strafe für diejenigen angesehen, die mit ihren Taten nach Ansicht ihrer Umgebung die Werte der Familie mit Füßen getreten hatten. Der römische Kaiser Augustus verbannte z.B. seine Tochter Julia wegen ihres umtriebigen Lebenswandels, der stark von der Moral ihres Vaters abwich.

In der bürgerlichen Moderne übernahm die Gesellschaft viele der erzieherischen Pflichten. Sie erfand mit dem Panopticon (siehe Bild 1) nicht nur ein Symbol, sondern auch ein wirksames Instrument zur Verinnerlichung der gesellschaftlich gewünschten Werte, denn nach diesem Konzept gebaute Gefängnisse ermöglichten eine umfassende Überwachung. Die runden oder fünfeckigen Gebäude wurden beherrscht von einem zentral errichteten Turm, von dem aus ein Wächter jeden Zellenbewohner beobachten konnte. Weil so keiner wusste, wann er beobachtet wurde, verinnerlichten die Insassen das erwartete Verhalten mit der Zeit so sehr, dass sie sich jederzeit regelkonform verhielten.

US-Gefängniss mit Panopticon

Bild 1: Postkarte eines amerikanischen Panopticons, Text: "Interior view of cell house, new Illinois State Penitentiary at Stateville, near Joliet, Ill." Quelle: Eingescannte Postcarte aus der Sammlung von Alex Wellerstein, gefunden auf www.prisonphotography.org
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Der Einzelne ist heute freier, doch diese Errungenschaft ist bedroht

Heute schätzen wir uns in der westlichen Welt glücklich, in liberalen Gesellschaften zu leben, die dem Einzelnen mehr Freiheit in seiner Lebensführung zugestehen. Das liegt auch daran, dass die Postmoderne geprägt ist vom "Ende der großen Meta-Erzählungen". Wir leben in einer Zeit, in der wir jede Idee und Weltanschauung hinterfragen, die mit dem Anspruch auftritt, im Besitz der Wahrheit zu sein und von uns verlangt, dass wir uns ihr anschließen, ohne auf unsere Freiheit zu achten.

Auf unsere Freiheit aber müssen wir achten, denn sie macht unser Wesen als Mensch aus. Jean-Paul Sartre forderte seine Zeitgenossen daher auf, sich diese Freiheit zu erhalten. Sie ist bedroht dadurch, dass Regeln, Vorschriften und Anweisungen sich ausdehnen und die Überwachung wieder zunimmt, wie das neue bayrische "Polizeiaufgabengesetz" aktuell nachdrücklich beweist. Die großen Demonstrationen dagegen belegen, dass die Menschen sich der Gefahr bewusst sind.

Freiheit heißt auch Verantwortung für sich selbst!

Doch auch wir selbst bedrohen unsere Freiheit: Weil wir bequem werden, uns Routinen unterwerfen und andere über uns bestimmen lassen, u.a. die Algorithmen der Sozialen Medien, die uns hauptsächlich Inhalte empfehlen, die unserer eigenen Meinung entsprechen.

Wir sollten jedem misstrauen, der als Rechthaber und Besserwisser auftritt, fordert Karl Popper, der Philosoph des Kritischen Rationalismus. Da niemand im Besitz der Wahrheit ist, sind wir nach Popper darauf angewiesen, über die Kommunikation mit anderen gute Lösungen zu erarbeiten. Denn Freiheit heißt auch Verantwortung: Weil ich frei bin, bin nur ich selbst verantwortlich für mein Handeln – nicht Erziehung, Ausbildung, Gesellschaft oder meine Gene.

Jeder muss sich seine Wahrheit und seine Werte selbst erarbeiten

In der VUCA-Welt lösen sich traditionelle Werte auf und alte Bindungen brechen zusammen, Kirchen und Vereine z.B. verlieren Mitglieder, Familien zerstreuen sich. Jürgen Habermas empfiehlt dem Einzelnen in neuen Arten sozialer Beziehungen zu denken, z.B. innerhalb seines Wohnquartiers. Es gelte der "zwanglose Zwang des besseren Arguments" – statt sich von Algorithmen und systemischen Zwängen täuschen zu lassen.

Dazu braucht es ein selbstbewusstes Ich, das in einem Diskussionszusammenhang mit den Mitteln der Kommunikation andere für seine Anliegen gewinnen kann. Um zu überzeugen, muss man sich in den anderen hineinversetzen können, um ihn besser zu verstehen. D.h. auch als Manager bei Entscheidungen nicht erst nachträglich an die Auswirkungen auf andere zu denken.

