Für eilige LeserInnen: Ein Buch über Projektkultur, ihren Einfluss auf das Projektgeschehen und die Möglichkeiten, sie positiv zu gestalten.
Ein Wort vorweg: "Prozessorientiertes Projektmanagement" ist wie schwarzer Rappe oder nasses Wasser ein tautologischer Pleonasmus - zu deutsch: doppelt gemoppelt. Alle Projekte sind definitionsgemäß Prozesse und bestehen aus Prozessen. Aber es ist ein Titel, der halt gut ankommt. Inhaltlich weitaus treffender hätte ich für dieses Buch die Überschrift aus dem Einführungskapitel gefunden: "Projektmanagement als Gestaltungsaufgabe". Das erscheint mir als die eigenltiche Grundidee der Autoren, die Projektmanagement mehr als Kunst denn als Handwerk auffassen.
Von daher ist es auch nicht möglich, durch eine kurze Rezension das Werk der drei Autoren in seinen vielfältigen Aspekten zu würdigen. Zu viele Facetten, zu viele Ansätze, zu viele Elemente enthält es. Jedem Leser werden zunächst gänzlich unterschiedliche Aussagen auffallen, und er wird vermutlich bei jedem Lesen wieder neue Blickwinkel entdecken.
Was fehlt, ist der rote Faden, an dem man sich orientieren könnte bei der Lektüre. Ein Faden würde auch nicht ausreichen. Statt dessen geben die Autoren den Lesern gleich einen Kompass mit, der zur eigenständigen Erkundung einlädt. Grasl, Rohr und Grasl haben ihrem GPS zur Orientierung in der Projektwelt den Namen "Transformationskompass" gegeben und verbinden damit zwei scheinbar widersprüchliche Dinge: Die beständige Veränderung, Transformation und die richtungsgebende "Einnordung" auf das Ziel.
Der "Norden" des Transformationskompasses ist nicht der Polarstern, die drei Autoren beanspruchen gleich das Dreigestirn aus Vernetzung, Meisterschaft und Transparenz als Ziel eines jeden Transformationsprozesses. Dahinter verbergen sich der systemische Ansatz, der kontinuierliche Verbesserungsprozess und die Führung durch Zielvereinbarung, nur eben ein wenig einfacher und konkreter formuliert.
Zur Erreichung dieser Ziele muss man gemäß den Autoren die fünf "Himmelsrichtungen" des Transformationskompasses durchlaufen:
- Vision als gemeinsames Verständnis des Projektergebnisses im Sinne eines vollständigen Produkts
- Architektur im Sinne der Projektorganisation (Ablauf-, Aufbau- und Entscheidungsstrukturen)
- Transformation als die eigentliche Durchführung einer Änderungen
- Diagnose der neuen Situation
- Reflexion der Transformation im Sinne einer Stärken/Schwächenanalyse
Die drei Ziele und fünf Richtungen bilden den Rahmen des Buchs. In ihn betten die Autoren Führung, Projektinformationssysteme, Kreativitätstechniken, Problemlösungmethoden, Dokumentation, Audits und viele, viele andere Themen ein. Man stößt da auf manches Bekannte wie z.B. das Mindmapping von Buzan, die 5W-Strategie von Ishikawa oder den PDCA.-Zyklus von Juran. Neu ist die systematische Zusammenstellung all dieser einzelnen Gebäude in einer schlüssigen Städteplanung.
Entstanden ist ein anregender, ein interessanter, ein beachtenswerter Diskussionsbeitrag zur ganzheitlichen Projektarbeit, der meines Erachtens nach keineswegs nur auf IT-Projekte beschränkt ist, auch wenn die Erfahrungswelt der Autoren und die Beispiele aus dieser Branche sind.
Warnen möchte ich allerdings vor einem Missverständnis: Die "Modelle, Methoden und Werkzeuge" der Autoren sind beileibe nicht vollständig. Sie zielen im wesentlichen auf die sogenannten "weichen Faktoren" für den Projekterfolg ab und ersetzen keinesfalls sorgfältige Aufwandsschätzung, Projektkalkulation oder fachgerechte Terminplanung.
Wer sich vom reinen Projektplaner zum Projektarchitekten weiterentwickeln mag, wird in "Prozessorientiertes Projektmanagement" viele Denkanstöße und ein in sich stimmiges Handlungsmodell zur Steuerung dynamischer Projekte finden.