Werte- und Entwicklungsquadrat

Ärger und Konflikte sind Chancen für persönliches Wachstum. Auf fragwürdige Verhaltensweisen des Gegenübers reagieren wir oft mit Ablehnung und Verurteilung. Dahinter steckt meist Neid – und dahinter sogar Bewunderung. Denn auch in einem negativ bewerteten Verhalten liegt immer eine bewundernswerte Stärke verborgen, die allerdings kaum zu sehen ist. Mit dem Werte- und Entwicklungsquadrat kommen wir uns selbst auf die Schliche und erkennen sowohl die positiven Eigenschaften des anderen als auch unsere eigenen blinden Flecken. Zugleich können wir die Konfliktsituation einer konstruktiven Lösung zuführen.

Werte- und Entwicklungsquadrat
Download PDFDownload PDF

Werte- und Entwicklungsquadrat

Ärger und Konflikte sind Chancen für persönliches Wachstum. Auf fragwürdige Verhaltensweisen des Gegenübers reagieren wir oft mit Ablehnung und Verurteilung. Dahinter steckt meist Neid – und dahinter sogar Bewunderung. Denn auch in einem negativ bewerteten Verhalten liegt immer eine bewundernswerte Stärke verborgen, die allerdings kaum zu sehen ist. Mit dem Werte- und Entwicklungsquadrat kommen wir uns selbst auf die Schliche und erkennen sowohl die positiven Eigenschaften des anderen als auch unsere eigenen blinden Flecken. Zugleich können wir die Konfliktsituation einer konstruktiven Lösung zuführen.

Werte- und Entwicklungsquadrat
Wir empfehlen zum Thema Kommunikation
4 Stunden
30.01.2025
425,00,-
KI im Projektmanagement: Revolutionieren Sie Ihre Arbeitsweise

In diesem Seminar lernen Sie, wie KI Ihr Projektmanagement revolutionieren kann. Sie erhalten Einblicke in verschiedene KI-Methoden und deren Anwendung in Datenanalyse, Risikoeinschätzung und Entscheidungsfindung. Der Kurs vermittelt tiefgehende Kenntnisse zur Steigerung von Effizienz und Effektivität und befähigt Sie, KI-basierte Lösungen in Ihre Projekte zu integrieren. Mehr Infos

Einsatzmöglichkeiten

Die Methode können Sie überall da einsetzen, wo Sie sich über das Sozial- und / oder Kommunikationsverhalten Ihrer Mitmenschen ärgern. Einige Beispielsituationen sind:

  • im Dialog, wenn jemand die Augen verdreht, die Nase rümpft oder Sie mit Reizformulierungen versorgt
  • im Meeting, wenn jemand zu spät kommt, Sie unterbricht oder teilnahmslos aus dem Fenster schaut, wenn Sie sprechen
  • bei einem Vortrag, wenn bestimmte Zuhörer*innen alles besser wissen, auf dem eigenen Smartphone herumtippen oder sich lautstark mit dem Nachbarn unterhalten

 

Ergebnisse

  • Sie urteilen nicht mehr (nur) über das Gegenüber, sondern erkennen in seinem unerwünschten Verhalten eine verborgene Kompetenz.
  • Sie nehmen zudem wahr, was die andere Person braucht bzw. was ihr fehlt. Sie entwickeln somit Grundlagen für ein späteres Feedback für sie bzw. ihn.
  • Sie erkennen, dass hinter Ihrer Ablehnung des anderen eine Form von Neid oder sogar Bewunderung steckt
  • Im besten Fall erkennen Sie, dass der andere ein Spiegel ist – und zwar ein doppelter: Zum einen spiegelt er Ihnen, was Sie an sich auch nicht mögen; zum anderen, was Sie sich auch (etwas mehr) bei sich wünschen.

