Fit und agil in Privatleben und Job Was ich vom Sport über agiles Arbeiten gelernt habe
Auf den ersten Blick haben agile Methoden und die persönliche Fitness wenig gemein. Ein Trugschluss, sagt unser Autor Jan Neudecker, und erläutert, wie Sie die Impulse beider Kontexte zu Ihrem Vorteil nutzen können.
- Die Verbindung von agiler Arbeitsweise und persönlicher Fitness offenbart überraschende Parallelen. In beiden Kontexten kann es vorkommen, dass man mit Situationen konfrontiert wird, in denen man gefühlt nicht weiterkommt oder die Motivation nachlässt. Da kann es helfen, an Konstellationen im jeweils anderen Zusammenhang zu denken, die sehr ähnlich waren, und diese zu übertragen.
- Die Anwendung des Responsibility Process von Christopher Avery zeigt, wie man lernen kann, (wieder) Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Die drei Schlüssel Intention, Aufmerksamkeit und Konfrontation spielen hierbei eine zentrale Rolle, um überholte Glaubenssätze loszulassen.
- Die Scrum-Säulen Transparenz, Inspektion und Adaption bieten wertvolle Leitlinien für berufliche und private Veränderungsprozesse. Ebenso sind Retrospektiven hilfreich, um aus der Vergangenheit zu lernen und bessere Ergebnisse zu erzielen.
- Kontinuierliche Verbesserung ist der Schlüssel zum Erfolg, sowohl im Sport als auch im agilen Arbeiten. Es erfordert Geduld, Ausdauer und das Bewusstsein, dass jede Wiederholung bzw. jedes Event einen echten Mehrwert bringen sollte.
Fit und agil in Privatleben und Job Was ich vom Sport über agiles Arbeiten gelernt habe
Auf den ersten Blick haben agile Methoden und die persönliche Fitness wenig gemein. Ein Trugschluss, sagt unser Autor Jan Neudecker, und erläutert, wie Sie die Impulse beider Kontexte zu Ihrem Vorteil nutzen können.
- Die Verbindung von agiler Arbeitsweise und persönlicher Fitness offenbart überraschende Parallelen. In beiden Kontexten kann es vorkommen, dass man mit Situationen konfrontiert wird, in denen man gefühlt nicht weiterkommt oder die Motivation nachlässt. Da kann es helfen, an Konstellationen im jeweils anderen Zusammenhang zu denken, die sehr ähnlich waren, und diese zu übertragen.
- Die Anwendung des Responsibility Process von Christopher Avery zeigt, wie man lernen kann, (wieder) Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Die drei Schlüssel Intention, Aufmerksamkeit und Konfrontation spielen hierbei eine zentrale Rolle, um überholte Glaubenssätze loszulassen.
- Die Scrum-Säulen Transparenz, Inspektion und Adaption bieten wertvolle Leitlinien für berufliche und private Veränderungsprozesse. Ebenso sind Retrospektiven hilfreich, um aus der Vergangenheit zu lernen und bessere Ergebnisse zu erzielen.
- Kontinuierliche Verbesserung ist der Schlüssel zum Erfolg, sowohl im Sport als auch im agilen Arbeiten. Es erfordert Geduld, Ausdauer und das Bewusstsein, dass jede Wiederholung bzw. jedes Event einen echten Mehrwert bringen sollte.
Im beruflichen Kontext brenne ich als Agile Coach und Scrum Master seit vielen Jahren für agile Arbeitsweisen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in einer sich immer schneller ändernden Welt Werkzeuge brauchen, die uns den Umgang mit Unsicherheit und dem Fehlen von vorhersehbaren kausalen Zusammenhängen besser handeln lassen.
Privat bin ich, seit ich denken kann, sportbegeistert – als Kind zweier Sportlehrer ist das auch wenig verwunderlich. Ich hatte das Glück, verschiedenste Sportarten ausüben zu dürfen, und bekam so eine solide Grundausbildung, die es mir erleichtert, weiterhin neue Dinge auszuprobieren.
