

Sind auch Sie genervt von uferlosen Diskussionen, die den Rahmen jedes Meetings sprengen? Dann probieren Sie es doch mal mit konfrontierender Kommunikation. Dank simpler Regeln und deutlicher Signale vertreten Sie klar Ihren Standpunkt, vermeiden so Missverständnisse und sorgen dafür, dass Meinungsverschiedenheiten schnell gelöst werden. Christiane Espich zeigt, wie Sie die Methode im Projektmeeting anwenden.
Sind auch Sie genervt von uferlosen Diskussionen, die den Rahmen jedes Meetings sprengen? Dann probieren Sie es doch mal mit konfrontierender Kommunikation. Dank simpler Regeln und deutlicher Signale vertreten Sie klar Ihren Standpunkt, vermeiden so Missverständnisse und sorgen dafür, dass Meinungsverschiedenheiten schnell gelöst werden. Christiane Espich zeigt, wie Sie die Methode im Projektmeeting anwenden.
Projektleiterin Ute Umsats ist genervt: Das erste Daily Scrum mit ihrem neuen Projektteam wäre fast in einer chaotischen Diskussion versunken, weil zwei Teammitglieder – die stellvertretende Marketingchefin und der junge Vertriebler aus der französischen Niederlassung – anscheinend verschiedene Interessen verfolgen, diese aber nicht offen benennen wollen. Schließlich hat Umsats die Nase voll und erklärt das Thema in "Basta-Manier" für beendet. Die beiden Kollegen fühlen sich dadurch augenscheinlich auf den Schlips getreten. Das belastet die Stimmung im Projektteam.
Aufgrund dieses Vorfalls beschäftigt sich Umsats mit Kommunikationsmethoden und stößt dabei auf das konfrontierende Kommunizieren (nachfolgend kK): Es fördert das zielorientierte Gespräch, sodass man schnell und effektiv zu Lösungen kommt. Zudem gleicht die Methode interkulturelle Sprachunterschiede aus und schafft einen hierarchie- sowie generationenübergreifenden Raum des Austauschs.
Ute Umsats leitet den Vertrieb in der Firmenzentrale des deutschen Mittelstandsunternehmens Automize-IT GmbH, dessen 1.200 Mitarbeiter in 13 Niederlassungen in zehn Ländern arbeiten. Das Unternehmen möchte die Vertriebsstrukturen stärker digital ausrichten, um neben Konzernen auch kleinere Betriebe als Kunden zu gewinnen. Das Projekt läuft unter dem Namen "Digital Sales".
Das 19-köpfige Projektteam kommt aus verschiedenen Nationen, da ihm mindestens ein Mitarbeiter aus jeder Niederlassung angehört, Die Projektsprache ist deshalb Englisch. Zudem sind die Mitarbeiter aus sämtlichen Hierarchiestufen. Kein Wunder, dass es im Projektteam "menschelt" (Human Factor). Um sicherzustellen, dass die Projektziele erreicht werden, stellt Umsats Kommunikationsregeln auf, denen jedes Projektmitglied zustimmen muss (siehe Kasten).
Kommunikationskultur im Projekt "Digital Sales"
Um ihrem Projektteam die konfrontierende Kommunikation näher zu bringen, organisiert Umsats einen zusätzlichen Workshop, zu dem sie eine externe Kommunikationstrainerin einlädt, die die Prinzipien der kK erläutert und Tipps für die Umsetzung gibt. Die Regeln und Rituale der konfrontierenden Kommunikation wollen Umsats und ihr Team vor allem in den täglichen Standup-Meetings (siehe Methodensteckbrief Daily Scrum) einsetzen.
Das lateinische confrontatio wird mit "Gegenüberstellung" oder "Entgegenstellen" übersetzt. Die konfrontierende Kommunikation beschreibt dementsprechend das ungeschönte Aufzeigen störender Faktoren und scheint damit mögliche Konflikte in Kauf zu nehmen. Tatsächlich hat die konfrontierende Kommunikation zum Ziel, die Dinge beim Namen zu nennen, ohne um den heißen Brei herumzureden. Allerdings hat auch eine wertschätzende und akzeptierende Haltung dem Gesprächspartner gegenüber eine große Bedeutung. Das soll verhindern, dass durch autoritäre Gesprächsmuster überholte Erziehungsstile wieder Einzug halten.
Seinen Ursprung hat dieser Kommunikationsstil in der konfrontativen Pädagogik, die Mitarbeiter in sozialen Einrichtungen im Umgang mit gewalttätigen Jugendlichen schult. Sie zielt darauf ab, junge Menschen unmittelbar mit ihrem Handeln zu konfrontieren, um deren Denk- und Verhaltensmuster in der jeweiligen Situation in Frage zu stellen (Weidner & Kilb, 2010) und so eine auf Einsicht aufbauende, nachhaltige Änderung des Verhaltens zu erreichen.
In der Arbeitswelt eignet sich ein konfrontierender Umgang u.a., um Feedback zu geben: Der Feedbackgeber kann so unmissverständlich seinen Standpunkt ausdrücken, ohne dass die Beziehung zum Feedbacknehmer dabei Schaden nimmt. Die kK eignet sich deshalb sehr gut für den Umgang mit der Generationen Y, die viel Wert auf häufige und direkte Rückmeldung legt (Parment, 2013).
Kommunikation ist verbal und non-verbal, letzteres transportiert den meisten Inhalt: Gemäß Albert Mehrabian, der die Formel 55/38/7 geprägt hat, kommen beim Empfänger über Mimik und Gestik 55% des Inhalts an, 38% über Tonfall und Stimme sowie lediglich 7% über die Wortwahl.
