Projekte sind eine unzureichende Antwort auf Komplexität

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum wir heute so arbeiten, wie wir arbeiten? Warum haben wir Organigramme, die für einen gewissen Zeitraum in Stein gemeißelt sind – unbeeinflusst vom Marktgeschehen? Warum gibt es einige wenige Menschen, die Entscheidungen fällen, und viele andere, die diese ausführen?

Projekte sind eine unzureichende Antwort auf Komplexität

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum wir heute so arbeiten, wie wir arbeiten? Warum haben wir Organigramme, die für einen gewissen Zeitraum in Stein gemeißelt sind – unbeeinflusst vom Marktgeschehen? Warum gibt es einige wenige Menschen, die Entscheidungen fällen, und viele andere, die diese ausführen?

Die Geburt der Effizienzwelt

Dieser Markt bot Millionen von Menschen erstmals in der Geschichte die Möglichkeit, sich ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen. Da es sich um neues Phänomen handelte, waren diese längst nicht so ausdifferenziert, wie heute: Das Ford Modell T genügte, um Millionen von Mensch den Traum der individuellen Mobilität zu erfüllen.

Außerdem war die Kaufkraft dieser Menschen begrenzt. Gleiches galt für Ihre Möglichkeit, Angebote zu vergleichen und günstige Anbieter zu erreichen, denn es gab weder Fernsehen noch Internet, wenige besaßen ein Auto und die 6-Tage-Woche war die Regel.

Der Markt musste nicht oft erkundet werden, weshalb wir auch von einem "Verkäufermarkt" sprechen. Die Unternehmen stellten sich auf diesen Fakt ein und richteten sich komplett auf Effizienz aus. Ein Unternehmen musste funktionieren wie eine Maschine. Es galt das Motto "die Dinge richtig tun".

Schließlich war klar, was getan werden musste: Produkte entwickeln, herstellen und vertreiben, die die in der Regel bekannten Kundenbedürfnisse erfüllten. Dies musste eben nur kostengünstig und schnell erfolgen. So entstand die Idee, Spezialisten in separate Expertenteams zu verorten: Darauf entwickelten sich die verschiedenen Abteilungen wie Vertrieb, Einkauf und Logistik. Diese Idee formulierte Anfang des vergangenen Jahrhunderts Frederick Winslow Taylor aus und perfektionierte sie.

Effizienz als Mantra – auch in der Bildung

Nicht nur in Unternehmen hielt der Drang zur Effizienz Einzug: Auch wir Menschen wurden und werden sukzessive in diese Richtung sozialisiert. Erkennen lässt sich dieser Fakt sehr anschaulich an unserem Bildungswesen.

Mit Beginn der Grundschule gibt es Fächer. Das Streben nach Exzellenz in diesen einzelnen Fächern gilt als oberstes Gebot. Wir bilden unsere Kinder von Anfang an zu Experten aus.

Komplexität erfordert eine Versöhnung von Effektivität und Effizienz

Mit der Weiterentwicklung unserer Technologie wuchsen auch die Option en der Kunden stetig. Sie können heute nicht nur in einem größer werdenden vernetzten Raum konsumieren, wie einer Online-Plattform. Sie können jetzt auch Rezensionen zu Unternehmen und Produkten abgeben, die andere Kunden beim Kauf beeinflussen.

Das zwingt die Unternehmen, den Markt viel häufiger Wahrzunehmen und zu Erkunden. Durch die in den Unternehmen vorherrschenden Strukturen, die auf Effizienz ausgerichtet sind und nicht auf Effektivität ("die richtigen Dinge tun"), haben Menschen in Unternehmen gelernt, sich hauptsächlich um interne Dinge zu kümmern. Deswegen sind die Wertströme durchtrennt, über die das Unternehmen Werte für den Markt erzeugt. Bild 1 stellt diese These auf der linken Seite dar.

Funktionale und prozessuale Struktur im Vergleich

Bild 1: Funktionale und prozessuale Struktur im Vergleich.
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Komplexe Probleme löst man eben nicht in "Expertensilos". Gefragt ist Vernetzung. Die Antwort darauf ist heutzutage oft immer noch das Strukturelement "Projekt": Experten werden aus ihren Silos geholt und zu Projektteams formiert, die bestimmte Fragestellungen und Probleme bearbeiten sollen. Das Paradigma der Expertensilos bleibt damit unangetastet, was letztendlich weiterhin dazu führt, dass in den Unternehmen Komplexität unzureichend gehandhabt werden kann.