Den Blick über den Tellerrand wagen
In beiden Kontexten kann es vorkommen, dass man mit Situationen konfrontiert wird, in denen man gefühlt nicht weiterkommt oder die Motivation nachlässt. Mir hat es dann oft geholfen, an Konstellationen im jeweils anderen Zusammenhang zu denken, die sehr ähnlich waren und in denen ich schon Mittel und Wege kannte, um weiterzukommen. Diese Impulse lassen sich erstaunlich oft auf den jeweilig anderen Kontext übertragen, um dort wieder mit frischer Energie voranzukommen.
In diesem Artikel erörtere ich einige konkrete Beispiele, die mir geholfen haben, sowohl im beruflichen als auch im sportlichen Rahmen weiterzukommen. Vielleicht ist da für dich schon etwas dabei, das für dich auch Sinn ergibt. Vielleicht hast du gänzlich andere Interessen und kannst mit Sport nicht viel anfangen. Ich lade dich dennoch ein, über Parallelen zwischen deinen eigenen Passionen und deinen beruflichen Herausforderungen nachzudenken. Vielleicht brauchst du etwas Zeit, diese Gedanken und Verbindungen in deinem Kopf reifen zu lassen. Doch du wirst feststellen, wie sehr dich dies motivieren kann. Du wirst neue Erkenntnisse über dich erlangen und erkennen, dass diese auch auf andere Kontexte übertragbar sind. Versprochen!
In Verantwortung kommen
In Zeiten, in denen ich sportlich in einem – gelinde gesagt – "nicht so guten" Zustand war, hatte ich einige beschränkende Glaubenssätze kultiviert, die mich davon abgehalten haben, meine Ziele zu erreichen: zu müde, zu wenig Zeit, das Alter – wer kennt es nicht? Irgendwann kam der Tag, an dem ich plötzlich sehr hart mit meinem damals schlechten körperlichen Zustand konfrontiert wurde: Ich war mit zwei Freunden Radfahren und habe diese nur noch von hinten gesehen. Sie mussten ständig auf mich warten, bis ich völlig außer Puste wieder aufgeschlossen hatte. Ich wollte etwas ändern. Ich musste etwas ändern! Aber wie?
Als Agile Coach begegnen mir ähnliche Situationen immer wieder bei Teams, die ich begleiten darf. Oft haben sich in ihnen Muster etabliert. Und Glaubenssätze, die Veränderung aktiv verhindern, sind auch schnell einstudiert. Dies kann auf individueller sowie auf Teamebene der Fall sein und dazu führen, dass das Team ebenfalls in einem "nicht so guten" Zustand ist: "Bei uns funktioniert das so nicht", "Wir sind da anders als XYZ", "Das haben wir schon immer so gemacht" sind solche Glaubenssätze, die sich in Teams hartnäckig halten können.
Mit dem Responsibility Process in Verantwortung kommen
Ich habe vor ein paar Jahren im agilen Umfeld ein Modell kennengelernt, das dabei helfen kann, sich aus solchen eingefahrenen Situationen zu lösen und wieder in Verantwortung zu kommen: den Responsibility Process von Christopher Avery (Bild 1). Sein Modell beschreibt zunächst einmal sieben mögliche mentale Handlungszustände, die verhindern, dass wir Verantwortung übernehmen für unser Leben, unsere Ziele, unsere Bedürfnisse. Mit "Verantwortung" (diese steht über allen Zuständen) beschreibt Avery den Zustand in unserem Leben, in dem wir die Fähigkeit und Kraft besitzen, etwas zu erschaffen, auszuwählen oder Dinge anzuziehen. Es geht darum zu verstehen, dass es an uns selbst liegt, unser Leben in die Hand zu nehmen. Die Frage ist, ob wir dazu bereit sind – vor allem wenn nicht alles im Lot ist.
Die sieben mentalen Zustände des Modells sind:
Diese mentalen Zustände, die Avery beschreibt, sind in uns allen vorhanden, und es ist vollkommen menschlich, diese zu durchlaufen. Manchmal stecken wir in einem Zustand fest, manchmal verweilen wir nur sehr kurz in einem Zustand. Das Ziel ist, sich in den Zustand der Verantwortung zu bewegen – einen Zustand, in dem wir voller Optionen und Kraft sind und Dinge aus eigenem Antrieb heraus tun. Dort fühlen wir uns kraftvoll und voller Optionen. Die anderen Zustände unterhalb der Linie können Etappen in Richtung Verantwortung sein.
