Wenn das Projekt in Schieflage gerät So kommunizieren Sie souverän in der Krise

Solange alles gut läuft, fällt den meisten Projektleitern die Kommunikation und das Marketing im Projekt leicht. Gerät jedoch das Projekt ernsthaft in die Krise, empfinden viele die etablierten Informationsroutinen als Belastung, so Elisabeth Wagner. Sie stellen sich die Frage: "Und über diesen ganzen Ärger soll ich jetzt auch noch alle informieren?" Die Antwort lautet: "Ja, das ist durchaus sinnvoll." Wie Sie in einer Krisensituation gegenüber den Stakeholdern richtig kommunizieren und die Krise sogar für Ihr Projektmarketing positiv nutzen können, um negativer Stimmung im Unternehmen zu begegnen, erfahren Sie anhand konkreter Beispiele.

Wenn das Projekt in Schieflage gerät So kommunizieren Sie souverän in der Krise

Solange alles gut läuft, fällt den meisten Projektleitern die Kommunikation und das Marketing im Projekt leicht. Gerät jedoch das Projekt ernsthaft in die Krise, empfinden viele die etablierten Informationsroutinen als Belastung, so Elisabeth Wagner. Sie stellen sich die Frage: "Und über diesen ganzen Ärger soll ich jetzt auch noch alle informieren?" Die Antwort lautet: "Ja, das ist durchaus sinnvoll." Wie Sie in einer Krisensituation gegenüber den Stakeholdern richtig kommunizieren und die Krise sogar für Ihr Projektmarketing positiv nutzen können, um negativer Stimmung im Unternehmen zu begegnen, erfahren Sie anhand konkreter Beispiele.

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In Ihrem Projekt ist passiert, was keinesfalls hätte passieren dürfen: Ein wichtiger Termin ist geplatzt. So sind z.B. nach der Ausgliederung eines Teils des Unternehmens in eine selbstständige GmbH beim letzten Test der angepassten neuen Personalsoftware unerwartete Fehler aufgetreten. Die Behebung dieser Fehler verzögert die operative Inbetriebnahme und die pünktliche Auszahlung der Gehälter.

Sie stehen also nicht vor einer normalen Herausforderung, sondern vor einem schwerwiegenden Problem, das in die Kategorie "Krise" oder "Katastrophe" fällt. Würden Sie in dieser Situation Ihre Projektkommunikation nicht am liebsten "auf Eis" legen? Meetings mit den Stakeholdern durchzuführen, Newsletter zum Projektfortschritt zu verschicken, die Projekt-Website mit positiven Zwischenergebnissen upzudaten macht Spaß, wenn man sein Team loben und über Fortschritte berichten darf. Aber in der jetzigen Situation? Sollen Sie diese Tiefschläge auch noch selbst "unters Volk" bringen?

Ja, genau, das sollen Sie, denn

  • wer schnell und ehrlich auch über Krisen berichtet, hat eine gute Chance, deren Wahrnehmung entscheidend zu prägen und Schlimmeres zu verhindern, nämlich dass die Motivation und das Engagement der Projektbeteiligten nachlassen und dadurch weitere Termin- und Qualitätsprobleme entstehen, und
  • wer in Krisen und bei Problemen im Bereich der Kommunikation kneift, verliert schnell an Glaubwürdigkeit, so dass das Zutrauen in die Kompetenzen schwindet.

Das Gebot der Stunde lautet: Benennen Sie das Problem und zeigen Sie Lösungswege auf. Damit verhindern Sie, dass die Projektbeteiligten das Geschehene als schwerwiegender ansehen, als es eigentlich ist, was leicht zu einer Situation von Self-Fulfilling-Prophecy führen kann. So könnten die Projektmitarbeiter z.B. aus den aufgetretenen Problemen beim Test der neuen Gehaltsabrechnungs-Software schließen, dass die Lösung, die implementiert werden soll, grundsätzlich nicht geeignet ist, und nicht mehr motiviert sein, sich engagiert an ihrer Verbesserung zu beteiligen. Und schon kommt ein Produkt heraus, dessen Qualität tatsächlich mangelhaft ist – obwohl das ursprüngliche Problem mit vereinten Kräften durchaus zu lösen gewesen wäre. Wenn Sie selbst aktiv über die Krisensituation berichten, können Sie eine solche Entwicklung relativ leicht vermeiden.

