Experiment "Recruit your Boss" Vom Vorgesetzten zur gewählten Führungskraft

Vom Vorgesetzten zur gewählten Führungskraft

Die Mitarbeiter wählen eine Führungskraft aus den eigenen Reihen – ein Ding der Unmöglichkeit? Nein, wie das Team um Andreas Ulrich beweist. Aus einem Team von acht Personen wählten sie ihren Vorgesetzten selbst – wie sie dazu vorgegangen sind, wo Stolperfallen lauern und was sie heute anders machen würden, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Experiment "Recruit your Boss" Vom Vorgesetzten zur gewählten Führungskraft

Vom Vorgesetzten zur gewählten Führungskraft

Die Mitarbeiter wählen eine Führungskraft aus den eigenen Reihen – ein Ding der Unmöglichkeit? Nein, wie das Team um Andreas Ulrich beweist. Aus einem Team von acht Personen wählten sie ihren Vorgesetzten selbst – wie sie dazu vorgegangen sind, wo Stolperfallen lauern und was sie heute anders machen würden, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Der allgemeine Tenor ist eindeutig: Wer die digitale Transformation will, muss umdenken! Dabei stehen vor allem Führungskräfte unter dem Druck, klassische Führungskonzepte zu überdenken und sich wandeln zu müssen. Denn ohne moderne Führungskräfte scheint ein Wandel zur dynamikrobusten Organisation nicht möglich.

Im Folgenden stelle ich einen Ansatz vor, mit dem mein Team und ich Führung neu denken wollten. Statt eines klassischen Vorgesetzten rekrutierten wir unsere Führungskraft aus den eigenen Reihen. Den Wahlprozess und die Vor- und Nachteile dieser Form der Neubesetzung einer Führungskraft möchte ich anhand der gemachten Erfahrungen aufzeigen.

Wie kommt man auf die Idee seine Führungskraft zu wählen?

Mitte 2016 waren wir als Team von acht Agile Coaches überraschend mit der Situation konfrontiert, dass sich unsere Führungskraft aus ihrer Rolle zurückziehen wollte. Als Teil eines neu gegründeten Change-Teams wollte unser Vorgesetzter eine Umstrukturierung im Unternehmen vorantreiben.

Als Team waren wir zu diesem Zeitpunkt in einer Phase, in der wir uns intensiv mit unserer Selbstorganisation beschäftigten. Wir hatten schon einiges zu diesem Thema erreicht und wollten eine Führungskraft, die bereit ist, das Thema Selbstorganisation mit uns weiter zu entwickeln. Wir suchten also einen Vorgesetzten, der den Mehrwert eines sich selbst verwaltenden Teams erkennt und unterstützt. Da wir einen langen und kostspieligen Recruiting-Prozess vermeiden wollten, entschieden wir uns, die Führungskraft aus unseren eigenen Reihen zu wählen.

Was ist notwendig für die Wahl?

Darf man als Team seine Führungskraft wählen und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? In offenen Gesprächen mit unserer Personalabteilung und dem CTO, unter dem unsere Führungskraft hierarchisch angegliedert ist, konnten wir klären, dass eine Wahl der Führungskraft grundsätzlich möglich ist und die Befugnisse der neuen Rolle abstecken.

Folgende Punkte konnten wir klären; die Führungskraft muss:

  • kompatibel zu Unternehmen, Team und Vorgesetzten sein (bei uns z.B. ein agiles Mindset)
  • dedizierter Ansprechpartner für HR und Führungsebene sein
  • Gehalts-Abstimmungen und Entscheidungen zur Strategie treffen können
  • disziplinarische Maßnahmen wie Kündigungen, Abmahnungen und Entfristungen aussprechen können
  • Urlaubsanträge unter Beachtung der Arbeitsfähigkeit des Bereichs genehmigen können

Neben den abgestimmten Befugnissen gelang es uns, in einem einstündigen Gespräch mit der Personalabteilung und dem direkten Vorgesetzten unserer zukünftigen Führungskraft weitere wichtige Effekte zu erzielen: Zum einen konnten wir unser Vorhaben erläutern und mögliche Vetos relevanter Stellen im Voraus verhindern. Zum anderen bekamen wir als Team eine genauere Vorstellung von den Tätigkeiten und der Erwartungshaltung an unsere zukünftige Führungskraft und konnten die Vorteile einer Wahl gemeinsam erörtern: Neben der Entlastung der Personalabteilung spielten Kosteneinsparungen im Recruiting-Prozess, die gegebene Kompatibilität zum Unternehmen, dem Team und dem Vorgesetzten sowie die fehlende Eingewöhnungsphase ins Unternehmen eine Rolle.