Genau dieses Dilemma haben wir in unserem Bereich BI@OTTO vor geraumer Zeit wahrgenommen und reagiert. Wir haben angefangen, konsequent in Wertströmen zu denken und zu handeln, so wie es auf der rechten Seite von Bild 1 zu sehen ist.

Kundenbedürfnisse finden bislang oft zu wenig Beachtung, dabei sind diese ausschlaggebend für den Erfolg. Wie Sie die Anforderungen Ihrer Kunden mittels Event Storming identifizieren, erfahren Sie von Conny Dethloff.

Projekte behindern das Agieren nach Effektivität

In unserem BI-Bereich bei OTTO arbeiten derzeit ca. 250 Menschen. Unsere Aufgabe ist, zusammen mit unseren Kollegen in den Fachbereichen, wie Vertrieb, Einkauf, Service, Logistik, Controlling etc., Probleme im Kontext von Entscheidungen und Daten zu lösen. Dafür erstellen wir BI-Produkte, wie Reports, Dashboards, Cockpits oder Date Science Modelle, die bessere, weil auf den Markt abgestimmte Entscheidungen, ermöglichen.

Diese BI-Produkte haben wir früher in Form von Projekten erstellt. Experten, wie Datenmodellierer, Reportentwickler, ETL Developer, Data Scientists etc., bildeten ein Expertenteam. BI-Produkte werden aber eben nicht in diesen Silos erstellt, sondern siloübergreifend. Um diese Experten dann zu einem Team zu formieren, benötigten wir die Struktur eines Projekts. Logisch, oder? Nein, nicht logisch, weil wir die folgenden Probleme in diesem Kontext mit dem Strukturelement "Projekt" festgestellt haben.

  1. Im Rahmen der Projektanbahnung mussten zu viele Tätigkeiten durchgeführt werden, die nicht wertgenerierend sind. Beispiele dafür sind das Anfertigen von Dokumenten für Projektanträge und Projektvereinbarungen oder das Anfordern von Budget und Menschen.
  2. Projekte haben ein definiertes Ende. Projektteams zerfallen nach Projektende. Menschen, die BI-Produkte erstellen, sind für den Betrieb dieser nicht verantwortlich. Da kann es dann schon einmal zu Nachlässigkeiten bei der Qualität der Produkte kommen. Ich verurteile dieses Handlungsmuster nicht. Projekte fördern nun einmal kein nachhaltiges Verhalten, da der Betrieb der BI-Produkte an andere Teams und Menschen delegiert wird.
  3. Unsere Kunden, die Mitarbeiter in den OTTO-Fachbereichen, haben keinen dedizierten Ansprechpartner für in Projekten erstellte BI Produkte. Kommen beim Einsatz von BI-Produkten Fragen auf oder der Wunsch nach Weiterentwicklung, wissen die Mitarbeiter nicht, wenn sie dazu ansprechen können.

Diese Probleme haben bei uns dazu geführt, Projekte abzuschaffen. Projekte sind kein Selbstzweck, sondern sollen strukturgebend sein, um effektiv und effizient Wert zu generieren und zu schöpfen. Sie sind kein Naturgesetz, wie die Gravitation. Sie sind in einer Welt entstanden, in der das Mantra der Effizienz vorherrschte. In dieser Welt wurden Expertendisziplinen, wie Vertrieb, Einkauf, Logistik, Datenmodellierung, Reporterstellung, Projektmanagement etc. entwickelt und perfektioniert.

Dieses Fakt haben wir uns bewusstgemacht und uns über andere wertgenerierende Strukturen, abseits von Projekten, Gedanken gemacht. Heute, wo es eher darum geht, Effektivität und Effizienz in Einklang zu bringen, ist es essentiell, Experten dauerhaft miteinander zu vernetzen und sicherzustellen, dass Experten sich untereinander verstehen.

Auflösung auf der PM Welt 2018

Welche Strukturen wir statt "Projekte" eingeführt haben, welche Schritte wir dabei verfolgt haben, sowie welche Fehler wir gemacht haben, erzähle ich in einem Vortrag auf der PM Welt 2018 in München. Nur so viel vorab als Appetitanreger. Wir haben vor vier Jahren begonnen, einfache Bilder zu malen, an denen wir einen neuen Denkrahmen aufspannten. Wir haben ein neues Führungsverständnis definiert und uns dabei auf in der Öffentlichkeit eher unbekannte Gedankengebäude, wie dem Viable System Model (VSM) von Stafford Beer und der Theory of Constraints (ToC) von Eliyahu Goldratt, gestützt.