Die Krise als Marketing-Chance

Zudem können Krisen – so widersprüchlich das zunächst klingen mag – durchaus eine Gelegenheit für Sie sein, das Projekt speziell und Projektmanagement an sich im Unternehmen positiv darzustellen. Denn Sie können zeigen, wie Projektcontrolling, Risikomanagement, Change-Request-Verfahren und andere typische Projektmanagementmethoden helfen, bei Problemen professionelle und schnelle Antworten zu finden.

Kriterien für das richtige Vorgehen

Es gibt einige wesentliche Punkte, die Sie beachten müssen, damit Ihre Krisenkommunikation im Projekt erfolgreich ist:

  • Reagieren Sie schneller als der "Flurfunk",
  • vermeiden Sie es, widersprüchliche oder sogar falsche Informationen weiterzugeben,
  • sprechen Sie sich mit allen ab, die innerhalb und außerhalb des Projekts für das Thema zuständig sind, und
  • halten Sie bei der Information der Stakeholder die richtige Reihenfolge ein.

Schneller als der "Flurfunk"

Ganz entscheidend für eine erfolgreiche Krisenkommunikation ist die Geschwindigkeit, mit der Sie Probleme gegenüber den Projektbeteiligten zur Sprache bringen. Ergreifen Sie sofort die Initiative, wenn Probleme auftreten, und versuchen Sie, unbedingt schneller als der "Flurfunk" zu kommunizieren. Denn dann ist es Ihre Interpretation und Bewertung der Ereignisse, die als Erstes wahrgenommen wird, und nicht die irgendeines "Schwarzmalers", der Team und Umfeld demotiviert.

Wie viel Zeit Ihnen zur Verfügung steht, hängt von der Verbreitungsgeschwindigkeit der Kriseninformation ab. Wenn Ihnen ein Programmierer unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitteilt, dass der in einigen Tagen angesetzte Softwaretest für das neue Personalsystem voraussichtlich ernsthafte Probleme aufwerfen wird, haben Sie einen Informationsvorsprung und einige Tage Zeit, Ihre Kommunikation zu planen. Wenn der Test unter Beteiligung zahlreicher Mitarbeiter aus unterschiedlichen HR-Bereichen unerwartet schief gegangen ist, müssen Sie damit rechnen, dass sich die Nachricht in Windeseile im ganzen Unternehmen verbreitet, und sehr schnell reagieren. Die Chance, frühzeitig kritische Informationen zu erhalten, steigt, wenn Sie es als Projektleiter geschafft haben, zu möglichst vielen Projektbeteiligten eine gute Vertrauensbasis aufzubauen.

Weitergabe widersprüchlicher und falscher Informationen vermeiden

Noch schlimmer als zu spät oder gar nicht zu kommunizieren, ist es, übereilt widersprüchliche oder sogar falsche Informationen zu verbreiten. Als erste Reaktion auf die Krisenmeldung, die Sie selbst bekommen haben, müssen Sie deshalb ein in sich stimmiges Statement formulieren. Rufen Sie die zuständigen Experten zusammen, klären Sie, was geschehen ist, und formulieren Sie gemeinsam mit den Experten Ihre Sicht der Dinge über die aktuelle Situation und die Auswirkungen. Im Falle der Personalsoftware könnte das z.B. darauf hinauslaufen, dass Sie dem möglichen Gerücht vorbeugen, dass die Software komplett unbrauchbar ist, und als Minimallösung die pünktliche Auszahlung der Grundgehälter ankündigen, und zugleich für die Auszahlung der Überstunden Verzögerungen nicht ausschließen.

Alle Beteiligten gleichermaßen informieren

Wichtig ist, dass Sie Ihr Statement auch schriftlich festhalten und an alle an der weiteren Kommunikation Beteiligten – im vorliegenden Fall die Projektmitarbeiter, aber auch die im Test involvierten Personaler aus der Linie und Personalführungskräfte – weitergeben. Nur so können Sie sicherstellen, dass alle über die Situation im Bilde sind.