Im beruflichen Kontext habe ich dieses Tool schon selbst angewendet und auch Teams nahegelegt, damit zu arbeiten. Das Modell dient nicht nur der Analyse anderer, sondern auch der Selbstanalyse. Also dachte ich mir, warum nicht auch mal im privaten Kontext meiner mangelnden Fitness dieses Modell ausprobieren? Ich nehme es vorweg: Der Responsibility Process hat mir sehr geholfen, meine gesundheitliche Situation genauer zu beleuchten.
Der Responsibility Process am Selbstbeispiel
Erst einmal redete ich mir sehr lange ein, dass ich kein Fitnessproblem habe. Ich verleugnete meinen Zustand. Bis ich es selbst einfach irgendwann selbst nicht mehr glauben konnte. Dann war der Job schuld, ich war ja so viel unterwegs. Oder ich rechtfertigte es damit, dass ich ja nun Kinder und damit weniger Zeit hatte, mich um meinen Körper zu kümmern. Scham war ein Zustand, den ich mal fühlte und dann wieder nicht. Ich sah, wie ich aussah, und fühlte, wie leistungsfähig ich war – oder eben nicht. Und ich, ja, ich schämte mich auch mal dafür, dass ich es so weit hatte kommen lassen. Aufgegeben habe ich auch immer wieder mal. Das waren dann Phasen, in denen ich keinen Sport mehr gemacht habe.
Es gab aber auch Verpflichtung, einen Zustand, in dem man zwar etwas tut, das hilfreich ist oder sein kann, das man aber nicht wirklich gern und aus Überzeugung macht. Sollte mich jemand Joggen sehen: Dann bin ich in Verpflichtung – ich mache es, aber eben nicht gern.
Da ich das Avery-Modell kurz vor der Pandemie mit verschiedenen Trainer:innen und Kolleg:innen mehrfach besprochen hatte, half es mir, an diesem entscheidenden Radfahrtag wirklich sehr klar zu sehen, was eigentlich mit mir los war. Ich wollte in Verantwortung kommen bzw. endlich wieder Verantwortung für mich übernehmen und machte mir einen Plan, wie ich den körperlichen Zustand erreiche, der mir guttut. Und zwar so, dass ich es gern tue.
ÜbungIch lade dich ein, kurz innezuhalten, und über ein Thema zu reflektieren, das dich beruflich oder auch privat gerade beschäftigt. Versuche, deine Gedanken, Handlungen und Emotionen in den Responsibility Process einzusortieren. Wo stehst du gerade? |
Von der Erkenntnis in die Verantwortung
Wie komme ich denn jetzt in die Verantwortung?
Dazu möchte ich dir noch die drei Schlüssel mitgeben, die Avery benutzt, um den Eingang zum Responsibility Process zu öffnen:
Intention: Der Wille, aus Verantwortung heraus zu handeln. Es muss dir ernst sein! Veränderung hat auch immer einen Preis. Du bist bereit, diesen Preis zu zahlen, und möchtest auch wirklich, dass sich etwas ändert, anstatt dich ständig darüber aufzuregen, zu klagen oder zu beschweren.
Aufmerksamkeit: Ertappe dich selbst immer früher in Zuständen "unterhalb der Verantwor-tungslinie", also in Vermeidungszuständen. Je eher du bemerkst, dass du z.B. gerade im Zustand "Beschuldigen" bist, desto einfacher wird es, einen Schritt nach vorn zu machen. Avery nennt dies das "Erwisch dich früher"-Spiel.
Konfrontation: Stell dich dir selbst, um zu sehen, was wahr ist, was du lernen, anpassen oder verbessern kannst.
Hier ein Beispiel, wie du die drei Schlüssel von Christopher Avery richtig einsetzt:
Intention: Ich möchte mich nicht mehr von Kollegen aus der Ruhe bringen lassen.
Aufmerksamkeit: Wenn ich merke, dass dies passiert, stecke ich eine Münze von einer Hostentasche in die andere oder nehme ein Armband von einem Handgelenk ans andere, um das Ertappen greifbarer zu machen.
Konfrontation: Reflektiere, was du tun kannst, um die Situation in Zukunft anders zu gestalten, so wie du es möchtest, und übernimm somit Verantwortung.