Des Weiteren haben wir bekannte Buzzwords, wie "Agil" oder "Lean" entmystifiziert und damit handlungsleitend definiert. Wie hier unter anderem Erkenntnisse aus der japanischen Kampfkunst hineingespielt haben, dürfte Sie vielleicht ebenfalls interessieren.

Besuchen Sie doch die Konferenz und diskutieren Sie mit mir. Ich freue mich darauf.

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Alle Kommentare (17)

Roland
Germer

Die Überschrift mag ja durchaus polarisierend wirken und daher ihren Zweck erfüllen - Interesse wecken. Aber leider geht die Analyse aus meiner Sicht am Problem vorbei. Die drei identifizierten Probleme im Kontext des Strukturelements Projekte sind in der allgemeine formulierten Art schlicht falsch: 1. Im Rahmen der Projektanbahnung mussten zu viele Tätigkeiten durchgeführt werden: Projekte brauchen nicht viel formale Vorbereitung. Das kann man sehr effizient gestalten. Die wichtigen Fragen muss man trotzdem klären, oder sie kommen während der Umsetzung auf den Tisch. Was besser ist liegt im Auge des Betrachters. 2. Projektteams zerfallen nach Projektende: Falsch, es gibt Organisationsformen die genau das verhindern. Projektteams können mehrere Projekte hintereinander bearbeiten und dies in weiterzugehender Zusammenstellung. 3. Unsere Kunden haben keinen dedizierten Ansprechpartner für in Projekten erstellte BI-Produkte: Wenn Sie in den Projekten ihre Hausaufgaben nicht machen (Übergabe der Produkte in den LifeCycle) dürfen Sie sich nicht wundern wenn es nicht funktioniert. Da die Fehleranalyse aus meiner Sicht falsch ist bin ich an der Lösung auch nur begrenzt interessiert.

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Antwort auf von Roland Germer

Hallo, 1. Zur von ihnen angesprochenen Analyse. Fehleranalysen sind stets kontextbezogen und niemals kontextlos. Das bedeutet, diese Analysen beziehen sich stets auf das Umfeld. Auf welcher Basis können Sie, wenn Sie das Umfeld nicht kennen und bei der Analyse nicht dabei waren, eine Wertung in "richtig" und "falsch" vornehmen? Das würde mich interessieren. 2. Zur generellen Aussage über die Organisationspattern "funktional" vs. "prozessual". Diese Aussagen sehe ich als generell an und habe dies hoffentlich auch in dem Beitrag aus meiner Sicht begründet. BG, Conny Dethloff

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Mir fällt als Ergänzung noch ein. Nur weil das strukturierende Element "Projekt" entfällt, bedeutet das nicht automatisch, dass auch die Kompetenzen und Skills, die der Rolle des Programm- oder Projektmanagers zugeschrieben werden, nicht mehr benötigt werden. Ganz im Gegenteil. Diese Kompetenzen und Skills sind weiterhin essentiell, nur eben in einem anderen Kontext, nämlich im Kontext des Produktmanagements.

 

Guest

Habe den Beitrag mit Interesse gelesen, zumal er im Newsletter zentral herausgestellt wurde. Und mich am Schluß geärgert, daß ich auf einen Teaser hereingefallen bin. Schade um die Zeit. F.Forsten

 

Hallo Herr Forsten,

danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns Ihre Meinung mitteilen. Es tut mir leid, dass der Beitrag Ihre Erwartungen nicht erfüllt hat. Als für den Blog verantwortlicher Redakteur ist es mir ein großes Anliegen, dass sowohl Blogger als auch Leser den Blog des Projekt Magazins als wertvolle Kommunikationsmöglichkeit wahrnehmen.
Wir wollen mit dem Blog ein Forum für Denkanstöße, kurze Meinungsbeiträge und den Austausch dazu anbieten. Für detaillierte und umfassendere Darstellungen ist unserer Meinung nach ein Blog weniger geeignet – diese Anforderung wollen wir mit unseren Fachartikeln erfüllen. Für den direkten und intensiven persönlichen Austausch schließlich haben wir die PM Welt ins Leben gerufen. Auf diese Weise versuchen wir, die vielfältigen Anforderungen der PM-Community zu erfüllen.
Schade, dass uns dies heute für Sie nicht gelungen ist. Aber Sie könnten uns dabei helfen, dies vielleicht doch noch zu tun: Stellen Sie doch direkt hier dem Autor des Blogbeitrags Ihre konkrete Frage! Herr Dethloff wird – innerhalb der Möglichkeiten einer Online-Diskussion ist – sicher darauf antworten.