Absolut in Ordnung ist es, die Lösung des Problems noch offen zu lassen. Keiner erwartet, dass Sie die Lösung gleich "aus dem Boden stampfen". In dieser Situation angemessen sind Formulierungen, die zum vertrauensvollen Abwarten aufrufen wie: "Der Test unserer neuen Personalsoftware hat ergeben, dass das Einspielen der Daten aus unserem elektronischen Zeiterfassungssystem zu Systemabstürzen führt. Experten für diese Schnittstelle auf Seiten des Lieferanten werden in der kommenden Woche gemeinsam mit den IT-Betreuern für diese Systeme und Personalmitarbeitern aus dem Projekt die Ursachen analysieren und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Wenn im schlimmsten Fall die Probleme bis zur ersten Gehaltszahlung nicht gelöst sind, werden wir für die Auszahlung die Grundgehälter zu Grunde legen und später anhand der Zeiterfassung nachkorrigieren."

Sinnvolle Informationskaskaden initiieren

Wer wird zuerst informiert? In dieser Frage orientieren Sie sich am besten daran, wer den größten Einfluss auf das Projekt hat. Eine ordentliche Stakeholderanalyse in der Planungsphase zahlt sich jetzt aus, denn hier haben Sie Ihre Zielgruppen ja bereits nach diesem Kriterium geordnet. Im vorliegenden Fall stellen z.B. die Führungskräfte der Fachabteilungen und der Betriebsratsvorsitzende wichtige Meinungsbildner dar und werden nach dem Auftraggeber, dem Personalvorstand, zuerst informiert.

Bei der Frage nach dem "Wie?" lautet die erste Regel: Je mehr Sie persönlich, also mündlich, erledigen, desto besser. Besonders diejenigen, die durch das, was schiefgelaufen ist, Nachteile befürchten müssen – allen voran der Auftraggeber – wissen es zu schätzen, wenn sie mündlich unterrichtet werden. Für Sie sind diese Face-to-Face-Termine vielleicht etwas unangenehm, doch Sie können davon ausgehen, dass Ihnen danach die Projektarbeit um einiges leichter fällt. Denn zum einen haben Sie im direkten Gespräch die Chance, Ihre Sicht der Dinge darzustellen, auf Fragen, Befürchtungen etc. gleich zu reagieren. Zum anderen gilt: Wer seinen Ärger schon mal artikulieren konnte, ist eher bereit und fähig, über Lösungen nachzudenken.

Damit diese ersten Ansprechpartner Ihre Nachricht wiederum gut weitergeben, vergessen Sie niemals, ihnen nach dem persönlichen Gespräch eine E-Mail mit dem formulierten Statement hinterher zu schicken. So vermeiden Sie in der Regel Missverständnisse und den bekannten und gefürchteten "Stille-Post-Effekt", bei dem eine Botschaft mit jeder Weitergabe ein wenig verändert wird, bis sie kaum mehr was mit dem Original zu tun hat.

Neben der mündlichen Information können Sie sich gut am bisherigen Kommunikationskonzept orientieren. Wenn etwa die Mitarbeiter der Personalbereiche und alle Führungskräfte mit Personalverantwortung regelmäßig einen Newsletter erhalten, bietet sich eine kurze Sonderausgabe an. Und die Startseite der Projektwebseite ist für die schnelle Information aller Mitarbeiter geeignet, die wissen wollen, ob ihr Gehalt demnächst pünktlich ankommen wird.

