Warum Belegschaften häufig unter Beratern leiden Berater: Guter Rat ist teuer – schlechter kostet doppelt!

Die Beratermisere

Wenn unser Autor in Unternehmen unterwegs ist, als Projekt-Begleiter oder bei Workshops, dann hört er oft Sätze wie: "Unsere Firma muss ein El Dorado für Berater sein!", oder auch: "Wir haben alle namhaften Beraterfirmen schon durch!" Vor einiger Zeit erlebte er, wie großen Schaden die Beratermisere anrichten kann.

Warum Belegschaften häufig unter Beratern leiden Berater: Guter Rat ist teuer – schlechter kostet doppelt!

Die Beratermisere

Wenn unser Autor in Unternehmen unterwegs ist, als Projekt-Begleiter oder bei Workshops, dann hört er oft Sätze wie: "Unsere Firma muss ein El Dorado für Berater sein!", oder auch: "Wir haben alle namhaften Beraterfirmen schon durch!" Vor einiger Zeit erlebte er, wie großen Schaden die Beratermisere anrichten kann.

Beim Kick-off für ein Großprojekt sagte der Geschäftsführer vor versammeltem Projekt(kern)team sagte: "Wir haben die besten Berater engagiert, damit dieses Projekt auf jeden Fall ein Erfolg wird."

Die Teammitglieder sahen sich entgeistert an und tuschelten: "Der Chef tut grad so, als ob wir das nicht alleine schaffen – wie das Großprojekt zuvor und das zuvor und das … Danke auch für das Misstrauen!"

So hatte der Chef das nicht gemeint. Doch so kam es im Team an. Dabei war der Unmut des Teams noch moderat formuliert. Normalerweise sind Projektleiter und Teams sehr viel artikulierter, wenn es um die Beratermisere geht.

Die Beratermisere

Der Projektleiter eines großen Mittelständlers spricht aus, was die meisten denken, wenn die Berater einfallen: "Wir haben hier im Unternehmen viel zu viele Gremien, die uns im Projekt reinreden. Das ist der Grund, weshalb Entscheidungen viel zu lange dauern. Wie will ein Berater das ändern? Und wozu brauchen wir einen Berater, um das zu ändern? Schafft die Unternehmensleitung es nicht, ihre eigene Führungs- und Entscheidungsstruktur zu verschlanken?

Außerdem geben die Linienmanager keine oder zu wenig kompetente Leute ins Projekt ab. Wir haben keine Projektmanagement-Standards, an die sich alle halten müssen und auch viel zu wenig gut ausgebildete Projektleiter. Und zu diesen ganzen Hindernissen kommt jetzt auch noch ein Berater, der uns vor die Nase gesetzt wird? Das kann es nicht sein." Das ist es aber. Denn der Berater ist gebucht. Doch wenigstens gibt es eine Antwort auf die Frage: Und wie, bitteschön, will der Berater das jetzt alles ändern? Antwort: nach Schema B.

Das Schema B

Eine erfahrene Projektleiterin eines Konzerns erzählt: "Erst halten uns Junior-Berater, die frisch von der Uni kommen, von der Arbeit ab und fragen uns Löcher in den Bauch, was alles in Projekten schiefläuft und aufhält. Und dann marschieren sie schnurstracks ins Vorstandsbüro und verkaufen die von uns geklauten Erfahrungen als ihre eigenen Erkenntnisse. Also ob wir exakt das, was sie da präsentieren, nicht schon seit Jahren gesagt hätten! Und für diesen Klau geistigen Eigentums werden die auch noch bezahlt!"

Das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste ist, was viele Geschäftsleitungen dann mit den Berater-"Erkenntnissen" anfangen. Sie machen sie den Projektleitern und ihren Teams zum Vorwurf: "Wie könnt ihr nur? Das ist ja alles grottenfalsch! Stellt das gefälligst ab!" Kein Wunder, dass ich oft Teilnehmende in Workshops sitzen habe, die so stinksauer sind, dass sie kein Wort herausbringen – oder nicht aufhören können, ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Ich erschrecke dann und frage, ob es an mir liegt und die Leute winken ab: "Ach was, nein – wir haben bloß momentan die Berater im Haus."

Wenn ich solchen Unmut (selbstverständlich anonymisiert) dann an den Vorstand weitertrage, habe ich auch schon gehört: "Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen." Das verstehen viele unter "Optimierung des Projektmanagements": Kampf der Titanen gegen die Frösche. Das erklärt auch oft, warum und welche Berater engagiert werden.

Kampf der Titanen

Berater beraten – die guten zumindest. Doch es gibt auch welche, die Grenzen überschreiten und einen Krieg anzetteln (und das dann "Beratung" nennen). Ich erlebe das leider nicht so selten wie erhofft. (Manche) Berater kämpfen titanenhaft gegen jene Projektteams, die sie eigentlich beraten sollten. Sie machen Druck: "Wenn Sie den Termin für diese Arbeitspakete nicht einhalten, bringe ich das nächste Woche beim Lenkungsausschuss auf die Tagesordnung." Das ist nicht Beraten, das ist unprofessionell.

