Lean Project Management – von der Produktion ins Projekt Mehr Gewinn durch weniger Effizienz?

Mehr Gewinn durch weniger Effizienz?

Achtet Ihr Unternehmen auch darauf, dass Mitarbeiter voll ausgelastet sind? Das bremst die Geschwindigkeit einer Organisation, sagt Joachim Pfeffer und erklärt anschaulich die Zusammenhänge zwischen Auslastung und Kapazität. Er empfiehlt, konsequent Verzögerungen und deren Kosten zu messen – dies offenbart teils hohes Einsparpotenzial.

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Lean Project Management – von der Produktion ins Projekt Mehr Gewinn durch weniger Effizienz?

Mehr Gewinn durch weniger Effizienz?

Achtet Ihr Unternehmen auch darauf, dass Mitarbeiter voll ausgelastet sind? Das bremst die Geschwindigkeit einer Organisation, sagt Joachim Pfeffer und erklärt anschaulich die Zusammenhänge zwischen Auslastung und Kapazität. Er empfiehlt, konsequent Verzögerungen und deren Kosten zu messen – dies offenbart teils hohes Einsparpotenzial.

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Der Begriff "Effizienz" wird von Organisation zu Organisation unterschiedlich verwendet. Immer wieder begegne ich der problematischsten aller Deutungen: Hohe Auslastung bzw. keine Leerlaufzeiten. Die Symptome dieser Denkweise sind für Außenstehende schnell ersichtlich: lange und unkalkulierbare Wartezeiten für Zuarbeit und Entscheidungen, tägliches Re-Priorisieren von Aufgaben und schlechte Stimmung bei den Mitarbeitern. Nach außen sind die Projektergebnisse der Organisation durch den hohen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter dennoch oft in Ordnung – was nicht unbedingt zur Entspannung der Situation beiträgt.

Aus Lean-Sicht ist die Grundherausforderung im Projektmanagement das optimale Ausbalancieren von Auslastung (Effizienz) und Geschwindigkeit bzw. Flexibilität. Dass jeweils das eine das andere ausschließt, wird von vielen Organisationen verkannt, viele sind auf eine hohe Auslastung getrimmt. Um in der heutigen Dynamik der Projektumgebungen schneller zu werden, muss die Auslastung der Projektressourcen (Mitarbeiter, Führungskräfte, Infrastruktur) reduziert werden. Das ist keine philosophische Frage, sondern eine mathematisch begründete Notwendigkeit. Die Tragweite herkömmlichen Handelns und Denkens im Projekt wird meist erst dann deutlich, wenn ein Unternehmen konsequent die Kosten von Liegezeiten (Cost of Delay) erhebt.

Die oben beschriebenen Symptome sind nach meiner Erfahrung organisations- und projektunabhängig, sie reichen vom überlasteten Messlabor über verstopfte IT- und Entwicklungsorganisationen bis zu terminlich unkalkulierbaren Führungskräften. Die in diesem Beitrag vorgestellten Denkansätze bieten eine Grundlage, um die Abläufe in der eigenen Organisation zu überdenken und anzupassen. Die Lösungen und Schwerpunkte sind jedoch für jede Organisation unterschiedlich.

Lean Project Management als Ergebnis einer ganzheitlichen Systemoptimierung

Die Lean-Bewegung, ausgehend vom Toyota Produktionssystem ab den 1940ern, veränderte das Denken in der Fertigung: Kunden und Mitarbeiter rückten deutlicher in den Fokus und bei der Optimierung der Abläufe wurde klar, dass eine Optimierung nur durch eine Systembetrachtung erfolgen kann und nicht durch die Optimierung einzelner Prozessschritte. Dies bedeutete die Abkehr vom bis dahin vorherrschenden Effizienzdenken, das für ein Unternehmen lediglich auf den ersten Blick wirtschaftliche Vorteile bringt. Auch parallel entstandene Konzepte wie die Durchsatzoptimierung mit "Drum-Buffer-Rope" aus der Engpasstheorie oder das aus demselben Umfeld stammende Critical Chain Projektmanagement optimieren den Durchfluss und nicht die Auslastung einzelner Stationen (Lesen Sie hierzu "Critical Chain Project Management. Teil 1: Herrschende PM-Paradigmen als Bremsklotz", Projekt Magazin, Ausgabe 13/2010). Auch hier erfordert die Aufrechterhaltung des Durchsatzes das Vorhalten von Überkapazitäten.

Genau dieses Denken hilft uns, Projekte und andere Abläufe wirtschaftlich zu optimieren. Da Prozesse und Produkte in Projekten oft weniger transparent sind als in der Produktion, ist der für ein Umdenken notwendige kulturelle Wandel schwieriger. Ein Warnhinweis vorab: Obwohl in Produktionen und Projekten dieselben Konzepte und Methoden eingesetzt werden können, sind die Ziele grundlegend unterschiedlich: Während die Produktion bestrebt ist, Variabilität klein zu halten, müssen Projekte Variabilität bewahren oder gar vorantreiben, um Chancen zu nutzen und Innovationen zu fördern.