Inhalte der Krisenkommunikation

Natürlich ist die Krisenkommunikation nicht auf eine Bekanntgabe der Probleme und ihrer Auswirkungen beschränkt. Dazu gehört noch einiges mehr. Zu empfehlen ist folgendes Vorgehen:

  • Schritt 1: das Thema "besetzen"
  • Schritt 2: Lösungswege aufzeigen
  • Schritt 3: die bewältigte Krise als Success-Story aufbereiten

Schritt eins: das Thema "besetzen"

Zunächst geht es darum, das Problem sachlich und ehrlich zu benennen. Wenn es Ihnen gelingt, als Erster über das Thema zu informieren, können Sie das Projekt vor schnell und wild wuchernden Gerüchten schützen, wie oben bereits angedeutet. Wenn der Softwaretest für die Gehaltsabrechnung nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht hat, weil die Daten aus der Zeiterfassung nicht eingespielt werden konnten, vermeldet der Flurfunk erstaunlich schnell: "Wir werden zum geplanten Termin nicht fertig, wahrscheinlich bekommen wir unser Gehalt nicht rechtzeitig." Sie aber können darüber informieren, dass es zwar Probleme mit der Schnittstelle zum Zeiterfassungssystem gibt, aber die neue Software bereits lauffähig ist und die Daten der Mitarbeiterkonten, auf denen die Zahlungen überweisen werden müssen, bereits im System integriert sind. Dadurch können Sie im schlimmsten Fall die Auszahlung der Gehälter auf Basis der Grundgehälter vornehmen.

Optimal ist es, wenn Schritt zwei – konkrete Lösungswege aufzeigen – gleichzeitig mit Schritt eins stattfindet. Wenn das nicht geht, verschaffen Sie sich Luft durch die Ankündigung des weiteren Vorgehens: "Experten für die betroffenen Systeme aus unserem Haus und der jeweiligen Hersteller setzen sich Anfang nächster Woche zusammen, um die Ursachen für das Problem zu klären und Abhilfe zu schaffen. Für den Fall, dass die Lösung wider Erwarten nicht mehr rechtzeitig vor der ersten Gehaltszahlung umgesetzt ist, wird die Task Force bis zur nächsten Gehaltsauszahlung als Notlösung die Voraussetzung für die Auszahlung auf Basis der Grundgehälter schaffen." Das signalisiert Gelassenheit und schafft Vertrauen, dass Wille und Kompetenz zur Bewältigung der Krise vorhanden sind, auch wenn das konkrete Umsetzungskonzept noch nicht vorliegt.

Sehr hilfreich kann es sein, wenn der Auftraggeber "Flagge zeigt" und klarstellt, dass das Projekt an sich nicht infrage gestellt ist. Also bitten Sie ihn in dieser Situation aktiv um Unterstützung. In der Regel fühlen sich die Auftraggeber ja durchaus für "ihre" Projekte verantwortlich und sind bereit zu helfen, um Schaden vom Projekt abzuwenden. Schwierig wird es allerdings, wenn Sie wenige Argumente für einen positiven Ausgang in der Hand halten. Dann kann es sein, dass niemand mehr "den Kopf hinhalten" will und Sie auf sich allein gestellt sind. Doch wenn Sie selbst zuversichtlich sind, dass Sie das Problem gemeinsam mit allen Projektbeteiligten lösen werden, wird das auch der Auftraggeber – den Sie ja möglichst im persönlichen Gespräch informieren – spüren und bei der Entschärfung der Krise mitmachen.

Auch bei der schriftlichen Information an größere Kreise ist ein persönlicher Stil am wirksamsten. Zum einen sollte sich der Empfänger unmittelbar angesprochen fühlen und Ermunterung erfahren, zum anderen sollte die Nachricht von den wesentlichen Entscheidungsträgern im Projekt unterschrieben werden. Eine Krisenmeldung, die mit "das Projektteam" oder gar nicht unterzeichnet ist, vermitteln leicht den Eindruck, die Situation sei so schlimm, dass niemand mit ihr in Verbindung gebracht werden möchte.

Schritt zwei: konkrete Lösungswege aufzeigen

Beim Aufzeigen von Lösungswegen ist ein Kompromiss zwischen Schnelligkeit und Sorgfalt sinnvoll. Nichts entschärft die Projektkrise besser als das schnelle Aufzeigen konkreter Lösungswege. Andererseits kann es zu noch mehr Unsicherheit und Unzufriedenheit bei den Projektbeteiligten führen, wenn Sie als Projektleiter bereits angekündigte Lösungen kurze Zeit später zurücknehmen müssen.

