
Interview mit Dr. Christoph Heusgen – Diplomat und Außenpolitik-Experte Was Projektmanager von der Diplomatie lernen können

Dr. Christoph Heusgen spricht über Europas Rolle in der Welt, den Umgang mit Putin, die Regulierung digitaler Plattformen und den Wert klarer Kommunikation. Projektleitenden rät er zu Prinzipientreue, Besonnenheit und Glaubwürdigkeit.
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Interview mit Dr. Christoph Heusgen – Diplomat und Außenpolitik-Experte Was Projektmanager von der Diplomatie lernen können

Dr. Christoph Heusgen spricht über Europas Rolle in der Welt, den Umgang mit Putin, die Regulierung digitaler Plattformen und den Wert klarer Kommunikation. Projektleitenden rät er zu Prinzipientreue, Besonnenheit und Glaubwürdigkeit.
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Dr. Christoph Heusgen ist einer der bekanntesten deutschen Diplomaten und beriet Angela Merkel über ein Jahrzehnt lang in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Von 2022 bis 2025 war er Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor hatte er leitende Funktionen im Auswärtigen Amt sowie bei der EU inne und vertrat Deutschland von 2017 bis 2021 als Botschafter bei den Vereinten Nationen. Heusgen studierte in St. Gallen, Paris und Georgia, ist Honorarprofessor in St. Gallen und vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold.
Sie waren beim Minsker Abkommen, das 2014 die politische Beilegung des kriegerischen Konflikts in der Ost-Ukraine fixierte, an den Verhandlungen beteiligt. Für wie realistisch halten sie es, dass Russland sich jetzt ernsthaft an den Verhandlungstisch setzt?
Es gab den Druck der Europäer zusammen mit den Amerikanern, auch die Russen dazu zu bringen, einer 30-tägigen Waffenpause zuzustimmen. Das ist etwas, was Putin nicht möchte. Weil er sich immer noch im Vorteil wähnt: Er glaubt, er sei militärisch stärker und am längeren Hebel. Er will mit der militärischen Aggression nicht aufhören. Auf der anderen Seite möchte er aber zumindest den Anschein erwecken, dass er gesprächsbereit ist. Er hat dann als Gegenvorschlag zu diesem 30-tägigen Waffenstopp den Vorschlag von direkten Verhandlungen gemacht.
Das hat es in der Vergangenheit auch schon mal gegeben. Dass die Russen bereit sind, mit den Ukrainern zu sprechen, ist ein gewisses Entgegenkommen. Hierauf ist ja dann auch direkt Trump drauf eingegangen und hat gesagt, das ist doch gut. Damit war der Schwarze Peter von den Russen wieder bei den Ukrainern. Daraufhin haben die Ukrainer gesagt, prima, Selenskyj kommt selbst, und haben damit den Schwarzen Peter zurückgespielt. Das klang wie eine gute Geste, aber ich habe sofort gesagt: Dass Putin kommt, ist völlig ausgeschlossen, weil Putin ja die Legitimität von Selenskyj ablehnt. Putin sagt, dieser Präsident ist nicht gewählt, er ist ein Nazi, mit dem will ich nichts zu tun haben. Und wenn er dann auf dieses Angebot von Selenskyj eingegangen wäre, wäre das ein Entgegenkommen gewesen. Er hätte damit Selenskyj anerkannt − eine Aufwertung Selenskyjs als Partner auf Augenhöhe.
Putin hat Leute zu den Verhandlungen geschickt. Aber es sind eben nicht Leute von Gewicht, sondern Vertreter mit null Bewegungsspielraum.
Da war für mich klar: Putin kommt nicht. Auf der anderen Seite hat Putin trotzdem gesagt, er sei bereit zu verhandeln. Er hat auch Leute zu den Verhandlungen geschickt. Aber es sind eben nicht Leute von Gewicht − weder der Außenminister, der nationale Sicherheitsberater, noch der außenpolitische Berater, sondern das sind jeweils Vertreter. Damit zeigt Putin, dass das auf dem Papier Verhandlungen sind. Aber die, die dort hinkommen, haben null Bewegungsspielraum. Das ist nur etwas, um zu sagen: Ja, wir sind verhandlungsbereit. So ist die Situation. Davon können wir nichts erwarten.
Wenn Putin Selenskyj nicht anerkennt, wird er mit ihm nicht verhandeln. Was müsste sich ändern, damit es überhaupt zu ernsthaften Verhandlungen kommen kann? Könnte der Einfluss der USA Erfolg versprechen?
Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Das eine ist, dass Putin militärisch verliert. Danach sieht es derzeit nicht aus. Er kommt lange nicht so schnell voran, wie er möchte, aber hat auch keine größeren Rückschläge zu verkraften. Er kann das also noch weiter aushalten, zumal es in Russland keine nennenswerte Opposition gegen dieses Vorgehen gibt, das ja viele Menschen das Leben kostet und zudem wirtschaftliche Nachteile hat.
Nur wenn Putin das Gefühl hat, er ist nicht mehr in einer Position der Stärke, ist er bereit zu verhandeln.
Es ist wichtig, dass die Ukraine weiter aufgerüstet wird. Wenn die Amerikaner weniger machen, müssen die Europäer eben mehr tun. Denn nur, wenn Putin das Gefühl hat, er ist nicht mehr in einer Position der Stärke, ist er bereit zu verhandeln. Das kann man, wie gesagt, durch militärische Stärke erreichen oder aber − das steht derzeit im Mittelpunkt − durch Verschärfung der Sanktionen. Bei Sanktionen gibt es die europäischen und die amerikanischen Sanktionen. Die Europäer haben die Sanktionen jetzt noch mal verschärft, indem weitere Personen auf Listen gesetzt wurden – ihre Reisefreiheit wird eingeschränkt, ihre Vermögen eingefroren. Die Sanktionen richteten sich aber vor allen Dingen auch gegen die 200 Schiffe der sogenannten "Schattenflotte". Das sind die Schiffe, die ohne irgendeine Flagge oder unter dubiosen Flaggen Öl aus Russland exportieren. Sie können gleichzeitig auch große Umweltkatastrophen auslösen. Die bisherigen Sanktionen sind wichtig, aber das reicht noch nicht aus. Man muss jetzt in der Tat überlegen, ob man nicht noch schärfere Maßnahmen ergreift.
Im amerikanischen Senat gibt es eine Mehrheit von Senatoren, die für solche schärfere Sanktionen sind. Da muss man abwarten, ob die Trump-Regierung sich das zu eigen macht. Hier geht es darum, dass man auf die Einnahmen, die die Russen durch ihre Öl- und Gasverkäufe in Indien und China erzielen, Sekundärsanktionen erhebt, dass man dann also die Unternehmen, die diese Transaktionen abwickeln, sanktioniert. Die Amerikaner machen das gerade im Hinblick auf Unternehmen, die iranisches Öl nach China exportieren, weil sie Druck auf den Iran ausüben wollen.
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