Der Neustart – back to the (agile) roots
Der Responsibility Process hatte mir nun also geholfen zu erkennen, dass ich nicht in Verantwortung war. Ich hatte die Intention, dort hinzukommen, und wurde stetig besser darin, mich in Vermeidungszuständen zu "ertappen". Also überlegte ich, wie ich vorankomme. Auch hier konnte ich mich wieder bei Werkzeugen aus dem agilen Umfeld bedienen.
Die drei Säulen von Scrum adaptieren
Scrum ist ein empirischer Prozess. Das bedeutet, er basiert auf:
- Transparenz: Dinge so darstellen, wie sie sind, mit allen vor und Nachteilen
- Inspektion: die richtigen Fragen stellen (das geht nur, wenn Transparenz vorhanden ist)
- Adaption: die richtigen Konsequenzen ableiten (das geht nur, wenn die richtigen Fragen gestellt wurden)
Ich bin davon überzeugt, dass diese drei Säulen in vielen beruflichen und privaten Kontexten hilfreich sind, gerade wenn Veränderungen angestoßen und nachhaltig umgesetzt werden sollen. Ein Beispiel aus dem beruflichen Umfeld: Projektstatusberichte verstecken die Probleme auf Teamebene. Somit können Führungskräfte nicht die relevanten Fragen stellen, sondern lediglich solche, die auf den Informationen basieren, die sie haben. Und daraus leiten sie dann Anpassungen ab, die die eigentlichen Probleme nicht lösen.
Eine private Variante: Du nimmst deine eigenen Bedürfnisse nicht ernst und kommunizierst deine Erwartungen an andere nicht transparent, sodass du Gefühle und Bedürfnisse unterdrückst.
Dein:e Partner:in hat ein Verhaltensmuster, das dich wieder und wieder aufregt. Du hast aber nie wirklich ausgesprochen, warum es dich stört und was deine Bedürfnisse dahinter sind. So wird sich vermutlich auch nichts ändern! Solche Gespräche können unangenehm und schwierig sein. Aber nur wenn diese Informationen für beide transparent sind, könnt ihr beide überlegen, wie ihr die Situation gemeinsam ändern könnt, und diese neue Variante dann auch ausprobieren (Adaption).
Retrospektiven für den Veränderungsprozess einsetzen
Ein weiteres Scrum-Werkzeug, um diese Veränderungen zu unterstützen, sind Retrospektiven. Ziel einer Retrospektive ist es, aus der Vergangenheit zu lernen und für die Zukunft eine Veränderung zu definieren, von der man sich bessere Ergebnisse erhofft - ein Experiment, das eine Hypothese überprüft und im Erfolgsfall beibehalten wird.
Also machte ich eine Retrospektive über meine aktuelle gesundheitliche Situation und mein Sportverhalten. Ich überlegte, woran viele agile Teams scheitern. Ganz oft sind es schon die "Basics".
ÜbungWas sind in deinem Kontext die Basics? Schreib sie kurz auf und überprüfe anschließend, wie gut du diese gerade einhältst. |
Im Agilen sind die Basics z.B. das Agile Manifest mit seinen Werten und Prinzipien oder die Anwendung von Empirie. In meinem privaten Kontext kam ich auf Bewegung und Ernährung. In diesen Bereichen führte ich dann ein Experiment nach dem anderen durch, um den für mich idealen Zustand zu finden. Ich habe viel mit meinen Mahlzeiten experimentiert und sie angepasst sowie verschiedene Sportmuster ausprobiert. Dabei war es wichtig, stets ehrlich mit mir zu sein, um nicht beim ersten Punkt der Empirie (Transparenz) zu scheitern. Das war nicht immer schön, aber hilfreich.
Such dir Mitstreiter!
Wichtig für mich war die Erkenntnis, dass man nie allein ist mit seinen Herausforderungen. Es gibt immer andere, die die gleichen Themen auf dem Tisch haben. Und vielleicht triffst du auf jemanden, der schon einen Schritt weiter ist und dir gute Impulse geben kann.