Ob es sinnvoll ist, mehrere alternative Lösungsmöglichkeiten anzusprechen, muss fallweise entschieden werden. Kriterium ist, ob Sie davon ausgehen können, dass die Unsicherheit dadurch steigt oder sinkt. Ersteres ist in der Regel der Fall, wenn die angesprochenen Handlungsalternativen Ängste auslösen können. Beruhigend wirkt das Nennen verschiedener Lösungsmöglichkeiten hingegen, wenn die Alternativen für alle einigermaßen gut verträglich sind. So könnte z.B. die Ankündigung, neben der internen Suche nach Lösungen habe man den Hersteller dringend dazu aufgefordert, das Problem zu lösen, bei den Mitarbeitern den Eindruck erwecken, dass bereits nach einem Schuldigen für das kommende "Desaster" gesucht werde. Wenn die Alternativen dagegen darin bestehen, bei anhaltenden Problemen zumindest die Zahlung der Grundgehälter sicherzustellen oder die Gehaltszahlung als Service noch zwei Monate lang von der alten Firma zu kaufen, dann trägt das eher zur Entspannung bei, denn beide Lösungen bedeuten: Es kommt Geld aufs Konto.

Die Suche nach den Schuldigen sollte nicht das Thema sein. Ausdrückliche Fragen danach lassen sich gerade in dieser Phase gut mit der Aussage entschärfen, dass es jetzt darum geht, schnell die richtigen Lösungen zu finden. Diese sollten klar und verständlich beschrieben sein: Was wird getan, bis wann, von wem? Ist damit das Problem ganz oder teilweise gelöst? Wenn das Problem zunächst nur teilweise gelöst werden kann, was wird wann von wem getan, um auch die offenen Punkte noch zu regeln? In unserem Beispiel sollte also mit der Ankündigung, dass die Lösung tatsächlich in der Auszahlung der Grundgehälter besteht, darüber informiert werden, wann und wie die Überstunden und sonstigen Zeitkorrekturen berechnet werden.

Schritt drei: die bewältigte Krise als Success-Story aufbereiten

Manchmal setzen Krisen beeindruckende Kräfte frei: Mitarbeiter finden kreative Lösungen, alle ziehen an einem Strang und schneller als erhofft ist das Problem gelöst. Hinter solchen Abläufen stecken spannende Geschichten für das Projektmarketing. Es sind Gelegenheiten, gute Leistungen darzustellen und gute Leute hinter den Kulissen ins "Rampenlicht" zu bringen.

Wenn ein sorgfältiges Vorgehen in der Planungsphase, ein vorausschauendes Risikomanagement oder ein anderes typisches Projektmanagementverfahren zur Lösung beigetragen haben, ist das eine schöne Gelegenheit, das Projektmanagement selbst positiv darzustellen. Und auch in dieser Phase der Krisenkommunikation sollte neben aller sachlichen Beschreibung der menschliche Aspekt nicht fehlen. Ein Dankeschön von der Geschäftsführung, ein persönliches Statement des Projektleiters oder Aussagen von in der Krise besonders hilfreichen Mitarbeitern erhöhen die Sympathiewerte für das Projekt.

Praxisbeispiel: Krise im Reorganisationsprojekt

Herausforderung

Ein Industrieunternehmen ist dabei, seine Produktion komplett umzustellen. Die neuen Prozesse werden im Projekt von einem bereichsübergreifenden Team erarbeitet. Der Terminplan ist eng, die Projektmitarbeiter stehen unter hohem Druck, da sie nach wie vor auch in der Linie gebraucht werden. Zunächst geht die Arbeit gut voran, die Stimmung ist prima. Doch am Anfang der Prozessumsetzungsphase, die auch noch mit stark wachsenden Auftragseingängen einhergeht, kommt es zu einer handfesten Krise. Das Projektteam fühlt sich zeitlich völlig überlastet und von der Projektleitung und Geschäftsführung bei der Lösung dieses Ressourcenproblems im Stich gelassen. Da die Projektmitarbeiter nach wie vor engen Kontakt zu ihren Kollegen in der Produktion haben, droht im gesamten Betrieb der Eindruck zu entstehen, dass die Geschäftsführung es mit der Reorganisation nicht wirklich ernst meint. Denn wenn die Geschäftsführung für die Umsetzung der geplanten Prozesse keine ausreichenden Ressourcen bereitstellt, kann es ja wohl nicht so wichtig sein …