Vorteile

Die Methode wirkt immer und überall, unabhängig von Person, Anlass und Ort.
Was auf den ersten Blick als lästig erscheint, wird auf den zweiten Blick Chance zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung.
Das Werte- und Entwicklungsquadrat ist für viele die nachhaltigste und fundierteste Methode zur Analyse und Lösung von Konfliktsituationen.

Durchführung: Schritt für Schritt

Das Werte- und Entwicklungsquadrat bietet sich immer dann an, wenn Sie über jemanden schlecht geurteilt haben. Dies erkennen Sie daran, dass Sie negativ besetzte Begriffe bzw. Reizformulierungen verwenden. Dabei kann es sich gleichermaßen um Adjektive, Verben oder Substantive handeln. Typische Formulierungen, ob ausgesprochen oder nur gedacht, lauten: "Wie kann der nur so arrogant sein?" oder "Typisch, dass die wieder so trödelt!" oder "Was für ein Trickser!"

Die hier beschriebene Verwendung des Werte- und Entwicklungsquadrats setzt genau bei einem solch negativ assoziierten Begriff an und führt Sie Schritt für Schritt zu einer doppelten Erkenntnis:

  1. Hinter der Abwertung des anderen steckt entweder eigene Abwertung oder Neid auf den anderen.
  2. Der Andere ist somit ein "kostenloser und kostenfreier Persönlichkeitsentwicklungshelfer". Mit anderen Worten (Erklärung s.u.): Ein "Arsch-Engel"!

Das Werte- und Entwicklungsquadrat

Die Methode öffnet Ihnen die Augen dafür, dass in jeder noch so ablehnungswürdigen Verhaltensweise des Gegenübers eine bewundernswerte Stärke verborgen liegt, auch wenn sie selten auf den ersten Blick zu sehen ist. Grundlage des hier beschriebenen Vorgehens bildet das Werte- und Entwicklungsquadrat, wie es Schulz von Thun (siehe Abschnitt "Herkunft") beschreibt. Schauen wir uns deshalb zunächst die Grundlagen des Werte- und Entwicklungsquadrats an, bevor wir damit arbeiten. Bild 1 skizziert dieses Quadrat mit seinen vier Ecken:

  • die positive Eigenschaft (Tugend), z.B. Mut (links oben)
  • die übertriebene, entwertete Tugend, z.B. Leichtsinn (links unten)
  • die zur positiven Eigenschaft gehörige, ausgleichende Eigenschaft (Schwestertugend), z.B. Vorsicht (rechts oben)
  • die übertriebene, entwertete Schwestertugend, z.B. extreme Ängstlichkeit (rechts unten)
Skizzierte Darstellung des Werte- und Entwicklungsquadrats
Bild 1: Skizzierte Darstellung des Werte- und Entwicklungsquadrats

Tugend, Schwestertugend und ihre Übertreibungen

Das Modell basiert auf der Annahme, dass jeglichem Verhalten eine Kompetenz zu Grunde liegt. Ob "gutes" Verhalten oder "böses" Verhalten, kein Verhalten ist ohne Kompetenz möglich. Der Unterschied zwischen einem guten Verhalten und einem korrespondierenden bösen Verhalten besteht allein im Ausmaß der gezeigten Kompetenz. Ist die Kompetenz "normal" entwickelt bzw. günstig, so sprechen wir von einer Tugend (siehe Bild 1, Kästchen links bzw. rechts oben).

Wird die Kompetenz nun zu stark entwickelt bzw. gezeigt, so wird sie "übertrieben". Übertrieben im Sinne von "zu viel des Guten". Wer also zu viel von einer Tugend zeigt, optimiert sie zu stark. Dadurch wird sie von anderen als störend erlebt und somit entwertet.

Die zweite Annahme ist, dass Tugenden paarweise auftreten können. Zu jeder Tugend gibt es eine konträre Schwestertugend; beide Tugenden stehen in einem Spannungsverhältnis, für das eine Balance zu finden ist.

Das "zu viel des Guten" gilt für die Schwestertugend genauso, d.h. auch sie kann durch Übertreiben entwertet werden.

