Einsparpotenzial für Technologieunternehmen Qualitätsbezogene Kosten senken

Qualitätsbezogene Kosten senken

Qualitätsbezogene Kosten – ein oft ungenutztes Einsparpotenzial. Georg Huber, Tobias Budde und Sarah Zavaglia zeigen, wie Sie Ihre Qualitätskosten analysieren, Maßnahmen zu ihrer Senkung ausarbeiten und diese richtig priorisieren.

Management Summary

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Einsparpotenzial für Technologieunternehmen Qualitätsbezogene Kosten senken

Qualitätsbezogene Kosten senken

Qualitätsbezogene Kosten – ein oft ungenutztes Einsparpotenzial. Georg Huber, Tobias Budde und Sarah Zavaglia zeigen, wie Sie Ihre Qualitätskosten analysieren, Maßnahmen zu ihrer Senkung ausarbeiten und diese richtig priorisieren.

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Neue Technologien, neue Märkte, neue Generationen von Mitarbeiter:innen. Die Unternehmenswelt ist von hoher Volatilität geprägt. Kostenreduzierung bei einem gleichbleibenden Qualitätsniveau ist und bleibt eine der großen Herausforderungen.

Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen hart getroffen. Positive Entwicklungen in Bezug auf Inzidenz- und Impfzahlen gibt es, dennoch hat die Wirtschaft immer noch stark mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen. Die Art und Weise, wie Unternehmen auf die Krise reagierten und immer noch reagieren ist sehr unterschiedlich. Eine Blitzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer vom November 2020 zeigt, dass neben einer Verschiebung von Investitionen und der Verstärkung von Digitalisierungsthemen in den Unternehmen auch das Generieren von Einsparpotenzialen ein entscheidendes Thema ist.

In unserem Beitrag möchten wir den Fokus auf diese Einsparpotenziale legen. Wir zeigen auf, welche Optimierungspotenziale es für Unternehmen im Bereich des Qualitätsmanagements bzw. der qualitätsbezogenen Kosten gibt. Dabei ist unser Beitrag wie folgt gegliedert: Zunächst gehen wir auf den Begriff der qualitätsbezogenen Kosten ein und erklären, was dahintersteckt. Danach betrachten wir Herausforderungen und Chancen, die sich durch die Reduzierung von qualitätsbezogenen Kosten ergeben können. Anschließend beschreiben wir die drei Schritte zur erfolgreichen Reduzierung von qualitätsbezogenen Kosten:

1. Schritt: Identifikation und Analyse von qualitätsbezogenen Kosten,
2. Schritt: Ermittlung von Handlungsbedarfen und Ursachenidentifikation und
3. Schritt: Ableitung, Bewertung und Priorisierung von (Qualitäts-) Maßnahmen.

Zum Abschluss liefern wir noch eine Checkliste zur Steuerung von qualitätsbezogenen Kosten.

Was qualitätsbezogene Kosten sind

Im Rahmen zahlreicher Optimierungsprojekte bei unterschiedlichen Kund:innen haben wir festgestellt, dass ein Großteil der Unternehmen kein transparentes Bild darüber hat, was sie der Faktor Qualität bzw. Nicht-Qualität kostet. Dieser Aspekt ist deshalb interessant, da Qualität heutzutage kein Alleinstellungsfaktor mehr ist. Vielmehr können mangelnde Qualität oder schlechte Produkte und Prozesse im schlimmsten Fall sogar zu einer eheblichen Unzufriedenheit oder sogar zur Abwanderung von Kund:innen führen.

Nach Kamiske und Brauer werden die qualitätsbezogenen Kosten in Kosten für Konformität und Non-Konformität oder nach dem PAF Modell nach Feigenbaum eingeteilt. Die Abkürzung PAF steht für Prevention (Prävention), Appraisal (Feststellung) und Failure (Fehler). Im Modell werden alle Kosten für präventive Qualitätsmaßnahmen und -bestrebungen und für die Feststellung des Qualitätsniveaus unter dem Begriff Konformitätskosten zusammengefasst. Dagegen beinhalten Non-Konformitätskosten alle internen und externen Fehlerkosten. Interne Fehlerkosten treten dann auf, wenn Fehler noch vor Produktauslieferung an die Kund:innen entdeckt und behoben werden. Externe Fehlerkosten entstehen, wenn der Fehler erst bei den Kund:innen entdeckt und behoben wird.

In der Praxis wird die gesamtunternehmerische Wirkung von qualitätsbezogenen Kosten häufig unterschätzt, obwohl diese Kosten in Zeiten der VUCA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit) den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen können. Unterschiedliche Stellhebel zur Kostensenkung liegen in der kurz- bis langfristigen Reduzierung von qualitätsbezogenen Kosten durch Produkt- und Prozessoptimierung und sind besonders dann gefragt, wenn Krisen wie im Fall der Covid-19 Pandemie das aktuelle Tagesgeschehen dominieren.

Im Folgenden erläutern wir, welche sechs Herausforderungen und Chancen sich für Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen und Industrien in Bezug auf die Reduzierung ihrer qualitätsbezogenen Kosten ergeben können.

