Pro und Contra: Zertifizierung für projektorientierte Arbeitsmärkte

Zertifikate haben im Projektmanagement an Bedeutung gewonnen und sind heute eine wichtige Grundlage für Personalentscheidungen. Umstritten ist allerdings, ob dieses Vertrauen in die Zertifizierung gerechtfertigt ist. Liefern Zertifikate tatsächlich objektive Informationen über die Fähigkeiten eines Bewerbers? Dr. Werner Dostal erklärt, welche Umstände zu der erhöhten Nachfrage nach unternehmensexternen Personalbewertungen geführt haben und hinterfragt ihre Aussagekraft.

 

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Pro und Contra: Zertifizierung für projektorientierte Arbeitsmärkte

Zertifikate haben im Projektmanagement an Bedeutung gewonnen und sind heute eine wichtige Grundlage für Personalentscheidungen. Umstritten ist allerdings, ob dieses Vertrauen in die Zertifizierung gerechtfertigt ist. Liefern Zertifikate tatsächlich objektive Informationen über die Fähigkeiten eines Bewerbers? Dr. Werner Dostal erklärt, welche Umstände zu der erhöhten Nachfrage nach unternehmensexternen Personalbewertungen geführt haben und hinterfragt ihre Aussagekraft.

 

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In vielen Berufen und Branchen ersetzt Projektarbeit heute die kontinuierliche Arbeitsweise, die zuvor im Rahmen langjährig bestehender, hierarchisch aufgebauter Organisationen üblich war. Aus diesem Grund kann die Projektarbeit mit ihrer relativen Kurzfristigkeit und ihrer mangelnden Sicherheit als Frühindikator für einen Großteil der übrigen Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen gelten.

Projektmitarbeiter nehmen häufiger und intensiver an Bewerbungsverfahren auf internen und externen Arbeitsmärkten für Projektpersonal teil, da immer wieder Projekte auslaufen und neue beginnen. Für die Folgeprojekte müssen sie ihre Tauglichkeit für die ausgeschriebenen Aufgaben (Employability) jedes Mal neu unter Beweis stellen.

Der mehrstufige Bewerbungsprozess beginnt üblicherweise mit der Auswertung von Dokumenten, die den Kandidaten charakterisieren. Wesentliche Elemente sind Zertifikate über Bildungs- und Tätigkeitsphasen mit ihren jeweiligen Bewertungen durch die entsprechenden Bildungsinstitute oder Arbeitgeber. Je weniger Arbeitsmärkte aufnahmefähig sind, desto stärker wirkt dieser erste Filter und desto bedeutsamer werden diese Zertifikate.

Zertifizierung ist eine komplexe Aufgabe. Einerseits müssen für eine Zertifizierung die relevanten Aspekte allgemein akzeptiert sein. Andererseits hängt die Bewertung der Zertifizierung davon ab, wie die Personalverantwortlichen den Sachverstand und die Vertrauenswürdigkeit der zertifizierenden Institutionen einschätzen. Allgemein gilt: Kompetenz und Vertrauen gegenüber der zertifizierenden Institution sind nicht von vorneherein gegeben, sie brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Diese Zeit steht für neue und nur vage abgegrenzte Aufgaben, speziell im Projektmanagement nicht immer zur Verfügung. Aus diesem Grund muss zunächst mit vorläufigen Konzepten gearbeitet werden.

Zertifizierung im Projektmanagement

Die allgemeine Tendenz, durch eine Evaluierung oder Zertifizierung Ordnung in die Vielfalt gewachsener Strukturen zu bringen, sie zu vermessen und damit zu standardisieren, hat auch das Projektmanagement erreicht. Dort, wo Kurzfristigkeit und hohes Risiko zusammenkommen, werden derartige Zertifizierungen intensiv diskutiert und auch bereits vorgenommen. Dabei werden folgende Fragen aufgeworfen: Haben Zertifizierungen Sinn? Warum wird derzeit überall zertifiziert? Gibt es verlässliche Methoden für eine Zertifizierung?

Insbesondere in der internationalen Projektmanagement-Szene ist der Bedarf an Absicherung groß. Da es kaum noch eine Vertrauenskultur gibt, die auf der Basis langjähriger Zusammenarbeit gewachsen ist, sind Substitute erforderlich. So spielt die Zertifizierung die Rolle einer Normung, die zwar Risiken nicht verhindern kann, sie aber rational berücksichtigt, und die schließlich spezifische Erfahrungen der Projektarbeit in rationalen Qualifikationsforderungen verdichtet. Zertifizierung bestätigt bestimmte Kompetenzstandards bei den Beteiligten und bei ihren Instrumenten und objektiviert somit die zuvor eher subjektive Einschätzung der zukünftigen Projektbearbeitung und -leistung.

Zugleich soll Zertifizierung die internen und externen Arbeitsmarktvorgänge erleichtern. Zertifikate machen differenzierte Analysen verzichtbar und bieten zugleich Garantien für die Entscheider. Allerdings gilt das nur dann, wenn die Zertifizierung garantierte Objektivität bieten kann und auf Institutionen zurückgeht, die einerseits das Projektmanagement beherrschen und andererseits unabhängig genug sind, um neutrale Entscheidungen treffen zu können. Die Zertifizierung muss sich bereits über einen längeren Zeitraum bewährt haben.

New Economy

Die New Economy hat nach dem Boom um die Jahrtausendwende zwar ihre Dynamik und ihre Auswüchse hinter sich gelassen, ihre Grundmuster haben sich in der Arbeitswelt aber fest verwurzelt. Als Gegenbild zur lebenslangen Beschäftigung im selben Unternehmen hat sie den Projektbezug ohne langfristige Perspektive in den Mittelpunkt gestellt. Weil die Zeit in und zwischen Projekten knapp ist, sind längere Einarbeitungsphasen nicht möglich. Die Mitarbeiter müssen sofort leistungsfähig und -bereit sein. Die Teamstrukturen sind homogen. Es ist vergleichsweise selten, dass beispielsweise altersgemischte Gruppen gebildet werden, stattdessen sind meist "junge" Teams anzutreffen - vor allem auch wegen der kurzen Projektlaufzeiten, in denen massiv Mehrarbeit bis hin zur völligen Vernachlässigung außerberuflicher Verpflichtungen stattfindet.

Zertifikate von geringer Bedeutung

Die New Economy legte auf Zertifikate zunächst wenig Wert. In der Boomphase reichte es aus, bestimmte Mindestkompetenzen und eine hohe Arbeitsmotivation zuzusichern. So hatten beispielsweise Studienabbrecher gute Einstiegschancen, wenn sie konkrete Kenntnisse und Vorarbeiten auf den relevanten Gebieten vorweisen konnten. Prinzipiell achteten Arbeitgeber in der New Economy aber darauf, Personen mit einem hohen Grundpotenzial an sich zu binden, also vor allem Hochschulabsolventen.

Von den Hochschulen vergebene Zertifikate wurden zwar durchaus berücksichtigt, doch weniger in Bezug auf die Fachrichtung, sondern eher im Hinblick auf damit bestätigte Schlüsselqualifikationen. Die Orientierungsfähigkeit in chaotischen Umgebungen ist beispielsweise eine solche Schlüsselkompetenz. Studenten können sie bei der Unübersichtlichkeit von Studiengängen, von erforderlichen und peripheren Leistungsforderungen, der mangelnden terminlichen Planbarkeit und der offenen Anwesenheitsstrukturen insbesondere an universitären Hochschulen exemplarisch erwerben und beweisen. Sie ist auf die Projektarbeit übertragbar.

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