Beim Sport kenne ich es seit klein auf, dass man sich mit anderen trifft, in Vereinen gemeinsam aktiv ist, sich gegenseitig pusht und weiterbringt. Das lässt sich auch sehr gut im agilen Kontext nutzen: Die ersten fünf Jahre meiner agilen Reise war ich meist allein unterwegs. Das kann sehr einsam und frustrierend sein. Hätte es aber nicht sein müssen, denn es gibt eine offene, lebendige und äußerst unterstützende Agile Community. In fast jeder größeren Stadt treffen sich regelmäßig Menschen zum Austausch.
Mir persönlich hat der Besuch dieser sogenannten User Groups Zutritt in eine neue Welt ermöglicht und mein persönliches Wachstum nach vorn katapultiert.
ÜbungIch hatte dich gebeten, an eine Situation zu denken, an der du arbeiten willst. Prüfe doch auch hier, ob du schon in Kontakt mit Gleichgesinnten bist. Im beruflichen Kontext kann dies beispielsweise sein, sich mit Kolleg:innen zu vernetzen oder neue Kontakte außerhalb des Unternehmens zu knüpfen. Im privaten Kontext kann es ein Verein oder Ähnliches sein. Hast du beides schon ausprobiert? |
Arbeite mit einem Coach zusammen!
Neue Impulse kann auch ein Coaching geben. Im Sport ist es gang und gäbe, dass ein Profiteam Trainer, also Coaches, für verschiedene Bereiche hat. Sportpsychologen sind heute fester Bestandteil einer jeden Profimannschaft.
Auch dies kann man sich beruflich wie privat zunutze machen. Ein Coach kennt nicht zwangsläufig die Lösung für dein Problem, aber er hilft dir, neue Perspektiven einzunehmen und Lösungsansätze, die du in dir trägst, ans Licht zu bringen. Ich mag diese Parallele sehr. Sie klingt fast zu einfach, hat aber enormes Potenzial.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Scrum Master oder Agile Coach
Veränderung fällt nicht immer leicht. Anfangs war ich oft frustriert, wenn ich mit einem Team ein Training durchgeführt habe und es ihm nicht gelang, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Geduld ist eine Tugend, von der ich manchmal gern mehr hätte. Aber warum kam ich nicht damit klar, dass Veränderung oft Konflikt, Reibung oder Schmerz bedeutete? Warum war das für mich so negativ belegt?
Hier half mir eine Parallele aus dem Sport:
Als Muskelkater bezeichnet man einen Schmerz, der nach körperlicher Anstrengung, besonders bei hohen Belastungen der Muskelpartien, auftritt. Meistens macht sich dieser erst Stunden nach der jeweiligen Tätigkeit bemerkbar. (Wikipedia)
Das ist mir klar und ich habe Muskelkater nie als etwas Negatives aufgefasst. Er war lediglich ein Signal meines Körpers, dass ich etwas Wirksames getan habe und Veränderung im Gange ist. Kleine Verletzungen im Muskelgewebe sind entstanden und machen sich bemerkbar. Aber wenn diese wieder verheilt sind, ist der Muskel stärker als vorher.
Veränderung in Systemen wird zu Konflikten und eventuell auch Schmerz führen. Und das ist gut so, es gehört dazu. Hält man dies aus, ist man am Ende stärker als vorher. Als Agile Coach habe ich mittlerweile gelernt, dies zu akzeptieren und die positiven Seiten in den Fokus zu stellen. In der Softwareentwicklung kommt es hin und wieder vor, dass Entwickler und Tester getrennte Personen sind. Dies führt zu Abhängigkeiten, die man dann managen darf. Wenn wir versuchen diese aufzulösen, was dazu führen kann, dass Menschen sich in neue Themenfelder begeben müssen, stößt dies manchmal auf Gegenwehr und es Bedarf Unterstützung und Resilienz, um diesen Konflikt auszuhalten und zu lösen.
Wenn es mal nicht weitergeht …
Stagnation ist eine weitere Parallele zwischen Sport und Agilität, die mir aufgefallen ist. Teams kommen manchmal gefühlt nicht mehr weiter, gewisse Probleme verschwinden nicht oder sie haben das Gefühl, nicht mehr besser/wirksamer/produktiver zu werden. Das kann beispielsweise passieren, wenn regelmäßig Retrospektiven stattfinden und dieselben Themen diskutiert werden, es aber im Nachgang keine Veränderung gibt. Körperlich kann das auch passieren: Man trainiert und trainiert, steigert seine Leistung aber nicht. Das ist normal und kommt vor. Aus dem Sport kannte ich das. Da heißt es dranbleiben und vielleicht mal etwas anderes ausprobieren, um neue Impulse zu setzen.
