Boykott und unternehmenspolitische Interessen im Projekt: Was kann ein Projektleiter tun?

Je komplexer die Projekte werden, umso stärker treten die weichen Skills eines Projektmanagers in den Vordergrund. Anhand eines konfliktbeladenen Projekts zeigen die Autoren Faktoren auf, die dieses Projekt zum Erfolg führten. Sie hatten mit Machtspielen zu kämpfen und der Endkunde boykottierte das Projekt. Welche Kniffe sie dabei anwendeten, um das Projekt erfolgreich abzuschließen, schildern sie in ihrem Praxisbericht.

 

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Boykott und unternehmenspolitische Interessen im Projekt: Was kann ein Projektleiter tun?

Je komplexer die Projekte werden, umso stärker treten die weichen Skills eines Projektmanagers in den Vordergrund. Anhand eines konfliktbeladenen Projekts zeigen die Autoren Faktoren auf, die dieses Projekt zum Erfolg führten. Sie hatten mit Machtspielen zu kämpfen und der Endkunde boykottierte das Projekt. Welche Kniffe sie dabei anwendeten, um das Projekt erfolgreich abzuschließen, schildern sie in ihrem Praxisbericht.

 

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Je komplexer die Projekte werden, umso stärker treten die weichen Skills eines Projektmanagers in den Vordergrund. Anhand eines unserer Projekte mit der Konstellation SW-Hersteller (Auftragnehmer) - Rechenzentrum (Auftraggeber) - Banken (Nutzer des Systems und Kunde des Rechenzentrums) möchten wir die Faktoren aufzeigen, die dieses Projekt zum Erfolg führten. Wir hatten mit Machtspielen vonseiten des SW-Herstellers und des Rechenzentrums zu kämpfen, der Endkunde boykottierte das Projekt und alle waren überrascht, dass wir überhaupt soweit kamen.

Ausgangssituation

Im Juni 1998 wurde das Großprojekt initiiert. Auf Herstellerseite wurde ein Team mit entsprechenden Skills zusammengetrommelt. Und schon hier waren die ersten Spannungsfelder zu erkennen, denn unterschiedliche Bereiche (Fachberatung, Entwicklung, Strategisches Consulting, Vertrieb) hatten ihre eigenen Vorstellungen über den Ablauf des Projekts und persönliche, unterschiedliche Interessen . Hinzu kam, dass die internen "Machtspiele" zusätzlich auf das Projekt abfärbten. So schickte dann jeder Bereich seine Speerspitze aus und wir begannen mit 2 (!) Projektleitern als "Doppelspitze". Zwischenzeitlich erinnerte das taktische Vorgehen eher an einen Bundeswahlkampf als an ein Softwareprojekt.

Auch der Auftraggeber (Rechenzentrum) musste sich erst formieren. Hier übergab der bisherige Partner, das Produktmanagement, die Gesamtverantwortung an die Entwicklungsabteilung als unseren operativen Projektpartner. Die Verantwortlichen ließen uns sogleich merken, dass sie mit der externen Vergabe des Projekts ganz und gar nicht einverstanden waren. Sie waren überzeugt, dass sie das allein viel besser könnten. Und so beschloss man, uns am langen Arm verhungern zu lassen. Ziel war, dass das Produktmanagement endlich in seinen Kompetenzen beschnitten wird und die Anwendungsentwicklung wieder einen höheren Stellenwert gewinnt. Also waren wir auch hier in der Hauspolitik zwischen die Fronten geraten.

Halbwertzeit eines Projektleiters: 8 Monate

Fast ein Jahr war der Auftraggeber mehr mit sich als mit den eigentlichen Projektinhalten beschäftigt. Eine Verstärkung durch eine externe Projektleitung vonseiten des Rechenzentrums gab entnervt nach einigen Monaten auf. Und so erlebten wir insgesamt drei Projektleiter innerhalb von zwei Jahren. Die durchschnittliche Halbwertzeit eines Projektleiters betrug 8 Monate.

Das einzige, das keinen interessierte, war der Kunde. Bekanntlich schimpfen Anwender immer auf ihr Rechenzentrum, hier konnten wir es zumindest ansatzweise verstehen und nachvollziehen. Es war jedoch nicht so, dass die Banken vor Elan, Einsatzfreude und Inspiration überschäumten. Sie legten im Projektverlauf vielmehr eine Art Konsumverhalten an den Tag. Wir durften uns unterschiedliche Vorschläge einfallen lassen und wie im alten Rom wurde dann der Daumen nach oben oder nach unten gerichtet. Die einzelnen Mitgliedsbanken hatten noch unterschiedliche Anforderungen, jede ihre eigenen Vorstellungen. Hierbei einen Konsens herzustellen, insbesondere wenn das Rechenzentrum weder filtert, moderiert oder gar eine eindeutige Stellung bezieht, ist äußerst schwierig. Eigene Lösungsvorschläge gab es kaum.

Am Ende unserer aktiven Zeit erfuhren wir dann von den Anwendern woher das Verhalten kam: Sie hatten nie damit gerechnet, dass wir bis zur Einführung des Systems kommen, sondern rechneten damit, dass wir zwischenzeitlich das Handtuch werfen wie ein ausgepowerter Boxer. Nun, angezählt waren wir einige Male, jedoch zu Boden gegangen sind wir nicht.

Wie konnte das Projekt unter diesen Umständen erfolgreich umgesetzt werden, welche Kniffe wendeten wir an?

Schaffung einer informellen Informationsbasis

Der Kaffeeplausch als Nachrichtenbörse

Wie es eine informelle Struktur in einer Organisation gibt, so gibt es auch die informellen Kommunikationskanäle. Wer würde in einem Team-Meeting schon offen zugeben, dass er seine Aufgaben nicht, schlecht oder verspätet abliefern kann? Er wird die Probleme solange wie möglich für sich behalten wollen, um gut da zu stehen. Überspitzt ausgedrückt: Eigentlich brauchen Sie als Projektleiter am Statusmeeting nicht teilzunehmen, da Sie dort in der Regel nichts erfahren, was Sie nicht schon über den informellen Weg gehört haben. Dazu muss man jedoch Fingerspitzengefühl aufbringen und zuhören! Im Rahmen einer zwanglosen pseudo-privaten Kommunikation ermitteln Sie notwendige und hinreichende Informationen sowohl in Gesprächen mit Projektteam, Kunden sowie Kollegen und Entscheidungsträgern.

Zeitweise verbrachten wir bis zu sechs Stunden am Tag formal "nicht produktiv" in diesen Kreisen. Aber wir waren damit mit Sicherheit näher am Projekt, an den kritischen Pfaden und den zwischenmenschlichen Spannungen im Team als mit jedem offiziellen Meeting. Probieren Sie es aus, Sie werden staunen.

Speziell mit unserer Projektkonstellation (Hersteller, Betreiber und Endkunde) war es wesentlich, im Rahmen dieses ausgedehnten Smalltalks umfassende Infos von allen Projektbeteiligten einzuholen, auch wenn direkter Kontakt offiziell nicht möglich war. Wie oft hörten wir in dieser Zeit "von mir wissen Sie es aber nicht...", "ganz im Vertrauen..." oder "mich geht es ja nichts an, aber ...".

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