Vordenker Donald Reinertsen

Einer der Vordenker für den Transfer von Lean-Ansätzen in die Produktentwicklung ist Donald Reinertsen. Er integrierte für seine Verbesserungsprojekte Werkzeuge wie die Warteschlangentheorie oder Denkmodelle aus Netzwerken oder militärischen Operationen. Die Konzepte von Reinertsen und anderen Produktentwicklern gelten nicht nur in Entwicklungsprojekten, sondern sind für das Management aller Projekte äußerst hilfreich, wenn nicht gar essentiell. Dieser Artikel greift die für Planung und Kontrolle von Projekten wichtigsten Themen auf und liefert daraus Tipps für den Projektalltag.

Einheitliche Währung für Entscheidungen

Im Projektalltag gilt es ständig, unter Druck Entscheidungen zu treffen und dabei verschiedene Projektparameter gegeneinander abzuwägen. Meistens werden diese Entscheidungen auf Basis der bisher gemachten Erfahrungen oder nach Bauchgefühl getroffen – beide Wege liefern keine zuverlässige Entscheidungsqualität. Auch wenn die qualitativen Auswirkungen leicht geschätzt werden können (z.B. "kürzere Durchlaufzeiten sind besser."), bleibt es oft eine Bauchentscheidung, wie viel Aufwand in die Optimierung einer Metrik gesteckt werden darf, damit dies für die Organisation noch sinnvoll ist.

Wirklich sinnvoll sind Entscheidungen, wenn sie das betriebswirtschaftliche Ergebnis eines Projekts verbessern. Für eine solide Entscheidungsgrundlage ist es notwendig, die Auswirkungen von Entscheidungen ("Return") in Euro ausdrücken zu können, um in der Balance mit dem Aufwand ("Invest") für jede Entscheidung den Return-On-Invest festlegen und optimieren zu können.

Eine Organisation sollte in der Lage sein, folgende beispielhafte Fragen zu beantworten:

Alle Kommentare (4)

Renate
Raschke

Hallo Herr Pfeffer, die gedanklichen Ansätze finde ich super und für jede Führungskraft notwendig. Nur unternehmenssystemisch lässt sich Projektmanagement effizient gestalten. Ob die Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen und mathematischen Berechnungen dabei hilfreich und für die Betroffenen nachvollziehbar sind...??? Mit besten Grüßen

 

Hallo Frau Raschke, . Solche Theorien und Modelle werden vom Management in Reinform kaum akzeptiert. So meine Erfahrung. . Erst, wenn ich Zahlenbeispiele aus der Unternehmenspraxis vorlege, die diese Zusammenhänge offensichtlich belegen, entsteht Betroffenheit. Damit kann dann ein Wandel gelingen. . Grüße Hartmut Goetze . P.S. Ein Artikel mit Klasse, Herr Pfeffer!

 

Hallo Frau Raschke, vielen Dank. Das mit den Beispielen ist in der Tat ein spannender Punkt, den ich auch mit der Redaktion diskutiert hatte. In den ersten Versionen des Artikels hatte ich keine Beispiele drin. Der Anspruch der Redaktion ist jedoch auch eher philosophische Themen auf die Praxis runterzubrechen. So sind die Beispiele reingekommen ;) Ob sie für die Praxis was bringen? Darüber lässt sich trefflich diskutieren Ich denk: alleine zu sehen in welcher Größenordnung die Ergebnisse liegen, ist vielleicht ganz nützlich um die Relevanz der Themen einzuordnen. Viele Grüße Joachim Pfeffer

 

Uwe
Sieß

Hallo Herr Pfeffer, ein wirklich gelungener Bericht über die Logik von suboptimaler Auslastungsoptimierung (in Projekten). Chapeau Herr Pfeffer! Als Herausforderung sehe ich es allerdings, die tatsächlichen COD bei einem konkreten Projekt, welches eben unter diesem "Optimierungsdruck" steht, zu erheben. Wer im Team kann diese Daten erheben, wenn jedes Projektteam-Mitglied schon so auf "Leanstream" getrimmt ist, dass kaum Zeit für die inhaltlich festgeschriebene Leistungspakete bleibt? Meine Antwort gebe ich mir dann auch gleich selbst: Es kann dann gelingen, wenn die Projektleitung die notwendigen Puffer bei den Arbeitspaketen, Sprints oder Kapaplanungen bewußt einplant(versteckt?), und sie mit Intelligenz als Freiräume für kreatives Arbeiten einsetzt. Damit schließt sich m.E.n. auch der Kreis zur Parabel, der Projektleiter sei der Unternehmer auf Zeit im Unternehmen. Erfolgreiche Unternehmer geben nicht alles Wissen über das Produkt und dessen Erstellung preis, sie behalten sich einen Plan B als Risikomaßnahme in der Hinterhand für den Fall der Fälle. Kommentierung erwünscht.