Ganz abgesehen davon, dass der Berater damit eine Revolte provoziert: "Der Berater ist unser natürlicher Feind", stand jüngst in einer Rundmail eines Projektteams. Entsprechend wurde er gemieden und taktisch behandelt. Das Projekt hat sich dadurch nicht beschleunigt; ganz im Gegenteil.

Kein Auftrag wird abgelehnt

In manch einem Lenkungsausschuss sitzt der Berater sogar mittendrin und erklärt den Ausschuss-Mitgliedern, für welche Projekte der nächsten zehn Jahre sie ihn und seine Leute brauchen. Mit seiner Provision für diese Auftragsgewinnung kann er danach zum Autohaus gehen.

Es gibt etliche Berater, die hinter vorgehaltener Hand exakt das bestätigen, was auch die Projektteams monieren: "Wozu braucht die Firma denn einen Berater? Was in den Projekten schiefläuft, sehen doch auch die Projektleiter. Warum werden die nicht einfach gefragt? Dieser Beratungsauftrag macht doch keinen Sinn!" Aber er wird angenommen. Denn kein Senior Partner weist einen Auftrag zurück, wenn er 30, 40 oder mehr Berater auf der Gehaltsliste stehen hat. Auch für (manche) Berater gilt: Jacke ist näher als Hose.

Berater können helfen …

Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Wirtschaft braucht Berater! Berater sind sinnvoll und nützlich – so nützlich wie Kfz-Monteure. Doch wenn ein Kfz-Monteur beim Ersetzen der ratzekahlen Bremsbeläge auch noch gleich die Scheiben ersetzen möchte, die noch locker für 20.000 km gut sind, weiß der arglose Autobesitzer zumindest, welche Werkstätte er das nächste Mal meidet. Das ist in allen Berufen so. Das heißt: Brauchen wir Berater? ist nicht die richtige Frage, weil die Antwort darauf "Ja!" lautet.

Intelligenter ist die Frage: Welchen Berater brauchen wir? Und auch darauf fällt die Antwort leicht: Einen, der die oben geschilderten (und einige andere) Fehler vermeidet – und das Gegenteil macht. Einen, der nicht das Know-how der Projektteams klaut und es als sein eigenes ausgibt. Einen, der sein eigenes Beratungsprojekt professionell und transparent managt – was nur die besten Berater machen. Die meisten lassen sich beim eigenen Projekt nicht in die Karten blicken; auch und gerade nicht vom eigenen Auftraggeber – das sollte man ein internes Projektteam wagen!

…aber nur wenn sie gut sind!

Ich kenne keinen Berater, der nicht so konzept-kompetent ist, dass er selbst Moses noch erklären könnte, was er bei der Rezeption der 10 Gebote konzeptionell hätte anders machen müssen. Beim rein Menschlichen dagegen hapert es erstaunlicherweise immer noch: Projektteams werden regelrecht sauergefahren. Geht das nicht anders?

Es geht. Beratung braucht Berater, die nicht nur eine Vorstellung (und die passenden Konzepte), sondern auch Erfahrung darin haben, wie man mit Menschen in Projektteams umgeht, wie man Blockaden, Widerstände und Reaktanz (fragen Sie einen Berater doch, ob er das Wort schon mal gehört hat) so behandelt, dass sich komplette Projektteams nicht mit Grausen abwenden.

Es gibt tatsächlich Berater, die mit Menschen umgehen und Prozesse begleiten können und Lenkungsausschüsse nicht abhängig von sich machen, sondern die Projektteams mit neuen, nötigen Kompetenzen ausstatten, damit die Projekte besser laufen. Es gibt solche Berater – man muss sie nur beauftragen.

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Die Standardreaktionen auf die verbreitete Entscheidungs-Arthrose in vielen Lenkungsausschüssen umfassen Frust, Wut und Zorn. Man schimpft im Kreis der Kollegen über "Die Bremser da oben". Das ist verständlich, hilft aber leider wenig.

Die Beraterbranche ist im Umbruch. Viele große Consulting-Firmen (ab 50 Mitarbeitern) drängen in neue Geschäftsfelder.

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Alle Kommentare (2)

Stefan
Jahn

Ein Berater schreibt über Berater - Hont y soit qui mal y pense... Ich finde ja die Glaubenssätze und Motive der Verantwortlichen interessant, die diese gerade beschriebenen Berater einstellen: Unter-Wasser-strehende Manager, karriere- und nichts-falsch-machen-wollende Projektverantwortliche, kostenorientriereter Einkauf.

Guest

Gut beschrieben. Trifft auch für interne Berater zu. Die Qualität der Berater sieht man an der aktiven Mitarbeit und reeller Erfahrung.