Die Kunst besteht darin, die beiden Tugenden in einer Balance zu halten. Sie heißen Schwestertugenden, weil sie sich gegenseitig brauchen, um im Gleichklang zu bleiben. Fehlt eine der beiden, fehlt ein Korrektiv für die andere und die eine verselbständigt sich in ein Zuviel. Wer also auf einer der beiden Seiten ein Zuviel zeigt, dem fehlt auf der anderen Seite die konträre Schwestertugend.

"Authentizität" ist z.B. gut, aber zu viel davon (also allzu große Offenheit im falschen Augenblick und im ungeeigneten Kontext) lässt diesen Wert zu einem Unwert verkommen. Schulz von Thun bezeichnet diesen Effekt als "übertreibende Entwertung" oder "Überoptimierung". Also braucht Authentizität einen Wertegegenspieler, eine Schwestertugend, um nicht zu naiver Unverblümtheit zu missraten. Diese Aufgabe übernimmt die Diplomatie. Wird die Schwestertugend Diplomatie hingegen "überoptimiert", so droht eine "manipulierende Fassadenhaftigkeit" (Bild 2). Ziel ist, statt einer eindimensionalen Spitzenleistung (also immer nur 100% Authentizität) die Gegensätze zu integrieren und dynamisch Balance zu halten.

Werte- und Entwicklungsquadrat am Beispiel Naive Unverblümtheit
Bild 2: Werte- und Entwicklungsquadrat am Beispiel Naive Unverblümtheit

Die Spannung zwischen den Werten ermöglicht persönliche Entwicklung

Wir halten fest: Im Zusammenleben entfalten Werte bzw. Kompetenzen nur dann eine konstruktive Wirkung, wenn sie in ausgehaltener Spannung zu einem Gegenwert gelebt und verwirklicht werden – zu einer "komplementären Schwestertugend", die geeignet ist, einer übertreibenden Entwertung des in Rede stehenden Wertes entgegenzusteuern.

Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ermöglicht es uns, Ansätze für die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu identifizieren, die zugleich unseren Ärger auflösen bzw. dem Konflikt neue Perspektiven verleihen. Tabelle 1 zeigt mit Leitfragen für die Reflexion und einem einfachen Beispiel das Prinzip dafür auf.

Konzept

Leitfragen

Beispiel

Hinter jedem unerwünschten Verhalten steckt eine verborgene Kompetenz.

Welche positive Eigenschaft bewundere ich gerade bei meinem Gegenüber?

Welche überoptimierte lehne ich auch bei mir ab?

 

Die unverblümte Kritik an meiner Leistung ist authentisch. Ich würde auch gerne oft authentischer meine Meinung sagen.

Oder: Ich stoße manchmal Leute vor den Kopf, wenn ich spontan meine Meinung sage

Hinter Ärger verbirgt sich Neid, vielleicht sogar Bewunderung. Wer dies erkennt, kann übertriebene Stärken besser nachvollziehen und die verurteilende Haltung auflösen.

Ärgere ich mich in Wahrheit nicht auch über meine Ohnmacht, gerade nichts tun zu können?

Welche Schwestertugend ergänzt die entdeckte positive Eigenschaft?

Authentizität braucht Diplomatie als Schwestertugend, um nicht zu naiver Unverblümtheit zu verkommen.

Diplomatie hat eine solche Funktion. Wird Diplomatie hingegen "überoptimiert", so droht Fassadenhaftigkeit.

Es gilt die Balance zu finden zwischen den Schwestertugenden. Übertriebene Tugenden weisen den Weg zur Weiterentwicklung.

Wie kann ich die entdeckten Tugenden einsetzen, um mich selbst weiterzuentwickeln und die Situation aufzulösen?

Anstatt unverblümt zu reagieren, suche ich für meine Reaktion selbst die Balance zwischen Authentizität und Diplomatie.

Aufgabengebiete