Was spart Projektmanagement?

Ohne Projektmanagement geht’s auch. Aber mit Projektmanagement geht es leichter, schneller, kosten-, termin- und zieltreuer. Deshalb entschließen sich immer mehr Unternehmen – endlich – professionelles Projektmanagement einzuführen. Doch bevor sie das tun, wollen viele wissen, wie viel sie dadurch einsparen – keine ganz einfache Frage.

Was spart Projektmanagement?

Ohne Projektmanagement geht’s auch. Aber mit Projektmanagement geht es leichter, schneller, kosten-, termin- und zieltreuer. Deshalb entschließen sich immer mehr Unternehmen – endlich – professionelles Projektmanagement einzuführen. Doch bevor sie das tun, wollen viele wissen, wie viel sie dadurch einsparen – keine ganz einfache Frage.

Die Frage

Wer Projektmanagement einführen möchte, sieht sich mit einer substanziellen Investition konfrontiert; unter anderem für Handbuch, Standards, Software und Training für die eigenen Leute. Das kostet, meist auf Euro und Cent genau kalkuliert, weshalb ich an dieser Stelle regelmäßig die Frage höre: Wenn das so und so viel kostet – wieviel Euro sparen wir dann mit Projektmanagement?

Ignorieren wir für einen Moment den Aufschrei in den Projektgruppen, der sich auf diese Frage erhebt. Als seine Geschäftsführung diese Frage stellte, schlug ein Spartenleiter in einem größeren Unternehmen die Hände überm Kopf zusammen und klagte: "Was ist denn das für eine Frage? Wir an der Basis sehen doch jeden Tag: Ohne richtiges Projektmanagement ist jedes Projekt ein Desaster!" Wie gesagt: Ignorieren wir den Aufschrei der Basis und nehmen die Frage der Entscheider ernst: Was spart Projektmanagement?

Die korrekte Antwort

Wir versuchten vor einiger Zeit, diese Frage tatsächlich zu beantworten. Das konkrete Unternehmen wollte Projektmanagement einführen und hatte mit Hilfe unserer Projekt- und Arbeitsgruppe kalkuliert, dass die nötigen Ausgaben für Software, Schulung, Standards und Handbuch auf eine runde Million Euro kommen würden. Der Finanzvorstand hätte das Geld durchaus lockergemacht, wollte vorher aber noch von uns wissen: Was kriegt unser Unternehmen für die Million?

Eine exakte Antwort hätte vorausgesetzt, dass die Projektdaten der Vergangenheit erfasst wurden, um sie mit den geschätzten Verbesserungen eines künftigen, professionellen Projektmanagements zu vergleichen: Welche "Projekte" liefen die letzten zehn Jahre? Wie lange dauerten sie? Was kosteten sie? Was war das Ergebnis? Und hat sich überhaupt der geplante Nutzen eingestellt? Jeder Projektleiter, jede Projektleiterin, die mehr als zwei Projekte Erfahrung haben, lacht sich bei diesen Fragen schief: So gut wie niemand hat diese Zahlen. So gut wie niemand hat den Mut oder das Projektcontrolling, solche Zahlen zu erheben.

Der Mut zur Antwort

Kaum ein Entscheider ist so mutig, sich nach Ende eines Projekts zu fragen: Was haben wir geplant und was kam tatsächlich dabei heraus? Es könnte ja herauskommen, dass das Projekt doppelt so teuer kam wie geplant und sein Nutzen trotzdem kaum nachweisbar ist. Man könnte daraus einiges lernen, doch genau das passiert nicht in Unternehmen, in denen aufgrund solcher Zahlen, solcher Projekttransparenz dann unweigerlich eine Hexenjagd auf die Projektteams einsetzt. Deshalb fehlten diese Angaben auch in besagtem Unternehmen. Wir konnten noch nicht einmal Zahlen dazu auftreiben, wie viele Mitarbeiter in den letzten zehn Jahren überhaupt in Projekten mitgearbeitet hatten. Also rechneten wir anders.