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Sieht man von den Weiterbildungsangeboten zur Ausübung der neuen Rolle ab, ist eine gewählte Führungskraft zeitnah in ihrer Rolle einsetzbar und arbeitsfähig. Natürlich muss die Lücke im Tagesgeschäft bedacht werden, die der gewählte Kollege hinterlässt. Durch ein gutes Recruiting der Personalabteilung und die Tatsache, dass der gewählte Kollege unmittelbar für ein Onboarding verfügbar war, gelang uns eine Neubesetzung seiner Stelle.

Wie gestaltet man die Wahl einer Führungskraft?

Die Wahl zur Führungskraft führten wir innerhalb eines halben Arbeitstages durch. Wir hatten uns dafür einen Konferenzraum im Unternehmen gebucht. Für die Gestaltung des Wahlprozesses waren uns drei Punkte wichtig:

  • Eindeutiges Ziel der Wahl: Eine adäquate Besetzung, die unsere und die Anforderungen des Unternehmens erfüllt.
  • Wahlvorgang mit hoher Transparenz: Zu jedem Zeitpunkt sollten die Wählenden, der/die Gewählte und das Unternehmen nachvollziehen können, warum und wie Entscheidungen bzgl. der Besetzung getroffen wurden.
  • Durchführung mit absoluter Fairness für alle: Jeder Kandidat sollte die gleiche Chance bekommen, sich für die Rolle zu positionieren.

Alle Kommentare (4)

Christoph
Bauer

Hallo Andreas, danke für den tollen Beitrag. Besonders beeindruckend fand ich Euren Mut, bei der Wahl gleich eine Stärken-Schwächen-Analyse zu integrieren. Das hast Du ja auch als schwierig beschrieben. Eure offensichtlich sehr professionelle und konstruktive Feedbackkultur hat diesen Prozess getragen. Respekt! Schöne Grüße Christoph www.wandelraum.de

 

Hallo Christoph, vielen Dank für die freundlichen Worte. Ich freue mich, wenn der Artikel gefallen hat. Wie im Artikel beschrieben, haben wir leider auch bei der Stärken-Schwächen-Analyse Fehler gemacht. Dennoch denke ich ebenfalls, dass wir durch die Übung im Feedback geben und annehmen, stets eine positives Miteinander gewährleisten konnten. Schönen und erfolgreichen Tag. Andreas

 

Rolf
Stocker

Vielen Dank für den interessanten Beitrag zu einem hochaktuellen Thema. Ich gebe zu, dass meiner Meinung nach die herangeführten Gründe, die für eine Teamwahl sprechen, fast alle genauso gut auf eine "konventionelle" Rekrutierung einer bereits in der Firma beschäftigten Person zutreffen. Ich finde das ein hochspannendes Experiment, die Handlungsnotwendigkeit erschliesst sich mir aus dem Artikel zu wenig. Schöne Grüsse, Rolf Stocker

 

Sehr geehrter Herr Stocker, vielen Dank für Ihr Kommentar. Ich denke, wenn u.a. die Erwartungshaltungen an die Führungskraft für alle transparent sind und es eine gemeinsame Vorstellung davon gibt, wie und wohin sich Mitarbeiter und Führungskraft entwickeln wollen, kann auch eine "konventionelle" Rekrutierung ein geeigneter Weg zu mehr Führungsqualität sein. Ich habe innerhalb dieses Experiments für mich feststellen können, wie wichtig diese Themen vor allem für die Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeitern sein können.