Krisenkommunikation

Der Auftraggeber aus der Geschäftsführung und der Projektleiter laden gemeinsam zu einer Veranstaltung ein, auf der Zwischenbilanz gezogen werden soll. Sie fordern die Mitglieder des Projektteams ausdrücklich auf, "ungeschminkt" ihre Kritikpunkte zu nennen. Da die Geschäftsführung bereits früher bei kleineren Problemen positiv mit offen geäußerter Kritik umgegangen war und sich sichtlich um Abhilfe bemühte, äußern die Projektmitarbeiter auch diesmal klar ihre Kritik. Auf diese Weise wächst das Vertrauen der Mitarbeiter weiter, dass ihre offenen Worte tatsächlich etwas bewirken und diese Offenheit nicht bestraft wird. Nachdem Geschäfts- und Projektleitung am Tag der Zwischenbilanz vor allem zugehört haben, findet bereits am Tag darauf ein ad hoc einberufener Workshop zur Problemlösung statt. Projektteam, Projektleitung und Auftraggeber erarbeiten eine Liste von Maßnahmen, wie eine stärkere Entlastung der Projektmitarbeiter, eine Intensivierung der Kommunikation mit dem Lenkungsausschuss und eine bessere Planung erreicht werden können, und beschreiben auch, wie diese Ziele konkret realisiert werden sollen und vom wem.

Das zentrale Projektmedium – es handelt sich um ein gedrucktes Magazin, das an den Werkstoren ausliegt – berichtet auf der Seite eins über die Krisenstimmung – inklusive Fotos von sorgenvollen Mienen, Folien und Grafiken, die ebenfalls die negative Situation im Projekt transportieren. Der Titel des Artikels ist sachlich gehalten und bezieht sich auf die Zwischenbilanz und nicht auf die Krise, um bei den Lesern, die erst oder nur die Überschrift lesen, nicht den Eindruck einer anhaltenden Krisenstimmung zu vermitteln. Diejenigen Mitarbeiter, die auch die Texte lesen – und das sind in Anbetracht der starken persönlichen Betroffenheit durch das Reorganisationsprojekt die meisten –, finden bereits auf der nächsten Seite einen Artikel zum Thema "Wege aus der Krise". Hier werden die im Workshop geplanten Maßnahmen kommuniziert. Um bei aller Krisenstimmung auch auf die Fortschritte hinzuweisen, enthält dieser Artikel einen Kasten mit dem Auszug der Projektteilerfolge, die im Laufe des Workshops zur Sprache gekommen waren. Einige Wochen später folgt die Success-Story. "Es geht voran!" und "Aus der Krise gelernt" kommentieren Projektmitarbeiter den aktuellen Stand, denn u.a. wurden zwischenzeitlich die zahlreichen Projektaufgaben gemeinsam mit Projektleitung und Auftraggeber priorisiert und ein Zeitplan festgelegt. Die Mitglieder des Projektteams berichten auch über das gestiegene Vertrauen darauf, dass die neue Organisation in der Lage sein wird, auch mal schwierige Situationen zu meistern.

