Von einer Manufaktur- zur Batchfertigung Produktionsoptimierung mithilfe eines digitalen Zwillings

Mit digitalem Zwilling die Produktion optimieren

Kürzere Lieferzeiten und mehr fertige Produkte – um das zu erreichen, stellte das Schweizer Unternehmen RUAG einen Fertigungsbereich um. Mithilfe eines digitalen Zwillings gelang der Wechsel von einer Manufaktur- auf eine moderne Batchfertigung.

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Von einer Manufaktur- zur Batchfertigung Produktionsoptimierung mithilfe eines digitalen Zwillings

Mit digitalem Zwilling die Produktion optimieren

Kürzere Lieferzeiten und mehr fertige Produkte – um das zu erreichen, stellte das Schweizer Unternehmen RUAG einen Fertigungsbereich um. Mithilfe eines digitalen Zwillings gelang der Wechsel von einer Manufaktur- auf eine moderne Batchfertigung.

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In Zeiten von VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity), höheren Kundenwünschen und steigenden Anforderungen an Lieferketten und Lieferzeiten müssen sich gerade mittelständische Produktionsbetriebe flexibel an stets wechselnde Bedingungen anpassen. Diese Erfahrung hat auch RUAG gemacht, ein Schweizer Rüstungsunternehmen. Nachdem die Produktion eines hochspezialisierten technischen Prüfgeräts während der Coronapandemie für mehrere Monate unterbrochen werden musste, lief die Manufakturfertigung nur schleppend wieder an. Um die steigende Nachfrage weiter bedienen zu können und die Produktion zu beschleunigen, wurde sie ab Ende 2022 im Rahmen eines Ramp-up-Projekts auf eine moderne Batchfertigung umgestellt.

In diesem Artikel erfahren Sie, wie das Projekt durchgeführt wurde und wie der neue Produktionsprozess mithilfe eines digitalen Zwillings simuliert wurde. Der Vorteil an dieser digitalen Produktionsplanung ist, dass die Fertigung in der Zwischenzeit weiterlaufen konnte und dass durch die Simulation mögliche Engpässe und Schwierigkeiten der neuen Fertigungsweise vorausgesehen und berücksichtigt werden konnten. Durch das Ramp-up-Projekt standen auch große Veränderungen für den Arbeitsablauf der Mitarbeitenden an. Wie es gelang, sie mithilfe des Modells für Veränderungen von John P. Kotter gut durch den Change-Prozess zu begleiten, ist ebenfalls Bestandteil dieses Beitrags. Der Artikel richtet sich vor allem an Projektleitende aus dem Bereich der Produktionsplanung und an Mitarbeitende des PMO.

Ausgangslage

Während der Coronapandemie kam es – wie für viele Produktionsbetriebe – auch bei RUAG zu Störungen der Lieferketten. Zahlreiche für das Testgerät "missim Mk3" (siehe Infokasten) benötigte Spezialbaugruppen waren nicht verfügbar. Daher musste die Produktion des Geräts im Jahr 2021 für mehrere Monate unterbrochen werden. Anschließend lief sie nur langsam wieder an. Durch die individuelle Manufakturfertigung mit vielen einzelnen Prozessschritten, die sich auf mehrere Produktionsstandorte verteilten, entstanden sehr lange Lieferzeiten von bis zu acht Monaten. Dies führte zu Unzufriedenheit bei den Kunden und beim Produktteam, bestehend aus Mitarbeitenden aus dem Bereich Forschung und Entwicklung, der Fertigung und dem für Produktentwicklung zuständigen Management.

Das Produkt: missim Mk3

Mit dem Testgerät "missim Mk3" können Crews und Industriepartner aus der Luftfahrtindustrie vor jedem Start prüfen, ob bestimmte militärische Selbstschutzsysteme an Bord eines Helikopters oder Kampfflugzeugs korrekt funktionieren. Das mit dem "Red Dot Award: Product Design 2024" ausgezeichnete Gerät kann hierfür z.B. Radar-, Ultraviolett-, Laser- oder Infrarotsignale in unterschiedlicher Stärke modulieren und übertragen und wird je nach Kundenwunsch aus mehreren Modulen zusammengestellt. Die Montage und Kalibrierung eines Gerätes besteht aus mehr als 80 einzelnen Prozessschritten und ist deshalb sehr aufwendig.

Das Projekt "missim 365"

Um die steigende Nachfrage nach dem Testgerät zu befriedigen und auch die Lieferzeiten auf 10-12 Wochen zu verkürzen, entwickelte das Produktteam die Vision "missim 365 – jeden Tag ein Gerät". Statt wie bisher fünf bis 15 Geräte pro Jahr in Manufakturbauweise zu produzieren, sollten in Zukunft 365 Geräte im gleichen Zeitraum hergestellt werden können. Damit dies gelingen kann, musste die Fertigungsweise des Produkts umgestellt werden. Im November 2022 startete hierfür das Ramp-up-Projekt "missim 365". Die Umsetzung wurde auf ein Jahr begrenzt und mit einem hybriden Ansatz nach dem PMI-Framework geplant. Dabei bevorzugte das Team zu Beginn des Projekts agile Elemente. In späteren Projektphasen arbeitete es mit einer klassischen Wasserfallplanung. Das Projektteam bestand aus zahlreichen Spezialisten aus den Bereichen Operation, Engineering sowie externen Unternehmen.

Produktionsplanung nach VDI-Fabrikplanungsstandard

Um eine neue, zur Vision passende Fertigungsweise zu finden, ging das Projektteam nach dem Fabrikplanungsstandard VDI 5200 (VDI, 2011) vor. Das Projekt gliederte sich demnach in sieben Phasen:

  1. Zieldefinition
  2. Grundlagenermittlung mit Datenerhebung,
  3. Konzeptplanung,
  4. Detailplanung,
  5. Realisierungsvorbereitung,
  6. Realisierungsüberwachung
  7. Hochlaufbetreuung

In der ersten Phase "Zieldefinition" erarbeitete das Projektteam mithilfe des Fabrikplanungsstandards ein morphologisches Modell (VDI, 2016) zur Erreichung des ausgegebenen Ziels, 365 Testgeräte pro Jahr herzustellen. In diesem Modell bündelten die Projektbeteiligten ihr gemeinsames Verständnis über den angestrebten Zielzustand und die damit verbundenen Gestaltungsfelder sowie deren Ausprägungen. Ein Ergebnis war z.B., dass sich für die neue Produktionsweise das Prinzip der Verkettung von Arbeitsschritten anbieten würde (Gestaltungsfeld), aufgrund der Komplexität des Produkts jedoch eine ungetaktete, d.h. selbstorganisierte Verkettung der Produktionsschritte (Ausprägung) geeignet wäre.

Datenerhebung und Konzeptplanung

In den Phasen zwei und drei der Produktionsplanung, der "Datenerhebung" und der "Konzeptplanung", trug das Projektteam mithilfe von Data-Mining alle relevanten Informationen für das Projekt "missim 365" zusammen. Dazu gehörten u.a. eine Wertstromanalyse mit Prozessübersicht, Informationen zu den drei Fertigungsstandorten, eine detaillierte Explosionszeichnung des Testgeräts, eine Marktübersicht sowie Informationen zu den einzelnen Lieferanten. Im Zuge der Detailanalysen wurden zudem zahlreiche Altlasten, Prozessabweichungen und Dokumentationslücken aufgedeckt und in einem ganzheitlichen Qualitätsaudit dokumentiert.

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