Aus diesem Grund legt die kK besonders großen Wert auf non-verbale Konfrontationsrituale. Diese sollten Sie trainieren. Um doppeldeutige Mimik zu vermeiden, setzen Sie ein Pokerface auf, lassen Ihren Gesichtsausdruck also bar jeder emotionalen Regung. Üben Sie diesen Gesichtsausdruck am besten vor dem Spiegel (siehe auch Fachbeitrag auf Helpster). Bild 1 zeigt das Pokerface im Vergleich zur Emotion Ärger (siehe auch Eilert, 2013, S. 63 ff).
Bild 1: Links Mimik nach kK: Pokerface; die Gesichtsmuskeln sind weitestgehend entspannt. Rechts ein verärgerter Ausdruck; die Muskeln um Augen und Mund sind angespannt (sollte man vermeiden).
Wichtig ist auch die richtige Köperhaltung. Vergrößern Sie dazu die Körperoberfläche, indem Sie Ihren Oberkörper aufrichten, die Schultern leicht nach hinten zurücknehmen und den Bauchnabel zur Wirbelsäule ziehen. Diese Haltung sagt aus: "Ich habe ein Anliegen, das ich klären möchte!"
Bild 2: Links Körperhaltung nach kK:, rechts eine ungünstige Sitzposition und Mimik: Der Oberkörper ist gebeugt und sinkt nach hinten ab; dazu passt der zur Seite gezogene Mundwinkel (mimische Emotion der Verachtung).
Drohen im Meeting Dauerredner den Zeitrahmen zu sprengen, können Sie die "Dreimal Klopfen"-Regel anwenden: 3-maliges Klopfen auf den Tisch mit Nachfragen, ob die aktuelle Diskussion zielführend ist: "Inwieweit sind wir noch beim eigentlichen Thema?", "Was hat diese Situation mit unserem Thema zu tun?"
Bei eskalierenden Konfliktsituationen (streiten, aggressiver Tonfall, durcheinanderreden) setzen Sie mit dem Stopp-Handzeichen ein starkes Signal, das Sie mit einem lauten "Stopp" weiter verstärken können (siehe Bild 3).
Bild 3: Beim Stopp-Zeichen signalisiert die Handfläche Distanz, das Pokerface unterstreicht dies.
Weitere Beispiele für verbale Konfrontationsrituale, mit denen Sie Situationen schnell klären können:
Ein festes Element im agilen Projektmanagement sind die täglichen Berichtsrunden, die Standup-Meetings. Die hohe Frequenz ist sinnvoll, um zu gewährleisten, dass alle Arbeiten dem Projektziel dienen und gut koordiniert sind – doch nur dann, wenn der Informationsaustausch zügig abläuft.
Ute Umsats und ihr Team haben ihr Daily im Sinne der kK erweitert; nach den drei klassische Leitfragen (leicht abgewandelt) beantworten die Teilnehmer zwei weitere, konfrontierende Fragen:
Jedes Teammitglied präsentiert die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 in maximal einer Minute. Frage 4 klärt Frau Umsats unmittelbar im Nachgang. Hier zeigt sich die Metakompetenz der Projektleitung, wenn Frau Umsats schnell Projektmitglieder zusammenbringt, die sich gegenseitig helfen. Die Antwort auf Frage 5 könnte dementsprechend sein: "Thomas und ich besprechen heute Nachmittag, wie das Problem zu behandeln bzw. zu beheben ist". Da nicht jedes Teammitglied täglich Projektaufgaben erledigt, dauert das Meeting im Idealfall trotz dem großen Team nur 20 Minuten.
Die Abweichung vom Idealfall tritt im Projektteam von Frau Umsats bereits am dritten Tag auf: Wieder sind die deutsche stellvertretende Marketingchefin und der französische Vertriebler unterschiedlicher Meinung in Bezug auf die Umsetzung der internationalen DSGVO. Zwischen den beiden entbrennt eine hitzige interkulturelle Diskussion, bei der sie weder das mimische Pokerface noch das Fragenstellen anwenden. Frau Umsats schreitet ein, indem sie eine kerzengerade Haltung einnimmt, ihr Pokerface aufsetzt, laut "Stopp" sagt und das passende Handzeichen gibt.
Unmittelbar verstummen die beiden Diskutanten, Projektleiterin Umsats nutzt das sofort, um zu fragen: "In wie weit ist diese Diskussion zielführend im Rahmen unseres Standup-Meetings?" Die stellvertretende Marketingchefin wirft ein, dass die diskutierte Frage zwar nicht heute geklärt werden müsste, aber im Laufe des Projekts Verzögerungen auftreten könnten, wenn keine einheitlichen Datenschutzregeln vorliegen. Auf Frau Umsats Frage "Wer kümmert sich bei uns um die Vereinheitlichung der internationalen Datenschutzbestimmungen?" antwortet die Marketingexpertin mit "die Rechtsabteilung".
Mit weiterhin unbewegter Miene und aufrechter Körperhaltung fährt Umsats fort: "Lässt es Dein Zeitplan zu, dass Du bis Ende dieser Woche gemeinsam mit der Rechtsabteilung einen Vorschlag erarbeitest?". Die Marketingfachfrau prüft rasch ihre Verfügbarkeit und stimmt zu, sich darum bis Freitag zu kümmern. Frau Umsats bedankt sich und fragt den Vertriebler, ob auch er mit dieser Vorgehensweise einverstanden ist, was dieser bejaht, sodass das Meeting ohne großen Zeitverlust fortgesetzt wird.
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