Vertrauen muss man sich verdienen

Häufig erwarten wir, dass uns Vorgesetzte (sowie Mitarbeiter, Kunden und Verhandlungspartner) vertrauen. Immer, wenn sie es nicht tun, frustriert und echauffiert uns das. Wir haben das Gefühl: Die bleiben uns was schuldig! Die behandeln uns unfair!

Vertrauen muss man sich verdienen

Häufig erwarten wir, dass uns Vorgesetzte (sowie Mitarbeiter, Kunden und Verhandlungspartner) vertrauen. Immer, wenn sie es nicht tun, frustriert und echauffiert uns das. Wir haben das Gefühl: Die bleiben uns was schuldig! Die behandeln uns unfair!

"Die größte Ehre, die man einem Menschen schenken kann,
ist die, dass man zu ihm Vertrauen hat."
Matthias Claudius (1740-1815),
deutscher Dichter und Journalist

Nur selten kommen wir auf die Idee, uns das Vertrauen aktiv zu verdienen. Dass Vertrauen keine Bring-, sondern eine Holschuld ist. Hart, aber wahr: Vertrauen haben wir uns erst dann verdient, wenn wir es uns verdient haben. Dann allerdings spendet das Vertrauen der uns Anvertrauten einen Distinktionsgewinn, der jeden Jahresbonus in den Schatten stellt.

Vertrauen einfordern bringt wenig

Projektleiter Thomas M. hadert mit seinem Chef, weil dieser permanent in sein Projekt "hereinregiert". Morgens schon ruft er an: "Ist alles klar für das Meeting mit den Lieferanten?" Und er gibt "Verhandlungstipps". Abends will er wissen: "Wie lief das Meeting?" Und er gibt Manöverkritik. So geht das jeden Tag. Warum? Der Chef vertraut Thomas nicht.

Weil sein Projekt Top-Priorität hat und die Firma erledigt wäre, wenn Thomas nicht liefert. Weil der Chef vom nagenden Gefühl gequält wird, dass etwas übersehen wurde. Und weil Thomas zwar ein erfahrener Projektleiter ist, aber noch nie so ein komplexes und dringendes Projekt geleitet hat. Also regiert der Chef rein. Thomas denkt: "Soll er das Projekt doch selber leiten, wenn er mir ständig reinredet!" Das denkt er. Sagen tut er etwas anderes.

Den Spieß umdrehen

Da es ihn mächtig wurmt, dass der Chef ihm nicht vertraut und ständig dreinredet, sagt er eines Morgens zu ihm: "Lassen Sie mich doch machen. Ich kann das. Sie können mir vertrauen!" Was macht der Chef am Abend? Er ruft wieder an und lässt sich alles haarklein berichten. Thomas erkennt: Es bringt wenig, Vertrauen einzufordern. Deshalb dreht er den Spieß um.

Seinen Chef plagt das nagende Gefühl, dass er etwas übersehen haben könnte? Also legt Thomas ihm jeden Morgen ein Update der To-do-Liste ins Büro. Automatisch, unaufgefordert. Die Anrufe des Chefs halbieren sich binnen einer Woche.

Der Chef regiert auch in Status-Meetings (Wie weit sind wir? Wo sind wir hinter Zeitplan? Was muss getan werden?) hinein, weil ihn in Sitzungen dieselbe Furcht quält? Also arbeitet Thomas vor jeder Sitzung eine detaillierte Tagesordnung aus, die er in der Sitzung Punkt für Punkt abarbeitet. Und schon bald hört der Chef auf, Meetings parallel zu moderieren.

Der Chef ruft hinter dem Rücken von Thomas unterschiedliche Teammitglieder zum Stand einzelner Aufgaben an, kriegt von jedem eine unterschiedliche Einschätzung und hält danach Thomas regelmäßig mit besorgten Rückfragen auf? Also erarbeitet Thomas im Meeting mit seinem Team jeweils den aktuellen Stand jeder Aufgabe – und alle sprechen plötzlich eine Sprache. Und so weiter. Insgesamt aktiviert Thomas rund ein Dutzend "vertrauensbildender Maßnahmen". Was macht der Chef?

Früher hat er Thomas zweimal am Tag angerufen, je eine halbe Stunde aufgehalten und ihn mit seinem Misstrauen mächtig frustriert. Wie oft ruft er jetzt an? Gar nicht mehr. Jetzt ruft Thomas ihn an. Einmal die Woche gibt er ihm den Projektstatus durch. Und der Chef ist zufrieden. Warum? Einfach: Jetzt vertraut er Thomas. Nicht aus naiver Vertrauensseligkeit, sondern weil Thomas sich sein Vertrauen verdient hat.

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