Viele Grüße
Daniel Vienken

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Antwort auf von Gast (nicht überprüft)

Hallo Herr Forsten, da würde ich gerne mehr über Ihre Gründe erfahren. Warum war der Beitrag Zeitverschwendung? Was sehen Sie anders? Danke. BG, Conny Dethloff

 

Guest

@Frank Forsten: Für mich war der Artikel nicht effizient, da ich selber weiter denken musste. Aber nicht schade um die Zeit, da ich effektiv die (Projekt-) Welt mal wieder von einem anderen Standpunkt aus betrachten konnte. @Conny Dethloff: Passt aus Ihrer Sicht der Gedankengang auch für Kundenprojekte (<> Produktentwicklung)? Meine Firma ist "restriktiv" bei externen Projekten, gibt aber Freiheit bei internen Kunden.

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Antwort auf von Gast (nicht überprüft)

Hallo Herr Krause, das Konzept dahinter passt für jede Art von Wertgenerierung. Wir haben uns hier von der industriellen Fertigung leiten lassen und diese auf Business Intelligence adaptiert. Als gemeinsame Steuerungssprache in den einzelnen Produktteams haben wir uns auf Theory of Constraints (ToC) gestützt. Essentiell ist eben nur, dass die einzelnen Produktteams cross-funktional aufgestellt sein müssen. Das bedeutet, in den Teams müssen alle Skills und Kompetenzen vorhanden sein, von "Problem verstehen" bis "Lösung erstellen". Bei externen Kunden ist es natürlich immer schwer, diese fest in Teams einzubinden. Gehen tut es aber trotzdem. Bei uns war es dahingehend etwas einfacher, da wir als BI Bereich interne Kunden, nämlich unsere Fachbereiche, mit BI Produkten bedienen. BG, Conny Dethloff

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Antwort auf von Gast (nicht überprüft)

Hallo Herr Krause, hier können Sie ganz tief eintauchen in den Denkrahmen Unternehmen entlang der Wertströme zu modellieren. Die Beiträge 3 bis 5, wobei der fünfte Beitrag erst am kommenden Montag live geht, leuchten das Konzept dahinter detailliert aus. https://blog-conny-dethloff.de/?page_id=4036 BG, Conny Dethloff

 

Guest

Das ist vielschichtig. Zum einen sehe ich bereits einen großen Unterschied zwischen der effizienten transaktions-orientierten Linie und der effektiven transformations-orientierten Projektorganisation. Zum anderen sind die geschilderten Probleme nicht im projekt-orientierten Vorgehen zu suchen, sondern schlicht im korrekten Zuschnitt. Wenn die Projektgegenstände nur Berichte, Cockpits usw. sind, dann darf ich mich nicht wundern, wenn die Linie nach Projektabschluss überfordert zurückbleibt. Korrekter Projektgegenstand wäre Aufbau einer BI-Kompetenz gewesen, wie besagter Bereich Business Intelligence. Vor dem Hintergrund hätte mich schon interessiert, was man bei OTTO "anstatt" macht, nachdem Projekte "abgeschafft" wurden. Das Ende von Projekten und insbesondere von Projektmanagement wurde ja schon oft eingeläutet, aber letztendlich erfolgt nur eine Verlagerung der Aufgaben und Neuzuschnitt der nötigen Rollen. Angesichts der Ankündigung, das Projekte eine unzureichende Antwort auf Komplexität sind, hätte ich gerne mehr über eine bessere Antwort erfahren.

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Antwort auf von Gast (nicht überprüft)

Hallo Herr Forsten, was wir stattdessen machen? Das beschreibe ich in diesen Beiträgen. 1. Business Systemics – Unternehmen als Geflecht aus Wertströmen (https://www.lean-knowledge-base.de/business-systemics-unternehmen-als-geflecht-aus-wertstroemen/), 2. Business Systemics – Die Wertstromebene 1 im Unternehmen als VSM dargestellt (https://www.lean-knowledge-base.de/business-systemics-die-wertstromebene-1-im-unternehmen-als-vsm-dargestellt/) und einem fünften Beitrag, der am kommenden Montag live geht. In diesem 5. Beitrag beschreibe ich die 2. Wertstromebene. In diesen Beiträgen erläutere ich auch, dass die konsequente Trennung zwischen Projekt und Linie in der heute immer komplexer werdenden Welt in meinen Augen nicht mehr sinngekoppelt ist. Ist zwar viel Lesestoff. Aber es ist ja auch ein umfassendes Thema. BG, Conny Dethloff

