Für eilige LeserInnen: Auch wenn es nicht explizit benannt ist, hier geht es um das leidige Dauerthema des Konflikts zwischen Projekt und Linie. Projektmanager, die quer zu Abteilungen arbeiten müssen, finden hier zwar kein Patentrezept aber viele gute Ansätze.
Das Titelbild drückt es sehr martialisch aus: Zwei Manager reichen sich lächelnd die Hand, aber hinter dem Rücken blitzt das geschliffene Messer. Es ist zwar nur ein Küchenmesser und nicht der Dolch aus Schillers "Bürgschaft", aber gefährlich sieht es trotzdem aus.
Während Schiller die Themen "Tyrannen, unüberwindbar scheinende Hindernisse und Freundschaft" in zwanzig Strophen unvergesslich abhandelt, benötigt Peter Schütz zunächst einmal 80 Seiten, um das Problem in vielen Facetten und mit vielen (echten !) Beispielen auszubreiten.
Die Welt ist eben komplexer geworden.
Diese umfangreiche Darstellung, wie der alltägliche Wahnsinn des Abteilungsdenkens und Regionalfürstentums Unternehmenserfolg verhindert, hat zwei Seiten. Einerseits erwartet man sich von einem Management-Buch Lösungen und nicht ausführliche Problemschilderungen. Andererseits können für fundamentale Probleme nur durch saubere Analysen Lösungen gefunden werden. Ihre besondere Berechtigung erfährt die Fülle der Negativ-Beispiele daraus, dass sie auf der ersten branchenübergreifenden Studie zum Thema "Managementbrüche in Unternehmen" beruht. Der Autor führte in Zusammenarbeit mit Fachzeitschriften eine schriftliche Befragung von 240 Personen aus allen Management-Ebenen und allen Betriebsgrößen durch. In einem zweiten Durchgang interviewte er hundert Manager mit den ihm am interessantesten erscheinenden Fällen.
Mit dieser Fülle von "bad practices" untermauert er die Problemanalyse der ersten vier Kapitel so spannend, dass man die Kritik über ihren Umfang schon wieder hintanstellen muss. Der Autor bringt das Problem auf einen Punkt: den "Silo-Virus".
Der Nährboden dieser für Unternehmenserfolg tödlichen Krankheit ist schnell identifiziert:
- Distanz (räumlich, hierarchisch, formal, zielbezogen, persönlich, gruppenbezogen)
- Fehlende Transparenz (Ziele, Prozesse, Prozessverantwortung, Messbarkeit von Ergebnissen, Ergebnisverantwortung)
War das Buch bisher reich an deja-vus-Erlebnissen, die manchmal amüsant und manchmal erschreckend sein mögen, so wird es ab Kapitel 5 "Perspektivenwechsel als Grundlage der Genesung" anstrengender. Denn jetzt bemüht sich Peter Schütz um Lösungsansätze.
Positiv zu bewerten ist, dass er dabei nicht in Versuchung gerät, irgendein Heile-Welt-Zauber-Programm aus dem Hut zu fischen (... haben Sie den dezenten Hinweis verstanden? Wenn nein, dann schreiben Sie "fischen" doch mal englisch und in Großbuchstaben ...).
Anstrengend für die Leser ist, dass sie mit den beiden Strategien "Bruchstellenfilter" und "Brücken über Bruchstellen" zum einen selber denken müssen und zum anderen ihr eigenes Verhalten überprüfen und ändern müssen. Das ist die gerechte Strafe für die Schadenfreude beim Lesen der Problemfälle.
Aber auch hier gibt es jede Menge Kurzbeispiele, die Mut machen. Vor allem dadurch, dass es eigentlich keiner revolutionären Umorganisationen bedarf, sondern lediglich einfacher Brücken - es müssen beileibe keine goldenen sein. Gerade für die so kritischen Innovationsprozesse (wenn Sie die Story über den Büstenhalter mit Teleskopfederung lesen wollen, müssen Sie das Buch schon kaufen) sind diese Brücken zwischen den Abteilungen (Entwicklung, Vertrieb, Marketing, Controlling usw.) essentiell. Wenn Sie also keine Zeit haben, die ersten vier Kapitel durchzuackern und bereits genügend motiviert sind, können Sie beruhigt zuerst Kapitel 7 "Innovationsprozesse als Nagelprobe" lesen. Dann wissen Sie, warum Sie die beiden "Lösungskapitel" über Bruchstellenfilter und Brücken genau durcharbeiten sollten.
Im Zeitalter der Fusionen und Globalisierung darf die Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen nicht fehlen. Und so widmet ihr der Autor das letzte große Kapitel: Die Kooperation als Königsdisziplin.
Abschließend stellt er auf drei-einhalb Seiten kompakt vor, wie ein "Bruchstellenmanager" in Aktion aussieht. Und für uns Eingeweihte wird dabei klar: "Bruchstellenmanager" ist nur ein anderes Wort für "Projektmanager".
Denn schließlich wollen wir alle den "Tyrannen" davon überzeugen, dass er wie Dionys in Schillers Bürgschaft zu den beiden Freunden sagt:
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der dritte!"