Im Agilen kennen wir das auch sehr gut. Wir führen dann gern mal eine Retrospektive durch. Nicht nur auf den letzten Sprint, sondern über einen längeren Zeitraum. Das hilft dabei, noch einmal einen Schritt zurückzugehen und sich zu überlegen, welcher Impuls weiterhelfen könnte. Vielleicht auch mal etwas tun, das man lange nicht mehr oder noch nie gemacht hat. In beiden Fällen ist es wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen. Solche Phasen gehören in beiden Welten dazu.
Übung macht den Meister
Das Dranbleiben bringt mich zur nächsten Parallele. Da half mir der Sport, die Agilität besser zu verstehen: Wenn ich meine Fitnessziele erreicht habe, was dann? Mission accomplished, Sport adieu und Fast Food, hier komme ich? Das wird nicht funktionieren! Bleibt man nicht am Ball, wird man schnell wieder verlieren, was man sich mühsam erkämpft hat. Und das ist im Agilen nicht anders.
Wir sprechen von "continous improvement", also ständiger Verbesserung. Idealerweise werden wir stetig besser. Es ist allerdings auch schon Arbeit, einen erreichten Zustand zu halten und nicht wieder in alte Muster zurückzufallen. Oder Agilität als einen Meilenstein zu sehen, den man abhaken kann. Kontinuität ist eher mit einem Lifestyle zu vergleichen: Man hat etwas so sehr verinnerlicht, dass es zur Gewohnheit geworden ist.
"Don‘t count your reps, make every rep count!"
Bei meiner Recherche nach Übungen, die sportlich neue Impulse setzen, bin ich über einen Fitness-Youtuber gestolpert, der einen sehr schönen Satz sagte: "Don‘t count your reps, make every rep count!", im Deutschen frei übersetzt: "Zähle nicht deine Wiederholungen, sondern sorge dafür, dass jede Wiederholung zählt."
Was er damit meint? Gerade im Sport ist es einfach, Übungen unsauber auszuführen. Sie fühlen sich dann leichter an, man kann mehr Wiederholungen machen. Soweit großartig, oder? Aber: Leider ist der Effekt nicht der erhoffte, da man schummelt bzw. nicht die nötige harte Arbeit erledigt, die für die gewünschte Veränderung notwendig ist!
Ich kam ins Grübeln und fand eine weitere Parallele zur Agilität. Wie viele Teams haben mir berichtet, sie arbeiteten agil oder mit Scrum: "Wir haben alle Events etabliert und machen die auch." So weit, so gut. Aber sorgen sie dafür, dass die Events auch wertvoll sind? Gibt es im Sprint Review Anwender:innen oder Kund:innen, die einem wirkliches Feedback geben können? Weiß ein Team, ob es Wert geliefert hat oder was aus Nutzersicht als Nächstes wirklich wertvoll ist? Wenn nein, hör auf zu zählen, wie viele Reviews du gemacht hast. Sorge dafür, dass sie ihren Zweck erfüllen. Denn nur dann wirst du die Erfolge sehen, die du dir erhoffst!
Fazit
Wenn du unzufrieden mit dir bist, wird keiner kommen und dich retten. Du hast es selbst in der Hand und darfst selbst aktiv werden. Dabei bist du allerdings nicht auf dich gestellt. Es gibt in allen Bereichen des Lebens Communitys von Gleichgesinnten, die dich unterstützen werden. Wichtig ist, dass du wirklich willst - dann steht dem Erfolg (eigentlich) nichts im Weg.
Veränderung wird nicht immer rosig rot sein, Reibung und vielleicht auch Schmerz gehören dazu. Es ist essenziell, das aushalten zu wollen, um aus dem Status quo auszubrechen und zu einem anderen Zustand zu kommen. Und diesen auch zu halten. Es wird allerdings leichter, je fitter man ist bzw. je länger man in einem neuen Arbeitsmodell gewohnt ist zu arbeiten. Das verspreche ich dir! (nr)