Die Antwort mit Kniff

Annahmen sind nicht gut, doch wenn Zahlen fehlen, sind Annahmen besser als die totale Ignoranz. Also stellten wir ein Rechenmodell auf: Die jährlichen IT-Personalkosten des Unternehmens beliefen sich auf 400 Millionen Euro. Erste Annahme: Die Hälfte der IT-ler ist damit beschäftigt, die IT des Unternehmens am Laufen zu halten. Die andere Hälfte arbeitet in Projekten mit. Denn die IT ist in diesem Unternehmen bei jedem Projekt dabei – macht 200 Millionen Euro IT-Projektkosten.

Zweite, extrem konservative Annahme: Die Fachseite ist in jedem Projekt paritätisch vertreten, also mit weiteren 200 Millionen, macht insgesamt 400 Millionen. Dritte, nach Ansicht der Abteilungsexperten in unserer Arbeitsgruppe ebenfalls sehr konservative Annahme: Ein professionelles Projektmanagement erspart dem Unternehmen 10% vom üblichen Effizienzverlust, macht 40 Millionen Euro Einsparung. Pro Jahr. Der Finanzvorstand rieb sich die Hände: "40 Millionen Einsparung für eine Million Investition? Genialer Return on Investment. Damit gehe ich in die nächste Vorstandssitzung." Das tat er. Und die Hölle brach los.

Das Antwort-Tabu

Der arme Finanzvorstand wurde in der Vorstandssitzung von den anderen Vorständen total auseinandergenommen. Seine Kollegen flippten völlig aus: "Sind Sie wahnsinnig? Wenn das an die Öffentlichkeit gerät, dass wir ein Effizienzpolster von 10% haben! Das würde ja heißen, wir verschwenden bislang Jahr für Jahr 40 Millionen Euro! Wir machen unseren Job nicht! Wenn der Aufsichtsrat das mitkriegt, feuert er uns!"

Ergo: Unsere Vorlage verschwand sofort unterm Tisch. Unser Arbeitsgruppenleiter wurde umgehend degradiert und hat seither nie wieder ein Projekt geleitet (was ihm beim herrschenden Projektchaos und einer Ineffizienz weit jenseits unserer postulierten 10% nicht unrecht ist). Alle Mitglieder unserer Arbeitsgruppe bekamen einen Maulkorb, wurden über Nacht aus ihren Fachabteilungen entfernt und in alle Konzernwinde verstreut. Das Ding war durch. Aber sowas von.

Das Antwort-Paradoxon

In jedem Unternehmen klagen die Menschen an der Basis: "Wir haben so viele Effizienzverluste! So viele sinnfreie Aufgaben! So viele unnötige Prozesshemmnisse! Was das kostet!" Ja, was kost‘ das denn? Obwohl das alle (inoffiziell) wissen wollen, will das keiner (offiziell) wissen.

Paradox, aber logisch: Kein Entscheider begeht Karriere-Harakiri mit Ansage, indem er die Antwort auf diese Frage in Auftrag gibt. Unser Finanzvorstand war die krasse, naive Ausnahme (er überlebte). Natürlich gibt es noch einige wenige andere Entscheider, die mutig genug sind, diese Frage zu stellen. Meist arbeiten sie in Unternehmen, in denen eine offene Kommunikationskultur herrscht und keine permanente Hexenjagd, eine Kultur der lernenden Organisation und keine notorische Schuldigen-Safari.

Die qualitative Antwort

Die Frage, was Projektmanagement in Euro einspart, ist aus einem zweiten Grund inopportun. Ich habe den Verdacht, dass jene, die eine Zahl brauchen, sich nicht sonderlich gut mit Projektmanagement auskennen. Sie wissen nicht, was ihre Leute an der Projektbasis nach wenigen Wochen in einem Projekt wissen: Echtes, richtiges, professionelles Projektmanagement bringt jedem Unternehmen einen Effizienzsprung.

Weil Projektteams endlich genau(er) wissen, was ihre Entscheider wirklich wollen. Weil Projektteams nicht zur Schnecke gemacht werden, wenn sie sich an Standards halten. Weil alle sich viel stärker an gemeinsame Regeln halten. Weil Kapazitätsengpässe transparenter werden und ohne Hexenjagd behoben oder abgemildert werden können. Es ist schön, wenn man all diese (und mehr) Verbesserungen in Euro genau kalkulieren kann. Man kann das ausrechnen. Man muss es nicht. Gutes Projektmanagement spart eine Menge Geld – auch wenn man nicht ausrechnen darf, wie groß diese Menge tatsächlich ist.