 

Guest

Beim Lesen Ihres interessanten Blogbeitrages habe ich mich gefragt, ob vielleicht (komplexere) Aufträge mit Projekten verwechselt wurden. Ich kenne viele Unternehmen, die darin keinen Unterschied sehen. In meinem Verständnis ist das eine Schlüsselfrage. Sie führt dazu, dass Projekte als Quelle unternehmerischer Effektivität (z.B. durch Innovation) zu verstehen und Effizienz als Teil des Prozessmanagements. Wenn Aufträge und Projekte in einen Topf geworfen werden, ensteht eine Projektinflation mit all den nervigen Auswirkungen: Bürokratie, Desinteresse im Topmanagement, Aussitzen von Entscheidungen, Gerangel um Ressourcen, keine Prioritäten, fehlende Kräftekonzentration, Frustration und Resignation. Vielleicht waren Sie ein Opfer der Projektinflation?

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Hallo Herr Keller, Danke für Ihre Antwort. Ich versuche zu erklären. Der BI Bereich von OTTO versteht sich als interner Dienstleister für die Fachbereiche bei OTTO im Kontext Entscheidungen. Unsere Aufgabe ist es über BI Produkte (Reports, Dashboards, Cockpits und Data Science Modelle) und Service Dienstleistungen (Schulungen und Beratungen) Entscheidungen so zu gestalten, dass besser am Markt reagiert und der Markt aber auch aktiv gestaltet werden kann. Für die Erstellung der BI Produkte gab es früher Projekte, für die Service Dienstleistungen nicht. Wir haben also schon die Unterscheidung in Projekte und Aufträge vollzogen. Das war also nicht die Ursache. Jetzt im Rahmen des Produktmanagements kommt alles, Produkte als auch die Dienstleistungen zu den Produkten und darüber hinaus sowie der produktspezifische Betrieb, verantwortlich aus den Produktteams heraus. BG, Conny Dethloff

 

Guest

Sehr geehrte Redaktion und sehr geehrter Dipl.-Math. Conny Dethloff, ich habe mit viel Vergnügen ihren etwas kritischen Artikel gelesen. Er bietet auf jeden Fall eine andere Perspektive an und betrachtet gewisse Standards kritisch. Und kritisches Denken sollte meiner Meinung nach immer gefördert werden! In meinen Augen gehört Projektmanagement zu einer der zentralsten Einheiten eines Unternehmens. Auch wenn Projekte nicht immer so nachhaltig sind, gehören sie zu dem Kern des Unternehmens. Projekte können auch zur Reduktion von Komplexität führen. Ob unzureichend oder nicht, ist eine Frage, die jeder für sich beantworten muss. Vor allem jeder Projektmanager. Jeder hat seine Argumente die dafür und die dagegen sprechen. Auf diese Diskussion möchte ich nicht eingehen. Denn ich glaube zu dieser Diskussion wurde schon viel gesprochen! Vielleicht kann Projektmanagement doch eine zureichende Antwort sein! Auch im Projektmanagement gibt es laufende Innovationen und neue Entwicklungen. Dieses neue Wissen muss aber auch vermittelt, gelehrt und gelernt werden. Ein berufsbegleitendes Studium hat mir beispielsweise sehr viel geholfen, da ich einfach die Dinge ganz anderes betrachtet habe. Der Master Projektmanagement an der Management Akademie Heidelberg ist zum Beispiel eine berufsbegleitende Variante (Info: https://www.mah-hd.de/studiengaenge/master-projektmanagement.html ). Vielen Dank für den Artikel und die interessanten Ansichtsweisen! Viele Grüße!