Wie man Herausforderungen (er-)kennt und Chancen richtig nutzt

  1. Die anhaltende Präsenz von Rückrufaktionen in den Medien zeigt, dass die daraus resultierenden Kosten, die auf mangelnde Qualität zurückzuführen sind (z. B. Gewährleistungs- oder Nacharbeitskosten), Berücksichtigung finden sollten. Die systematische Steuerung von qualitätsbezogenen Kosten ist in zahlreichen Industrien und Branchen zu einem Wettbewerbsvorteil geworden. Wer diese Chance nicht nutzt, hinkt im Zweifel der Konkurrenz und dem Wettbewerb hinterher.
  2. Aus der Erfahrung wissen wir: Fehler passieren und bedauerlicherweise sind es allzu oft Wiederholungsfehler. Das lässt sich ändern, indem die Relevanz qualitätsbezogener Kosten in den Unternehmen erheblich gesteigert wird. Im besten Fall stärken Unternehmen das Thema Qualität durch die direkte Verankerung in den Unternehmens- und Mitarbeiter:innen-Zielen sowie in der Unternehmensstrategie. Eine nachhaltige Reduzierung führt demnach nicht nur zu einer EBIT-Verbesserung, sondern kann auch zu einer Qualitätsführerschaft als Alleinstellungsmerkmal beitragen.
  3. Die geringe Optimierungsbereitschaft bei den Unternehmen beruht unserer Wahrnehmung nach auf der fehlenden Transparenz der qualitätsbezogenen Kosten. Daher gilt, dass die Unternehmen neben der ausreichenden Priorisierung auch die vollständige und korrekte Erfassung der qualitätsbezogenen Kosten sicherstellen müssen (wie das geht, erfahren Sie unter "Beschreibung eines Mustervorgehens"). Die Herausforderung liegt insbesondere bei präventiven Qualitätsbemühungen, weil oft die Grenzen zwischen qualitätsbezogenen Kosten und Kosten der geplanten Wertschöpfung verschwimmen (z. B. für vorgehaltene Personalressourcen, um bei späten Änderungen in der Produktentstehung nach wie vor die vereinbarte Qualität zu gewährleisten). Gerade hier zeigt sich die Notwendigkeit grundsätzlicher Erfassungsregeln für qualitätsbezogene Kosten.
  4. Eine weitere wesentliche Herausforderung im Rahmen der Reduzierung der qualitätsbezogenen Kosten liegt nicht in der technischen Fehlerbehebung bei Produkten mit mangelnder Qualität. Sie besteht darin, die prozessualen Ursachen abzustellen, mit dem Ziel, dass der gleiche Fehler bei einer Produktaktualisierung bzw. Produktneuheit nicht noch einmal vorkommt. In der Praxis ist jedoch die rein reaktive Fehlerbehebung leider immer noch vorherrschend.
  5. Sind die beiden Hauptursachen (technische und prozessuale) qualitätsbezogener Kosten bekannt, müssen Maßnahmen definiert werden, die schnell und effektiv wirken. Die Schwierigkeit liegt hierbei oft in der Priorisierung und Bewertung dieser Maßnahmen. Es ist daher zu empfehlen, die Kosten und den Nutzen von Produkt- und Prozessoptimierungs-Maßnahmen grundsätzlich mittels einer "Business-Case-Methode" zu bewerten und auf deren Basis zu entscheiden. Damit werden Entscheidungen vergleichbar und nachvollziehbar.
  6. Um die nachhaltige Wirksamkeit der identifizierten und abgeleiteten Maßnahmen sicherzustellen, braucht es in den Unternehmen geeignete Ziel- und Messgrößensysteme. Damit kann unter anderem die Qualitätskultur durch ein entsprechendes Anreizsystem bei den Mitarbeitenden positiv beeinflusst werden. Bei der Ausgestaltung solcher Ziel- und Messgrößensysteme müssen Zielvereinbarung, Zielerreichung und Datengrundlagen (z. B. die IT-Systemangabe für die Erhebung von Gewährleistungskosten) klaren und eindeutig definierten Prozessen und Verantwortlichkeiten (z. B. für Zielführung, Produkteigenschaften) folgen. Nur durch die konsequente und durchgängige Anwendung nachhaltiger Ziel- und Messgrößensysteme lassen sich die Wirksamkeit von Maßnahmen transparent nachvollziehen und getroffene Entscheidungen des Managements und der Mitarbeitenden stützen.