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Alle Kommentare (3)

Peter
Howe

Dieser provokative Artikel regt zum Nachdenken an. Projektmanagement beinhaltet das Wort "Management". Das Wort kommt aus dem Lateinischen manus die Hand und agere führen also an der Hand führen. Wie kann man auf die Idee überhaupt kommen sowas in Frage zu stellen, ob man Projektmanagement in einem Unternehmen braucht oder nicht. Also Projekte führt oder steuert. Aber gut, in dieser Community brauche ich niemanden zu überzeugen. Zu dem Beitrag fällt mir noch ein anderes Argument ein. Kunden und das sind die, die unser Gehalt letztendlich zahlen fordern vertraglich professionelles Projektmanagement. Das wäre auch ein großer Wettbewerbsnachteil diesen vertraglichen Anspruch nicht erfüllen zu wollen oder noch schlimmer zu können. Weiterhin geht Projektmanagement ja auch das Thema strukturierter Projektabschluss mit Lessons Learned Ergebnissen an die für neue Projekte und Einschätzung von ggf. neuen Risiken bereits in der Angebotsphase überlebenswichtig sind und, und und.... Mir hat der Artikel gut gefallen und hoffe, dass es nicht mehr all zu viele Organisationen in Deutschland gibt die noch mit Steinzeit-Methoden operieren.....

 

Wolfgang
Weber
Dr.

Hallo Herr Tumuscheit, die Frage nach dem RoI einer PM-Professionalisierung wird auch mir immer wieder gestellt. Ihren Ansatz von z.B. 10% der Kosten bzw. sogar nur des (viel geringeren) EBIT halte ich für durchaus realistisch und habe ihn in den entsprechenden Diskussionen auch angewandt. Doch interessanterweise haben die abgeschätzten Einsparungen, die ebenfalls in der von Ihnen genannten Grössenordnung lagen, die jeweiligen Gesprächspartner und Entscheider in der GL kaum beeindruckt. Nicht, dass die Zahlen substantiell angezweifelt wurden. Aber solange der finanzielle Druck nicht wirklich schlimm war bzw. ist, lässt man es offensichtlich lieber so weiterlaufen wie bisher. Ich denke, dass die Angst vor Eingeständnis der aktuellen PM-Defizite und die vor spürbarer Veränderung viel stärker ist als die "Verlockung" der Kostenreduktion bzw. die Erhöhung der Projekt-Erfolgsbilanz. Fazit: die Wirkung der "Kostenkeule" überschätzt man als Aussenstehender meist massiv. Zumindest ist das meine Erfahrung. Und daher bringt es auch rein gar nichts, wenn man versucht, die Schätzgenauigkeit zu erhöhen - das ist angesichts des erforderlichen Aufwands verlorene Liebesmüh'. Was m.E. statt dessen als einziger tragfähiger "Anreiz" bleibt, ist die Erkenntnis in der GL, dass die dauerhafte Verbesserung der Projektarbeit eine notwendige Bedingung dafür ist, das Unternehmen für die Zukunft fit zu machen. Hinreichend ist sie natürlich nicht.. Mit besten Grüssen, W. Weber

 

Guest

Volle Unterstützung für Herrn Tumuscheit und meine Vorredner. Projekte sind doch wie kleine Unternehmen. Nun stelle man sich in der GL einfach mal vor, es gäbe im eigenen Unternehmen kein Management. Die Frage nach gutem Projektmanagement ist also die gleiche wie die nach der Existenzberechtigung der GL, oder ? Den Rest können sie sich also dann selbst ausrechnen... Gleiches gilt übrigens auch für Krisen: für Unternehmen in Schieflage holt man (oder die Hausbank) selbstverständlich professionelle Hilfe zur Sanierung, bei Krisenprojekten knuddelt man meist mit den gleichen untauglichen Mitteln weiter, hofft auf Selbstheilung, oder schreibt das Projekt ohne ROI ab und sucht einen Sündenbock. Man stelle sich das mal auf GL-Ebene des Unternehmens vor... Wie Herr Howe schon schreibt: In dieser Community brauche ich niemanden zu überzeugen ! :-(