Konkret: Was tun Sie als Projektleiter, der ein Produkt entwickelt, dessen Umweltverträglichkeit schlecht ist? Lassen Sie nach einer umweltschonenderen Lösung suchen, die aber teurer ist? Falls Sie sich dazu entschließen, wie überzeugen Sie Ihren Auftraggeber, dass die Mehrkosten gerechtfertigt sind? Was ist in diesem Fall Ihr „besseres Argument“? An welche gemeinsamen Werte können Sie appellieren?

Die eigenen Werte sind Ausdruck einer selbstgewählten Identität

Die oben angesprochene Empathie bringt nur derjenige auf, der ein selbstbewusstes Ich besitzt, das seine selbstgewählte Identität ausdrückt. Dieses Ich übernimmt die Verantwortung für die eigene Lebensgeschichte. Es ist kommunikativ erzeugt und eingebunden in einen Diskussionszusammenhang mit anderen, z.B. Familienmitgliedern, Lehrern und Freunden.

Die eigene Identität entsteht also in der Auseinandersetzung mit Werten, dabei legt der Einzelne fest, welche Werte er leben will. Der Grundvorgang läuft so ab: Sich in den Anderen hineinversetzen, um zu verstehen, was ihn beschäftigt sowie antreibt und dies verallgemeinern und daraus Normen ableiten und abschließend entscheiden, ob man diesen Normen folgen möchte.

In unseren Werten spiegelt sich das christliche Erbe

Unsere Wertvorstellungen sind durch und durch geprägt von den Religionen; in unserer westlichen Gesellschaft ist dies vor allem das Christentum. Es betont die Ehrfurcht vor dem Menschen, auch vor dem, der mir keinen Nutzen bringt oder der mir fremd ist und verlangt Friedfertigkeit, also keine Gewalt bei Problemlösungen, auch nicht durch Tricksen, Lügen, Betrügen und Heucheln. Der Kern der christlichen Botschaft ist der Aufruf zu Verzeihen und sich zu versöhnen, statt Tabuzonen zu schaffen, Spannungsfelder aufrechtzuerhalten oder anderen wegen eigener Probleme zu schaden.

Die radikale Betonung der Verantwortung für den Anderen lässt keine Ausrede, wenn Jesus fordert: "Was du einem der Geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan; was du einem der geringsten meiner Brüder nicht getan hast, das hast du mir nicht getan."

Der Manager, der gegen dieses Prinzip handelt, ignoriert entweder seine eigenen Wertvorstellungen, besitzt keine oder bloß solche, die unser christliche Erbe verleugnen. In jedem dieser Fälle stünde es ihm besser zu Gesicht, nicht über Werte zu sprechen, da er so nicht nur sein eigenes Defizit enthüllt, sondern mit seinem Vorbild auch die Werteorientierung unserer Gesellschaft untergräbt.

Vision mit Veränderung in kleinen Schritten verbinden

Werte füllen unser Leben mit Orientierung und Perspektive. Sie geben unserem Leben Halt und Sinn. Die Schwierigkeit unserer Zeit besteht darin, dass wir sie uns selbst erarbeiten müssen. Wir können sie nicht mehr einfach übernehmen, sondern müssen sie selbst auswählen, uns bewusst für sie entscheiden und sie leben.

Eine souveräne Persönlichkeit ist eine, die sich nicht von Besserwissern und Rechthabern beeindrucken lässt (Popper), sondern konsequent nach der besten Lösung sucht, nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Mitmenschen.

In der von Carl Popper skizzierten Gestalt des Stückwerksingenieurs verbindet sich für mich überzeugend visionäre Weltverbesserung mit der pragmatischen Suche nach einer brauchbaren Entscheidung: Der Stückwerksingenieur ist ein visionärer Weltverbesserer, der in kleinen Schritten vorgeht. Auf der Suche nach brauchbaren Entscheidungen verbindet er Vision mit pragmatischer Veränderung.

Werte-Puzzle

Bild 2: Sein persönliches Werte-Puzzle muss jeder für sich selbst zusammensetzen – doch der Aufwand lohnt sich: Durch eigene Werte verleihen wir unserem Leben mehr Qualität.

Im Projekt thematisiert der Stückwerksingenieur z.B. die schlechte Umweltbilanz des neuen Produkts und fordert die Teammitglieder auf, gemeinsam nach umweltschonenderen Lösungen zu suchen. Im Erfolgsfall scheut er sich nicht, die Mehrkosten offensiv zu vertreten, die Werte, mit denen sich seine Organisation nach außen hin schmückt, wird er einfordern, zu leben. Scheitert er damit, wird er sich überlegen, wie viel ihm sein Arbeitsplatz wert ist – und wie viel seine Werte.

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