Die folgenden Aspekte untermauern noch einmal, dass es notwendig ist, dass sich Unternehmen den oben dargestellten sechs Herausforderungen und Chancen stellen sollten:

  • Steigende Anforderungen der Kund:innen und hohe Qualitätsansprüche in den Märkten
  • Erhebliche Steigerung der Kosten für Non-Konformitäten (Gewährleistungs- und Reklamationskosten sowie Garantie- und Kulanzkosten) aufgrund von schlechter Produktqualität
  • Nicht plausible Plan- und Zielwerte für Non-Konformitäten (z. B. Gewährleistungskosten) aufgrund schlechter Daten- und Prozessqualität im Qualitätsmanagement und Controlling
  • Unzureichende Transparenz und fehlende Methodik zur Erfassung der Konformitätskosten (alle Kosten für präventive qualitätsbezogene Maßnahmen, z. B. Designänderungen im fortgeschrittenen Stadium von Entwicklungsprojekten)
  • Die nachhaltige Abstellung chronischer Qualitätsprobleme steht nicht im Vordergrund, stattdessen ist das klassische "Fire fighting" der Alltag
  • Unzureichendes Wissen über die Stellhebel und Maßnahmen zur Reduzierung der Konformitätskosten und Non-Konformitätskosten
  • Fehlende Systematik und Methodik zur Identifizierung von nachhaltigen und zielgerichteten Qualitätsmaßnahmen

Wie Unternehmen Transparenz in ihren qualitätsbezogenen Kosten schaffen können und mit welcher Systematik sich gezielt Maßnahmen ableiten lassen, erläutern wir im Schritt 1: Identifikation und Analyse von qualitätsbezogenen Kosten. Die Analyse der qualitätsbezogenen Kosten und die Ableitung von Optimierungsmaßnahmen gehen dabei Hand in Hand.

Beschreibung eines Mustervorgehens

Wir haben ein Mustervorgehen entwickelt, um schnell Potenziale zu qualitätsbezogenen Kosten zu identifizieren und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Das Vorgehen setzt sich aus drei aufeinander aufbauenden Schritten zusammen und ist unabhängig von Unternehmensgröße und Branche.

Schritt 1: Identifikation und Analyse von qualitätsbezogenen Kosten

Um qualitätsbezogene Kosten nachhaltig zu reduzieren, müssen zunächst alle relevanten Kostenpositionen im Unternehmen analysiert und transparent erfasst werden. Viele dieser Positionen sind in den Unternehmen jedoch nicht transparent, obwohl sie eine signifikante Auswirkung auf den EBIT bzw. die Gewinn-und-Verlustrechnung haben und die Zufriedenheit der Kund:innen und der Positionierung im relevanten Wettbewerb beeinflussen.

Aber warum werden Optimierungspotenziale in der Organisations-, Prozess- bzw. Kostenstruktur in den Unternehmen häufig nicht genutzt? Ein Grund liegt in der mangelhaften Transparenz der beteiligten Ressourcen und Kapazitäten bei qualitätsbezogenen Prozessen.

Beispiel: Ein Monteur macht eine Endkontrolle, nachdem er ein Teil montiert hat. Die Kosten für die Endkontrolle werden als reiner Produktionsaufwand verbucht, nicht als qualitätsbezogene Kosten.

Um die Transparenz über die qualitätsbezogenen Kosten zu erzeugen, müssen die individuellen Unternehmensanforderungen, wie z. B. Verfügbarkeit von Kompetenzen, automatisierte Datenerzeugung, Kund:innen-Strukturen und Absatzmärkte berücksichtigt werden. Zunehmende gesetzliche Vorgaben, geänderte Anforderungen der Kund:innen, neue Technologien und ein hoher Kostendruck sind Faktoren, die häufig zu gewachsenen Strukturen führen.

Änderungen in den Strukturen bürgen hohe Potenziale in den (Qualitäts-) Organisationen hinsichtlich Effektivität und Effizienz der qualitätsbezogenen Arbeit. Beispiele sind die Verzahnung neuer Aufgaben und deren Ausbau, die Wahrnehmung von Verbesserungspotenzialen, die sich etwa durch eine Automatisierung ergeben, die nachhaltige Integration der Qualitätsarbeit in die Kernwertschöpfung oder proaktive (Qualitäts-)Aktivitäten und damit der Einsatz von Aufwänden und Kapazitäten für die Fehlervermeidung statt für die Fehlerbeseitigung.

Während die grundsätzlichen Kapazitäten in den unterschiedlichen Organisationseinheiten vergleichsweise leicht zu erheben sind, ist die Zuleistung bzw. der Beitrag zu Prozessergebnissen (also zur Prozess- und Produktqualität) in der Regel nicht auf Knopfdruck verfügbar (wie auch im erwähnten Beispiel mit dem Monteur und der Endkontrolle erkennbar). Unsere Empfehlung ist daher, die Leistungsseite und damit die aufgewendeten Kapazitäten der qualitätsbezogenen Arbeit über interdisziplinäre Teams zu betrachten, um vorhandene Potenziale vollständig auszuschöpfen.

Mit der sogenannten Prozess-Kosten-Matrix (oder auch Prozess-Ressourcen-Matrix) (Bild 1) lassen sich zunächst alle relevanten qualitätsbezogenen Prozesse strukturieren und in einem zweiten Schritt die beteiligten Ressourcen und/oder Kosten zuordnen. Die Zusammenhänge zwischen den Prozessen untereinander und den daraus resultierenden Kosten stellen ein komplexes Gesamtsystem dar. In den Unternehmen besteht die wesentliche Herausforderung deshalb darin, diese Komplexität zu beherrschen und die oftmals begrenzten Ressourcen und Kapazitäten optimal einzusetzen.

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