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Antwort auf von Gast (nicht überprüft)

Vielen Dank für Ihre Antwort. Warum gehören Projekte und damit Projektmanagement zu den zentralsten Einheiten eines Unternehmens. Sind Projekte haben zu müssen ein Naturgesetz, ähnlich wie es die Gravitation ist? Für mich nicht. Für mich sind Projekte eine Art Managementstruktur, die wir Menschen erfunden haben, damit Menschen in einem Unternehmen gemeinsam einen Wert schaffen können. Und alles was wir Menschen erfunden haben, können wir auch wider ändern oder abschaffen. Es ist legitim zu hinterfragen und ggf. diese Struktur zu ändern oder anzupassen, wenn man feststellt, dass diese Struktur nicht mehr passfähig zum Wertgenerieren ist. Genau das haben wir getan. Und mit Erfolg. Aber ganz wichtig und das habe ich auch betont. Viele Skills und Kompetenzen, die Menschen haben sollten, um erfolgreich Projekte zu managen, sind natürlich auch jetzt im Rahmen des Produktmanagements noch essentiell, nur eben in einem anderen Kontext. Menschen, die früher erfolgreich die Rolle eines Projektmanagers oder Programm Managers bekleidet haben, sind auch jetzt noch von entscheidender Bedeutung. Ich freue mich auf die PM Welt in München, wo ich dann viel detaillierter von unserer Reise vom Projekt- hin zum Produktmanagement berichten kann. BG, Conny Dethloff

 

Jörg
Uwer
Dipl.-Kfm.

Herrn Dethloffs Gedanken und Ausführungen halte ich für sehr interessant und überaus vertiefungs- sowie diskussionswürdig. Ich erlaube mir diese Einschätzung, da ich mich seit vielen Jahren mit den beiden implizierten Themen, „Projekte und Projektmanagement“ und „Business Intelligence“ und damit fast zwangsläufig auch mit deren Verbindung in der Praxis beschäftige. Auch nach meiner Erfahrung lassen gerade in größeren Unternehmen Projekte oftmals eine „Wertorientierung“, d.h. eine konsequente Ausrichtung auf das beabsichtigte Ergebnis, sei es eine bestimmte Lösung für eine Frage- oder Problemstellung oder ein neues bzw. verändertes Produkt- oder Leistungsangebot, vermissen. Dies erscheint „generell“, d.h. für Projekte im Allgemeinen mit ganz unterschiedlichen Gegenständen und Zielsetzungen (exemplarisch angeführt seien hier die Umsetzung regulatorischer Anforderungen in der Finanzdienstleistungsbranche oder unternehmerische Bemühungen zur „Digitalisierung“) noch häufiger zutreffend als für solche, deren Ergebnis ein konkretes „BI-Produkt“ wie die angeführten Reports, Dashboards, Cockpits oder Data Science-Modelle ist. Dennoch lässt sich auch in vielen Business Intelligence-Projekten die von Herrn Dethloff und Co-Kommentatoren zitierte Projektbürokratie als Hemmschuh feststellen, und dies insbesondere in Konzernen mit ihrem fest vorgegebenen, häufig überladenen und damit praxisfernen Methoden-Baukasten und starren, antiquierten Strukturen für die „temporäre Organisationsform ‚Projekt‘“ (Gremien mit desinteressierten und kenntnisneutralen „Silo-Vertretern“, mangelnde Priorisierung aufgrund nicht vorhandenen oder wirkungslosen Projektportfolio-Managements etc.). Dies erscheint umso problematischer, als in unserer dynamischen Unternehmenswelt diese BI-Produkte schnell, individualisiert und adaptionsfähig zur Verfügung stehen müssen. Insofern ist in solchen Vorhaben oftmals nicht der „Trade-off“ zwischen Effektivität und Effizienz das Problem, vielmehr fehlt es häufig an beiden. Herrn Dethloffs Gedanken, dieses Dilemma mit Methoden des Produktmanagements, der Betrachtung von Wertströmen auf der Grundlage von systemtheoretischen, kybernetischen Ansätzen zu lösen, machen daher neugierig, zumindest mich. Der Vollständigkeit halber sei aber noch ein Aspekt angesprochen: Der in Herrn Dethloffs Unternehmen sicherlich realisierte Anspruch, im Rahmen eines „BI-Produktmanagements“ „Experten dauerhaft miteinander zu vernetzen“ impliziert im Wesentlichen, dass diese Experten alle interne Mitarbeiter des Hauses sind. BI-Vorhaben werden aber nicht selten mit Unterstützung externer Experten umgesetzt, was eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Sicherstellung einer nachhaltigen Verantwortlichkeit für die erstellten Produkte bedeutet.

 

Conny
Dethloff
Dipl.-Math.

Hier findet man die Folien meines Vortrags von der PM Welt 2018 in München, in dem ich diese Thematik beleuchtet habe. https://de.slideshare.net/ConnyDethloff/pm-welt-2018-biotto-vom-projektportfolio-zum-produktmanagement