Praxisbeispiel: Krise im SAP-Projekt

Herausforderung

Ein mittelständischer Betrieb der pharmazeutischen Industrie stellt seine gesamte operative IT auf SAP um. Da die Unternehmensprozesse, wie z.B. Produktionsplanung, Produktion und Logistik, ausnehmend komplex sind, stellt dies auch an die Anpassung der neuen IT-Lösung enorme Anforderungen. Dies gilt entsprechend auch für die ins Projekt entsandten Fachleute, die zumindest teilweise noch ihre Linien- bzw. Führungsaufgaben zu leisten haben. In den Wochen vor der Inbetriebnahme der neuen Software ist die Stimmung im Team extrem angespannt. Neue Anforderungen und unerwartete Probleme tauchen auf, das Projektteam arbeitet bis zum Anschlag. Und es kommt noch dicker: Bei der Datenmigration gehen wichtige Informationen verloren und Termine für die Anpassung des SAP-Systems an die tatsächlichen Unternehmensprozesse "laufen aus dem Ruder". Als auch noch der erste Praxis-Simulationstest in der Produktion schiefläuft, droht der völlige Vertrauensverlust in die planmäßige Realisierung des Projekts und die Projektleitung weiß: Wenn jetzt das Engagement nicht auf dem bisherigen Niveau gehalten werden kann, verschieben sich die Termine, und zwar deutlich, denn erstens stehen die Sommerferien vor der Tür und zweitens ist die hohe Motivation nicht über den ersten Endtermin hinaus zu halten. Ziel ist es deshalb, die Termine unbedingt wieder "einzufangen" und dazu braucht das Projekt das Vertrauen und anhaltende Engagement seines Teams und vieler anderer Menschen im Betrieb.

Krisenkommunikation

Dass der Test am Freitag stattgefunden hat, erweist sich als Glücksfall. So bleibt übers Wochenende Zeit, die Krisenkommunikation zu planen. Im Projektnewsletter – er wird elektronisch, für die Beschäftigten in den Werkshallen aber auch gedruckt verteilt – wird ausführlich beschrieben, was funktioniert hat, z.B. die Unterstützung des eigentlichen Produktionsprozesses durch die neue Software, und was nicht, z.B. die Wareneingangsbuchung. Auf diese Weise wird der Gefahr begegnet, dass die Mitarbeiter den Eindruck gewinnen, dass "alles schief gegangen" ist. Der Lösungsweg für die Probleme ist im Bericht über den Test bereits enthalten: Ein Hindernis nach dem anderen war im Laufe des Tages beseitigt worden, z.B. wurden Stammdaten-Tabellen "repariert" – nur leider war es darüber zu spät geworden, um den gesamten Test nochmals durchzuführen. In einem persönlichen Statement kommentiert der Projektleiter, seiner Erfahrung nach sei das Ausbleiben der erwarteten Testergebnisse mehrfach so interpretiert worden, als gehe gar nichts vorwärts, was aber keineswegs stimme. Er nennt konkrete Beispiele für das, was bereits erreicht wurde, und postuliert ausdrücklich: Es gibt allen Grund, optimistisch zu bleiben. Die Kommunikationsstrategie geht auf: Mit hohem Einsatz gelingt es, den Terminplan zu halten.

In einer späteren Ausgabe des Projektnewsletters wird unter dem Titel "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" auf anschauliche Weise beschrieben, wie im Projekt unerwartete Probleme und die damit verbundenen Verzögerungen immer wieder gemeistert wurden, indem z.B. die Projektleitung erkannte Schieflagen sofort zur Chefsache erklärt und die Geschäftsführung zusätzliche Spitzenleute für die Problemthemen eingekauft hatte. Auch das hohe Engagement jener zahlreichen Mitarbeiter, die, ohne "auf die Uhr zu schauen", Problemlösungen erarbeitet hatten, und ihrer Kollegen, die sie im Alltagsgeschäft entlastet hatten, wird hier beschrieben und damit gewürdigt.

Fazit

In der Projekt-Krise sollte die Kommunikation mit den Stakeholdern nicht als zusätzliche lästige Pflicht angesehen werden, die dem Projektleiter, wenn es brennt, nur Zeit und Ressourcen für viel wichtigere Dinge stiehlt. Ganz im Gegenteil: Eine schnelle, offene und Lösungswege aufzeigende Projektkommunikation wirkt souverän und ist ein hilfreiches Mittel, um die negativen Konsequenzen von unerfreulichen Ereignissen im Projekt einzudämmen, die Ausbreitung schädlicher Gerüchte zu vermeiden und die Akzeptanz für die gefundenen Lösungswege zu erhalten.

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Kommentare 2

Alle Kommentare (2)

Jürgen
Kaiser

Der richtige Artikel zur richtigen Zeit. Leider werden ihn die richtigen Personen nicht lesen...

 

Jochen
Graf

Sehr guter Artikel und immer aktuell!